Hamburg. Airport-Chef Michael Eggenschwiler sprach mit dem Abendblatt zum Ferienstart über verspätete Flüge und das Warten auf den Koffer.

In diesem Jahr hat der Hamburger Flughafen ungewollt schon mehrfach auf sich aufmerksam gemacht: ein Totalausfall durch ein defektes Stromkabel, teilweise abgedeckte Dächer wegen tief fliegender Jets und ein starker Anstieg der Flüge nach 23 Uhr. Das Abendblatt sprach darüber mit Flughafen-Chef Michael Eggenschwiler.

Morgen beginnen in Hamburg die Sommerferien. Müssen Fluggäste befürchten, bei der Rückkehr aus dem Urlaub wieder mehr als zwei Stunden auf ihre Koffer zu warten?

Michael Eggenschwiler: Wir sind gut vorbereitet auf den Ferienstart. Unser Anspruch ist es, dass der erste Koffer auch in Spitzenzeiten im Durchschnitt 30 Minuten nach der Landung auf dem Gepäckband bei den Fluggästen ankommt. Dies unterschreiten wir im Schnitt und inzwischen auch sehr stabil. Mich freut es persönlich, dass wir den Passagieren damit die Qualität bieten können, die sie erwarten dürfen. Dazu haben wir unter anderem die Mitarbeiterzahl in den Bodenverkehrsdiensten im Vergleich zum vorigen Sommer um rund 100 Personen auf jetzt etwa 1000 Beschäftigte aufgestockt.

Gibt es noch Einschränkungen durch Baumaßnahmen?

Eggenschwiler: Wir haben am Wochenende die fünfte Phase der Vorfeld-Erneuerung termingerecht abgeschlossen. Damit sind nun zwei Drittel der Fläche geschafft. Außerdem sind jetzt alle 15 Fluggastbrücken, die wir nach und nach saniert haben, wieder in Betrieb. Das bedeutet, dass weniger Flugzeuge als bisher auf Außenpositionen parken und die Passagiere daher seltener die Busse benutzen müssen. Nur in der Pier Süd ist noch hier und da eine Bauwand zu sehen, weil wir dort Gates auf den A380 vorbereiten, mit dem Emirates vom Herbst an täglich nach Hamburg kommt.

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Welchen Einfluss wird der Einsatz des größten Passagierjets der Welt auf die Verkehrszahlen in Hamburg haben?

Eggenschwiler: Das lässt sich noch nicht genau einschätzen. Die tägliche Kapazität auf der Dubai-Strecke steigt dadurch um 20 Prozent. Es kann aber mehr als ein Jahr dauern, bis die zusätzliche Kapazität auch komplett vermarktet werden kann. Generell zeigt Emirates eine kontinuierliche Entwicklung, wie wir sie uns wünschen: Begonnen hat man mit einem täglichen Flug mit einem Airbus A330, heute sind es zwei Flüge pro Tag mit größeren Boeing 777.

Bis einschließlich Mai ist die Passagierzahl am Hamburger Flughafen um ein Prozent gegenüber dem Vorjahreszeitraum gesunken. Bleibt es 2018 bei dieser Tendenz?

Eggenschwiler: Wir rechnen mit einer gegenüber 2017 etwa konstanten Zahl von rund 17,6 Millionen Fluggästen, zumal der Air-Berlin-Ausfall kompensiert werden muss.

Der Flughafen investiert derzeit stark in den Ausbau der Kapazitäten. Wie weit lässt sich die Passagierzahl in der innerstädtischen Lage auf längere Sicht steigern?

Eggenschwiler: Das lässt sich heute nicht wirklich absehen. Zweifellos gibt es einen klaren Trend zu einer höheren Auslastung und zu größeren Flugzeugen. Ein Beispiel: Wenn eine Airline anstatt eines Airbus A319 einen A320 und noch ein paar Jahre später einen A321 einsetzt, steigt die Zahl der Sitzplätze jeweils um mehr als 15 Prozent, ohne dass die Zahl der Flugbewegungen zunimmt.

Sie weisen immer wieder auf diese Tendenz steigender Passagierzahlen ohne zusätzliche Starts und Landungen hin. Doch gemessen an der sogenannten Lärmkontur war 2017 offenbar das lauteste Jahr seit der Jahrtausendwende. Bedeuten also größere Flugzeuge nicht doch mehr Lärm?

Eggenschwiler: Nach objektiven Messdaten ist der Geräuschpegel in den zurückliegenden zehn bis 15 Jahren recht stabil geblieben – und ich glaube, das wird auch in Zukunft so sein. Wir sehen, dass immer mehr Flugzeuge der neuesten Generation eingesetzt werden, die spürbar leiser sind als die bisherigen Jets. Schon jetzt kommen neben der Lufthansa auch Iberia, SAS, EasyJet und Pegasus Airlines mit Maschinen vom Typ A320neo regelmäßig nach Hamburg, auch die ersten Boeing 737 Max waren schon hier.

Im Jahr 2017 ist die Zahl der verspäteten Flüge nach 23 Uhr sprunghaft angestiegen, in den ersten fünf Monaten 2018 hat sich dies sogar noch deutlich verschärft. Ist die sogenannte Pünktlichkeitsoffensive des Flughafens also gescheitert?

