Hamburg. Der Vergleich: Großer Unterschied zwischen Innen- und Schulbehörde. Dafür gibt es mehrere Gründe. Einer ist die Kostenfrage.
Sie sorgen in der Hansestadt für Sicherheit und Ordnung – aber ziehen im Privatleben überraschenderweise das Umland vor: Mehr als die Hälfte der Hamburger Polizisten der Hansestadt (5960 von 10.567 Mitarbeitern) wohnen außerhalb der Stadtgrenzen. Das liegt deutlich über dem Schnitt: Von den insgesamt knapp 70.000 Mitarbeitern der Stadt wohnt ein Drittel nicht in Hamburg. Das geht aus Angaben des Personalamts und Abendblatt-Recherchen hervor.
Die Gründe für die Stadtflucht sind vielfältig: „Sicherlich spielt die Höhe der Mieten eine Rolle bei der Entscheidung, lieber außerhalb zu wohnen“, sagt Gerhard Kirsch, Landeschef der Gewerkschaft der Polizei (GdP). „Gerade für Kollegen mit Kindern bedeutet das Umland zudem oft mehr Lebensqualität“, sagt Jan Reinecke vom Bund Deutscher Kriminalbeamter (BDK). Das Landleben sei ein willkommener Kontrast zur belastenden alltäglichen Ermittlungsarbeit in der Millionenstadt.
Die Innenbehörde hat die mit Abstand höchste Pendlerquote. 57 Prozent ihrer 13.160 Mitarbeiter wohnen nicht in Hamburg. Getrieben wird diese Entwicklung vor allem von der Polizei, bei der aktuell ein knappes Drittel der 1100 Anwärter, aber sogar weit mehr als die Hälfte der 7851 Vollzugsbeamten außerhalb Hamburgs wohnen. „Das kann eine Frage der Kosten sein, aber vor allem eine der Lebensqualität für einen selbst und die Familie“, sagt Reinecke.
Die Mieten sind für viele zu hoch
Insbesondere Kriminalpolizisten, die es im beruflichen Alltag mit Schwerverbrechen zu tun haben, schätzten ein ruhigeres Leben im Umland, heißt es im Präsidium. Auf der anderen Seite profitiere Hamburg als Stadtstaat davon, dass viele junge Anwärter den Berufsalltag in der Großstadt bevorzugen. Im Gegensatz zu Flächenländern seien die Beamten dabei auch vor Versetzungen in weiter entfernte Orte gefeit.
Auch in anderen Behörden machen die Umlandbewohner teils einen erheblichen Anteil aus – im Bezirksamt Harburg sind es etwa 48 Prozent. Laut dem Bezirksamtsleiter Mitte, Falko Droßmann (SPD), ziehen längst nicht alle Mitarbeiter freiwillig das Umland der Stadt vor: „Ich höre immer wieder von jenen, die pendeln, dass sie gern in der Stadt geblieben wären, wenn sie hier eine Wohnung zu einem akzeptablen Miet- oder Kaufpreis gefunden hätten“, sagte Droßmann dem Abendblatt. Für eine Mietwohnung 16 oder 17 Euro pro Quadratmeter zu bezahlen, sei für Mitarbeiter mit geringem oder mittlerem Einkommen „einfach nicht drin“. Deshalb, quasi aus eigenem Interesse, sei die öffentliche Förderung von Wohnungen enorm wichtig.
An zweiter Stelle folgt das Bezirksamt Harburg, 48 Prozent der 760 Mitarbeiter pendeln zur Arbeit. Hauptgründe dürften hier sein, dass zum einen der Bezirk Harburg aus historischen Gründen starke Bezüge zum niedersächsischen Umland hat – das hier nicht umsonst Landkreis Harburg heißt – und zum anderen, dass die Landesgrenze nur wenige Kilometer südlich des Rathauses liegt. Und dahinter lässt es sich sehr gut und halbwegs bezahlbar im Grünen wohnen.
