Hamburg. Senator Frank Horch will externe Firmen an den Hafenterminals beteiligen. Chinesen haben schon Interesse an Steinwerder signalisiert.
Er hatte nur eine Schaufel voll Sand in der Hand, aber seine Mimik war dennoch angestrengt. Als Wirtschaftssenator Frank Horch (parteilos) am Dienstag den ersten Spatenstich zur Ansiedelung einer neuen Niederlassung des Kran-Herstellers Liebherr im Hafen setzte, wirkte er nicht sorgenfrei. Dabei geht es um eine Erfolgsgeschichte. Jahrelang hatte sich Horch für die Ansiedelung des Unternehmens auf Steinwerder starkgemacht. Liebherr will nun rund 20 Millionen Euro investieren, um eine Service- und Vertriebsstation für maritime Kräne zu errichten. Bis zu 100 neue Stellen schafft das Unternehmen. 4,3 Hektar im zentralen Hafengebiet stehen dazu zur Verfügung. Doch das ist nur die schöne Seite der Medaille.
Rund um Liebherr herum ist das Gelände nämlich politisch vermint. Außer der Ansiedelung des Kranherstellers sind aktuell 35 Hektar des Gebiets südlich der Werft Blohm + Voss zu vergeben. Und zwischen Hafenwirtschaft und Politik tobt ein heftiger Streit, wie diese freien Flächen genutzt werden sollen. Jetzt schalten sich die Gewerkschaften und Betriebsräte vieler Hafenfirmen ein. In einem offenen Brief fordern sie Bürgermeister Peter Tschentscher dazu auf, den Wirtschaftssenator zur Ordnung zu rufen. Sogar die Europäische Transportarbeiterföderation (ETF) macht gegen Horch Front.
Denn der will den Hafen für weitere Firmen öffnen. Um Wertschöpfung und Arbeitsplätze zu schaffen, geht Horch sehr weit. So hat er kürzlich in einer Grundsatzrede im Hafen-Klub erklärt, man müsse auch über eine Minderheitsbeteiligung externer Firmen an den Hafenterminals nachdenken. Denn allein aus den Einnahmen durch Mieten und Pachten sei die Infrastruktur des Hafens nicht mehr zu finanzieren.
China hat Pläne für Terminal auf Steinwerder
Die Gewerkschaften und Betriebsräte befürchten nun, dass womöglich Hafenteile an private Firmen als Eigentum übergeben werden. Deshalb schlagen sie Alarm. „Vor einem Monat hat Senator Horch bei einer Veranstaltung zum Hafengeburtstag dargelegt, dass die Infrastruktur des Hafens langfristig und ausschließlich aus Steuermitteln finanziert werden muss. Zu unserer Überraschung macht er nun eine 180-Grad Kehrtwende und widerspricht sich selber, indem er behauptet, dass es allen klar sein müsse, dass über Miet- und Pachteinnahmen die Finanzierung der Infrastruktur nicht machbar sei“, sagte der Hamburger Vorsitzende der Landesfachgruppe Häfen bei der Gewerkschaft Ver.di, Thomas Mendrzik.
Leitartikel: Ist der Hafen Privatsache?
Er befürchtet nach Horchs Aussagen eine Abkehr vom sogenannten Landlord-Prinzip, das in fast allen nordeuropäischen Häfen praktiziert wird. Demnach ist der Staat für die Bereitstellung der Infrastruktur wie Kaianlagen, Hafenflächen, Straßen und Brücken verantwortlich, die Firmen mieten die Infrastruktur und investieren in die Suprastruktur, also in ihre Produktionsanlagen wie Hafenkräne, Hallen und sonstige Betriebsstätten.
Besondere Bedeutung bekommt die Äußerung Horchs mit Blick auf das Angebot eines chinesischen Konsortiums, auf Steinwerder, quasi als Nachbar zu Liebherr, ein vollautomatisiertes Containerterminal mit Logistikzentrum einrichten zu wollen. Mit einem Verkauf der Flächen an chinesische Investoren würden das Eigentum der Hamburger und die demokratische Kontrolle ausgehebelt, meint Mendrzik. Livia Spera, Chefin der europäischen Hafenarbeitergewerkschaft ETF, sieht sogar europäische Werte in Gefahr. Die lasse man sich nicht von einem „provinziell agierenden Politiker aus der Hand nehmen“, schreibt sie in Bezug auf Horch.
SPD will am Landlord-Prinzip festhalten
Nicht nur die Arbeitnehmervertreter sind über dessen Äußerungen im Hafen-Klub irritiert, auch die Hafenunternehmer selbst wehren sich gegen eine privat finanzierte Infrastruktur. „Wenn der Wirtschaftssenator externe Firmen an den Hafenterminals beteiligen will, um mehr Ladung nach Hamburg zu holen, ist das eine richtige Sache“, sagte der Präsident des Unternehmensverbands Hafen Hamburg, Gunther Bonz (UVHH). „Wenn er sie aber an den Terminals beteiligen will, um fehlende Mittel der öffentlichen Daseinsvorsorge zu ersetzen, dann ist das eine Bankrotterklärung der Hafenpolitik.“ Dagegen werde sich der Verband wehren.
Auf den offenen Brief angesprochen, wollte sich Horch bei der Liebherr-Feier nicht äußern. Nur so viel: „Alles, was ich zu sagen habe, ist mit meiner Rede im Hafen-Klub gesagt. Zudem äußern wir uns zu offenen Briefen nicht.“ Der hafenpolitische Sprecher der SPD, Joachim Seeler, machte für seine Fraktion deutlich, dass sie an dem Landlord-Prinzip festhalte. „Die Infrastruktur bleibt im Eigentum der Stadt.“ Es gehe nicht darum, Hafenterminals zu veräußern, sondern die Beschäftigung im Hafen auszubauen. „Da befinde ich mich übrigens mit der Wirtschaftsbehörde im Einklang“, so Seeler. Die Hamburg Port Authority will noch in diesem Jahr die Vergabe der Flächen für Steinwerder-Süd öffentlich ausschreiben.
Liebherr ist jedenfalls froh, seine Fläche bereits sicher zu haben: Neben dem Service und Vertrieb will das Unternehmen hier auch einen Knotenpunkt für die Vermietung von Hafenmobilkränen, Offshore-Kränen sowie Baumaschinen aus dem Bereich der Raupenkräne und für Spezialtiefbaugeräte einrichten. Die bisherige Niederlassung in Harburg wird geschlossen. „Wir investieren in einen Standort, der langfristige Wachstumspotenziale bietet. Der Hafen ist unser zentraler Hub für Miet- und Rücknahmegeräte sowie auch für Reparaturen aller Art aus dem europäischen Raum“, sagte der Geschäftsführer von Liebherr-MCCtec. Horch bezeichnete das Unternehmen als gutes Beispiel seiner Strategie, den Hafen breit aufzustellen. „Wir brauchen nicht nur Güterumschlag sondern auch Logistik und Produktion“, sagte der Senator. In diesem Punkt dürfte er auch die Zustimmung der Gewerkschaften haben.
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