Eggenschwiler: Nein, so sehe ich das nicht. Uns ist es damit gelungen, die Fluggesellschaften zu sensibilisieren und eine Gesprächsgrundlage zu schaffen, die wir so früher nicht hatten. Sobald sich bei ­bestimmten Flügen Verspätungen nach 23 Uhr häufen, gehen wir der Sache gemeinsam auf den Grund. In mehreren Fällen ist der Flugplan deshalb geändert worden.

Aber warum gibt es dennoch mehr Verspätungen und nicht weniger?

Eggenschwiler: In den Jahren 2006 und 2007 war die Zahl höher als zuletzt – sie lag schon damals bei über 1000 Flügen zwischen 23 und 24 Uhr. Aber im vergangenen Mai hat es an mehreren Tagen extreme ­Wetterlagen mit schweren Gewittern zum Beispiel in Frankfurt und München gegeben. Das wirkt sich auch auf Flüge nach Hamburg aus. Darüber hinaus gibt es seit Monaten mehr Verspätungen, weil das europäische Luftstraßensystem zeitweise an Grenzen stößt – so wie es ja auch auf Autobahnen zu Staus kommt. Das ist ein gesamteuropäisches Pro­blem. Was wir hier am Standort ­Hamburg tun können, haben wir getan. Ich würde mich freuen, wenn sich auch die Hamburger Politik auf europäischer Ebene für Verbesserungen einsetzt.

Wie hoch schätzen Sie die Wahrscheinlichkeit ein, dass die Betriebszeiten des Hamburger Flughafens eingeschränkt werden?

Eggenschwiler: Wir haben eine gültige Betriebsgenehmigung, und ich sehe keinen Anlass, daran etwas zu ändern. Die Verspätungsregel mit der Puffer-Zeit zwischen 23 und 24 Uhr ist für uns wichtig. Genauso wichtig ist es allerdings, dass sie nicht missbraucht wird.

Vor allem Geschäftsleute monieren, dass im Hamburger Flugplan nur ein einziger echter Interkontinentalflug steht: eine Verbindung nach New York, die zuletzt aber nur im Sommer angeboten wurde. Ist das für eine Stadt wie Hamburg nicht zu wenig?

Eggenschwiler: Objektiv gesehen ist die Erreichbarkeit und Konnektivität von Hamburg im Vergleich zu anderen europäischen Standorten sehr hoch, weil wir sehr gut an die großen Luftverkehrsdrehkreuze angebunden sind. Natürlich würden wir es gern sehen, wenn es etwa die Verbindung mit United Airlines nach New York/Newark wieder ganzjährig gäbe und nicht nur im Sommerhalbjahr.

Wenn Sie sich einen weiteren Interkontinentalflug wünschen dürften, welcher wäre es dann?

Eggenschwiler: Natürlich stünde eine Verbindung nach Peking oder Shanghai ganz oben auf der Liste, schon weil die Bedeutung der Beziehungen zwischen China und Europa zunimmt. Wir sind seit langer Zeit mit den Chinesen im Gespräch, aber bisher fehlt es an den Verkehrsrechten. Interessant wären aber auch weitere Zielorte in den USA wie etwa Chicago oder Washington oder Toronto in Kanada. In diesem Zusammenhang kann ein neues Flugzeug, das aus Hamburg kommt, solche Verbindungen ermöglichen: Mit einem Airbus A321LR für rund 200 Passagiere können Strecken wirtschaftlich bedient werden, auf denen größere Langstreckenflugzeuge bisher nicht profitabel wären.

Anfang Juni hat ein Stromausfall den Flugbetrieb in Hamburg nahezu einen ganzen Tag lang lahmgelegt. Rund 30.000 Menschen waren von Flugstreichungen betroffen. Wie viel kostet den Flughafen dieser Ausfall – und müssen Sie mit Ansprüchen auf Schadenersatz rechnen?

Eggenschwiler: Nach unserer Schätzung liegt der Schaden bei etwa einer halben Million Euro. Das umfasst den Ertragsausfall und die Reparaturen; es mussten immerhin 500 Meter Kabel ausgetauscht werden. Für mich ist es eindeutig, dass man einen solchen Kurzschluss nicht voraussehen konnte. Somit ist es ein Fall von höherer Gewalt.

In diesem Jahr ist es in Hamburg bereits mehrfach zu Dachschäden durch die Wirbelschleppen landender Flugzeuge gekommen. Plant der Flughafen, Anwohnern in den Einflugschneise die vorbeugende Sicherung ihrer Dächer zu bezahlen, wie das zum Beispiel der Flughafen Frankfurt schon seit Jahren anbietet?

Eggenschwiler: Wir hatten im April zwei Vorfälle, die zeitlich nah beieinanderlagen. Im Durchschnitt der vergangenen Jahre hatten wir drei bis fünf kleinere Fälle. Natürlich beobachten wir die Situation ganz genau. Wir haben in unserem Team Experten, die Anwohner entsprechend beraten, wie wir es auch im Rahmen unserer Lärmschutzprogramme tun. Welche Maßnahmen dort nötig sind, wird geprüft.