Hamburg. Stefan Heidenreich hat den Nivea-Konzern mit Erfolg geleitet, nun wird ein Nachfolger gesucht.

Seit Monaten war über die Spitzenpersonalie in der Hamburger Wirtschaft spekuliert worden, am Donnerstag machte der einzige DAX-Konzern der Hansestadt es schließlich öffentlich: Nivea-Hersteller Beiersdorf trennt sich von seinem Vorstandsvorsitzenden Stefan F. Heidenreich. Er habe sich mit dem Aufsichtsrat freundschaftlich auf die Beendigung des Vorstandsmandats spätestens zum Ende der bis zum 31. Dezember 2019 laufenden Amtsperiode verständigt, teilte das Unternehmen nach einer Aufsichtsratssitzung am späten Vormittag mit.

Das klingt noch nach einer relativ langen Übergangszeit, der Wechsel kann aber auch ganz schnell über die Bühne gehen. Denn in der Mitteilung heißt es weiter: „Stefan Heidenreich wird sein Amt gegebenenfalls zu einem früheren Zeitpunkt zur Verfügung stellen, zu dem der Aufsichtsrat einen Nachfolger bestellt.“ Dabei hatte der Vorstandschef noch bei der Bilanzvorstellung Anfang März klar gesagt, er beabsichtige auf jeden Fall seinen gültigen Vertrag bis Ende 2019 zu erfüllen.

Aber schon im März lagen Spannungen zwischen ihm und der Eigentümer-Familie Herz in der Luft, die rund 51 Prozent des Konzerns kontrolliert. Er werde sich mit Mehrheitsaktionär Michael Herz zu dem Thema zusammensetzen, kündigte Heidenreich vor der Presse an. „Wir haben ein gutes Verhältnis. Wir werden eine Tasse Kaffee trinken und entscheiden.“ Offenbar verlief das Kränzchen für Heidenreich weniger erfolgreich.

Beiersdorf-Aktie rutscht um fast sechs Prozent ab

Seinen Kaffee wird Herz künftig mit jemand anderem trinken. Wer das sein könnte, auch darauf gibt die Beiersdorf-Mitteilung einen Hinweis: Ab 1. Juli werde Vorstand Stefan De Loecker zu seinen Regionalressorts Naher Osten und Amerika zusätzlich die Verantwortung für „Planung, Strategie, Unternehmensentwicklung“ übernehmen – sowie die Vertretung von Vorstandschef Heidenreich.

An der Börse kam die Nachricht nicht gut an. Die im DAX notierte Beiersdorf-Aktie rutschte in der Spitze um fast sechs Prozent auf den tiefsten Stand seit mehr als vier Wochen ab. Analysten verwiesen darauf, dass vor Kurzem bereits der Vertrag von Finanzvorstand Jesper Andersen überraschend nicht verlängert worden war. „Wir sehen das Management-Team als einen wichtigen Teil unserer These vom Kulturwandel und betrachten diese zwei Rücktritte innerhalb von sechs Monaten als negativ“, so die Experten von Morgan Stanley in einer ersten Reaktion. Für Andersen zieht mit Dessi Temperley erstmals eine Frau in den Vorstand.

Schon zuvor war über angebliche Meinungsverschiedenheiten Heidenreichs mit der Familie Herz spekuliert worden. Sowohl Beiersdorf als auch die Familienholding dementierten dies. Schließlich hatte Heidenreich das Unternehmen in den vergangenen Jahren beim Umsatz von Rekord zu Rekord geführt. Auch der Gewinn stieg stetig. Lediglich 2017 fiel der Jahresüberschuss mit 689 Millionen Euro nach 727 Millionen Euro ein Jahr zuvor geringer aus. Das Unternehmen erklärte das schlechtere Ergebnis vor allem mit dem Fehlen von Einmalerträgen, Wechselkurseffekten durch den starken Euro und Wertverlusten bei Finanzanlagen.

Ein Brancheninsider sagte dem Abendblatt: „Die Performance von Herrn Heidenreich war exzellent, allerdings deutet vieles darauf hin, dass die Chemie zwischen der Eigentümerfamilie Herz und Herrn Heidenreich nicht mehr stimmte.“ Dies sei vergleichbar mit einem Fußballbundesligisten, bei dem der Vorstand und der Trainer nicht mehr miteinander können: „Am Ende muss dann auch immer der Trainer gehen, selbst wenn dieser objektiv gute Arbeit gemacht hat.“ Eine Unternehmenssprecherin sagte, dass Heidenreich „nach den sehr intensiven aber auch erfolgreichen Jahren im Amt“ sich reiflich überlegt habe, dass er andere Schwerpunkte setzen und auch mehr Zeit für sein Privatleben haben wolle.

Heidenreich kam im Oktober 2011 zu Beiersdorf

„Ich bewerte die Tatsache, dass Herr Heidenreich nun womöglich schon vor seinem offiziellen Vertragsende Beiersdorf verlässt, negativ“, sagte Commerzbank-Analyst Andreas Riemann dem Abendblatt. Er habe einen sehr guten Job gemacht und die Umsätze in den vergangenen Jahren immer weiter steigern können. „Dass er seinen Vertrag womöglich nicht verlängern wird, darüber wurde ja bereits spekuliert – das war folglich nicht überraschend. Aber dass er nun womöglich eher gehen muss, kommt bei den Anlegern nicht gut an wie man auch am Aktienkurs sieht, der kurz nach Bekanntgabe dieser Nachricht deutlich gesunken ist.“

Heidenreich war im Oktober 2011 von der auf Babynahrung und Konfitüren spezialisierten Hero-Gruppe zu Beiersdorf gekommen und rückte im April 2012 an die Unternehmensspitze. Er baute das Unternehmen in den vergangenen Jahren um, erhöhte die Präsenz in schnell wachsenden Märkten wie Südamerika und Indien.

Mehr als die Hälfte des Umsatzes von zuletzt gut sieben Milliarden Euro fließt inzwischen aus Schwellenländern, wo die aufstrebende Mittelschicht sich immer mehr Kosmetikartikel leistet. Zugleich führte Heidenreich Beiersdorf mit dem Werbekonzept „Blue Agenda“ stärker zu den Wurzeln zurück, der blauen Dose mit dem Schriftzug
Nivea. Erweitert wurde diese Strategie durch „Blue & Beyond“, mit einem Schwerpunkt auf den anderen Hautpflegemarken wie Eucerin und La Prairie. Auch darüber sprach der Aufsichtsrat am Donnerstag. Aber das war weniger bedeutsam als die Top-Personalie.

3300 Beschäftigte in Hamburg

Der Nivea-Hersteller Beiersdorf ist das einzige Hamburger Unternehmen im Deutschen Aktienindex (DAX). In der Hansestadt rangiert der Konzern mit rund 3300 Beschäftigten (2017) unter den Top 20 der Arbeitgeber. Weltweit hat der Konzern mehr als 18.000 Arbeitnehmer. Das Gründungsjahr wird auf 1882 datiert. Damals meldete der Apotheker Paul Carl Beiersdorf das Patent für ein neuartiges medizinisches Pflaster an. Der weltweite Umsatz mit bekannten Marken wie Nivea, Eucerin, Labello, Tesa, La Prairie, Hansaplast und 8x4 lag im vergangenen Jahr auf einem Rekordwert von mehr als sieben Milliarden Euro. Die Mehrheit an Beiersdorf wird von der Hamburger Milliardärsfamilie Herz gehalten, zu deren Imperium auch der bekannte Kaffeeröster Tchibo gehört. (ode)