Vergleichsweise hohe Pendlerquoten haben auch die Justizbehörde (44 Prozent) und das Bezirksamt Bergedorf (40 Prozent). Für Bergedorf gelten ähnliche Argumente wie für Harburg: Viele Mitarbeiter kämen aus dem östlichen Umland, etwa Wentorf oder Schwarzenbek, sagte Sprecherin Gabriele Günter. In der Justiz wiederum ist die Lage ähnlich wie bei der Polizei. Die Masse der 4870 Mitarbeiter sind Justizvollzugsangestellte, und die finden in den vielen Hamburger Gefängnissen eher einen Job als im Umland.
77 Prozent der Unibeschäftigten wohnen in Hamburg
Die mit Abstand niedrigste Pendlerquote hat die Schulbehörde: Nur 17 Prozent der 23.290 Mitarbeiter – darunter etwa 20.000 Lehrer und Pädagogen – leben nicht in Hamburg. Hauptgrund dürfte sein, dass Lehrer deutlich besser verdienen als ein durchschnittlicher Behördenmitarbeiter und sich das Leben in der Stadt eher leisten können. Zudem bietet der Beruf viel Flexibilität, weswegen in Lehrerhaushalten überdurchschnittlich häufig beide Partner arbeiten – was sich finanziell auswirkt.
Bei der Universität Hamburg ergibt sich ein anderes Bild. Die Hochschule hat derzeit 7769 Beschäftigte, wenn man auch studentische Hilfskräfte und Tutoren einrechnet, das UKE aber außen vor lässt. Etwa 77 Prozent dieser Uni-Beschäftigten haben einen Wohnsitz in Hamburg angegeben. Bei den übrigen lasse sich aber nicht ohne Weiteres sagen, wie viele im Hamburger Umland wohnen, sagt Uni-Sprecherin Merel Neuheuser. „Einige pendeln über längere Strecken zur Universität, insbesondere Professoren.“ Ohnehin dürften die höheren Lebenskosten in der Stadt zumindest für Professoren wegen ihres vergleich
Ganz egoistisch betrachtet, sind die 320.000 Pendler, die täglich aus den umliegenden Bundesländern nach Hamburg zur Arbeit fahren, für die Stadt ein Ärgernis. Denn diese Vielfahrer sorgen entweder dafür, dass die – größtenteils von der Stadt finanzierten – öffentlichen Verkehrsmittel morgens und abends proppevoll sind, oder aber sie verstopfen als Autofahrer die – ebenfalls zum Teil von der Stadt finanzierten – Straßen und sorgen für Luft- und Lärmbelastung. In jedem Fall aber zahlen sie ihre Steuern nicht in Hamburg, sondern an ihrem Wohnsitz.
100.000 Hamburger arbeiten außerhalb der Stadt
Zur Wahrheit gehört zwar auch, dass gut 100.000 Hamburger außerhalb der Stadt arbeiten. Aber unter dem Strich machen die Zahlen deutlich, warum Bürgermeister Peter Tschentscher (SPD) es begrüßen würde, wenn ein Teil der Einpendler nach Hamburg ziehen würde. „Etliche sind ja nur nach Norderstedt oder Lüneburg gezogen, weil sie für sich und ihre Familien in Hamburg keine geeignete Wohnsituation gefunden haben“, sagte er kurz nach Amtsübernahme im Abendblatt.
„Also pendeln sie ein und aus. Das verursacht Lärm, Luftverschmutzung und Staus. Wenn wir diesen Menschen Wohnraum in Hamburg bieten könnten, würde das viele Probleme lösen – mal ganz abgesehen davon, dass es sich auch finanziell positiv auswirken würde.“ Allein bei der Einkommensteuer verliere Hamburg jährlich zwei Milliarden Euro, weil in Hamburg arbeitende Menschen außerhalb der Stadt wohnen.