Hamburg. Niedrigere Preise als in Hamburg, aber zusätzliche Kosten für die Fahrt zur Arbeit in der Stadt. Studie beleuchtet Metropolregion.
Die Wege sollten möglichst kurz sein. Lange hat Familie Möller deshalb in Hamburg nach einer Immobilie gesucht. „Doch die wäre nicht solide zu finanzieren gewesen, da hätten wir noch viel mehr Eigenkapital ansparen müssen“, sagt Frank Möller. Die Familie suchte deshalb auch im Hamburger Umland nach den eigenen vier Wänden. Hier sind die Immobilienpreise um bis zu 57 Prozent günstiger als in Hamburg, etwa im Landkreis Stade.
Allerdings kann der Pendlerweg nach Hamburg zur Arbeit dann auch schnell eine Stunde betragen – und das nur für eine Strecke der täglichen Hin- und Rückfahrt. Das wäre für Möllers keine Alternative gewesen. Sie entschieden sich deshalb für einen Wohnort im Umland, von dem man nur 16 Minuten mit dem Öffentlichen Personen- und Nahverkehr (ÖPNV) bis zum Hamburger Hauptbahnhof braucht, nämlich Seevetal, die größte Gemeinde im Landkreis Harburg mit mehr als 43.000 Einwohnern. Finanziell hat sich das auch ausgezahlt. Die Immobilienpreise sind hier noch immer um bis zu 50 Prozent günstiger als in der Hansestadt.
Jährliche Preiserhöhungen des HVV
Doch wie sieht das bei langfristiger Betrachtung aus? Nach wie vielen Jahren sind die Vorteile des günstigeren Immobilienkaufs aufgezehrt, wenn man die Kosten des Pendelns berücksichtigt? Das Hamburgische WeltWirtschaftsInstitut (HWWI) hat zusammen mit der Postbank berechnet, wo sich der Immobilienerwerb trotz Pendelns langfristig rechnet. Die Studie liegt dem Abendblatt exklusiv vor. Neben Ahrensburg erweisen sich Seevetal im Landkreis Harburg und Pinneberg als die einzigen Städte, in denen der Immobilienkauf auch nach mehr als 30 Jahren Pendeln günstiger bleibt als in Hamburg – wenn man mit Bus oder Bahn fährt. In Winsen (Luhe) im Kreis Harburg ist der Kaufpreisvorteil nach 25,3 Jahren aufgezehrt, in Elmshorn bereits nach 22,2 Jahren. Bei Fahrt mit dem Auto liegen die Zeitspannen sogar überall erheblich darunter (siehe Grafik zum Großklicken).
Deutlich schlechter schneiden unter dem Aspekt der Pendlerkosten dagegen die Wohnorte Bad Oldesloe, Norderstedt, Bad Segeberg, Geesthacht, Ratzeburg und Stade ab. Der finanzielle Vorteil ist nach weniger als zwei Jahrzehnten durch die Pendlerkosten aufgezehrt, wobei die jährlichen Preiserhöhungen des HVV dabei noch nicht berücksichtigt sind.
Oldesloe schlechter Wohnort für Autopendler
„Wir sind bei unseren Annahmen vom jetzigen Stand ausgegangen, da nicht sicher ist, wie sich Kosten oder auch die Pendlerpauschale in der Zukunft entwickeln“, sagt Studienautorin Dörte Nitt-Drießelmann vom HWWI. In Ratzeburg ist der Preisvorteil einer günstigeren Immobilie schon nach gut zehn Jahren aufgebraucht, wenn man mit dem ÖPNV fährt. Der schlechteste Wohnort für Autopendler ist Bad Oldesloe, wo der Preisvorteil nach 7,7 Jahren durch die Pendlerkosten aufgezehrt ist. Ausgewählt als Wohnorte wurden die größten Städte oder Gemeinden des jeweiligen Landkreises und der jeweilige Sitz der Landkreisverwaltung.
Ausgangspunkt für die Modellrechnung ist der durchschnittliche Kaufpreis für eine 70 Quadratmeter große Wohnung zuzüglich Notargebühren und Grunderwerbssteuer in der Metropole und im Umlandkreis, aber ohne Berücksichtigung der hohen Kosten für die Maklercourtage.
Größere Immobilien bevorzugt
Wer ins Umland zieht, will meist nicht in einer nur 70 Quadratmeter großen Wohnung leben, sondern bevorzugt größere Immobilien, auch eher ein Einfamilienhaus als eine Etagenwohnung. Doch auch diese Käufer können sich an der Studie orientieren. Bei größeren Wohnflächen zahlen sich die finanziellen Vorteile noch länger aus, weil sich die Pendlerkosten nicht mit einer größeren Immobilie verändern. „Je größer die Immobilie ist und je höher der Kaufpreisunterschied zwischen Hamburg und dem Umland ist, desto länger zahlt sich der Preisvorteil trotz Pendelns aus“, sagt Nitt-Drießelmann.
Zur Berechnung der Pendelkosten wird angenommen, dass nur eine Person des Haushalts in Hamburg arbeitet und 220-mal im Jahr dorthin pendelt. Die Wege von der Wohnung zum Ausgangsbahnhof und vom Hamburger Hauptbahnhof zur Arbeitsstelle bleiben unberücksichtigt, da auch ein Angestellter in Hamburg Wege zu seiner Arbeit hat. „Zusätzliche Zeiten, die in die Berechnungen einflossen, entstehen also für Pendler nur vom Umland-Bahnhof zum Hamburger Hauptbahnhof“, sagt Nitt-Drießelmann. In die Pendlerkosten fließen die Aufwendungen für das Ticket für Bus und Bahn oder für das Auto ein.
„Nicht blenden lassen“
Dazu werden nicht nur Benzin, sondern auch die laufenden Kosten aus Abschreibung und Unterhalt berücksichtigt. Unter Anrechnung der steuerlichen Vorteile aus der Pendlerpauschale kommen die Experten des HWWI zu einen Kostenaufwand von 35 Cent je Kilometer mit dem Auto und von acht Cent je Kilometer bei Nutzung des ÖPNV. Bedeutender sind jedoch die Zeitkosten für den längeren Arbeitsweg. „Für den zusätzlichen Zeitaufwand haben wir den durchschnittlichen Bruttostundenlohn in Hamburg im Jahr 2017 angesetzt“, sagt Nitt-Drießelmann. Er liegt bei 30,91 Euro.
Auch wenn die Preise im Umland noch günstiger sind: „Kaufinteressierte sollten sich nicht blenden lassen und nicht nur die Pendlerkosten als einziges Kriterium betrachten“, sagt Michael Binder, Direktor Immobilienvertrieb der Postbank Finanzberatung in Hamburg. Familien sollten berücksichtigen, dass Kinder in der Kita möglicherweise länger betreut werden müssen, während Vater oder Mutter noch in der S-Bahn unterwegs sind oder im Stau stehen. Auch das kostet Geld. „Dennoch geben die Berechnungen des HWWI einen Eindruck, welche wichtige Rolle die Pendlerkosten spielen“, sagt Binder.