Hamburg. Gericht erklärte die Regelung zur Mieten-Deckelung für unwirksam. Die Senatorin kündigt eine Neufassung des Gesetzes an.

Für Dorothee Stapelfeldt war es am Donnerstagmittag ein schwerer Gang. Die Senatorin für Stadtentwicklung und Wohnen sprach im Aufgang des Rathauses über die verpatzte Mietpreisbremse. Drei Stunden zuvor hatte das Landgericht genau dieses Rechtsinstrument in einem Verfahren für unwirksam erklärt.

Das politische Echo ließ nicht lange auf sich warten. Heike Sudmann, Sprecherin für Wohnungspolitik der Linken in der Bürgerschaft, sprach von einem „unglaublichen Trauerspiel“: „Die Mieterinnen und Mieter müssen jetzt mehr blechen, weil der Senat zwei Jahre gebraucht hat, um die Begründung der Mietpreisbremse zu veröffentlichen.“ Auch andere Oppositionspolitiker übten Kritik. Das Abendblatt beantwortet die wichtigsten Fragen zum Verfahren.

Was ist die Mietpreisbremse eigentlich?

Im Juni 2015 erlaubte die Bundesregierung den Ländern, bestimmte Gebiete zu angespannten Wohnungsmärkten zu erklären und dort die Mieten zu deckeln. Dort darf die Miete bei Abschluss eines neuen Mietvertrags in einer Bestandswohnung nicht mehr als zehn Prozent über der ortsüblichen Vergleichsmiete liegen. Diese Regelung gilt nicht für Neubauten, nach Modernisierungen und für bestehende Mietverträge. Hamburg führte die Mietpreisbremse im Juli 2015 als zweites Bundesland nach Berlin ein. Der Mieterverein zu Hamburg schätzt, dass bei 60 bis 70 Prozent der Neuvermietungen gegen die Mietpreisbremse verstoßen wird, die Mieten also zu hoch sind.

Worum ging es in dem konkreten Fall?
Der Kläger war nach Einführung der Mietpreisbremse im September 2015 in eine Wohnung an der Bleickenallee in Ottensen gezogen. Zahlen muss er dort 14,01 Euro pro Quadratmeter. Laut Mietenspiegel liegt die ortsübliche Vergleichsmiete aber nur bei 8,75 Euro, sodass die maximal zulässige Miete laut Mietpreisbremse bei dem erlaubten Aufschlag von zehn Prozent nur bei 9,63 Euro liegen dürfte. Der Kläger wollte 2100 Euro von seinem Vermieter zurück.

Wieso wiesen beide Instanzen die Klage ab?

Das Amtsgericht Altona hatte im Mai 2017 entschieden, dass die Mietpreisbremse nicht wirksam in Kraft getreten sei, da der Senat die vorgeschriebene Begründung nicht veröffentlicht habe. In der Berufung bestätigte das Landgericht das Urteil. Der Senat habe zwar die Begründung am 1. September veröffentlicht, dies sei aber ohne Einfluss auf den deutlich früher abgeschlossenen Mietvertrag: Eine spätere Veröffentlichung der Verordnung führe nicht zu einer rückwirkenden Heilung des Mangels. Mieter und Vermieter müssten sich zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses informieren können, ob die Wiedervermietungsmiete begrenzt sei oder nicht, das heißt, ob die „Mietpreisbremse“ gelte oder nicht, heißt es in der Mitteilung des Gerichts.

Was sagt der Senat?

„Ich bedauere die Entscheidung des Landgerichts sehr“, erklärte Dorothee Stapelfeldt: „Wir wollten Hamburgs Mieterinnen und Mieter vor unberechtigten Mietsteigerungen schützen. Für diesen Einzelfall ist uns das nicht gelungen. Das tut uns leid.“ Laut Stapelfeldt habe der Senat es für ausreichend gehalten, wenn man die Begründung auf Anfrage herausgibt – dies habe man gegenüber dem Amtsgericht Altona auch gemacht. Stapelfeldt verwies zudem auf ein Urteil des Amtsgerichts St. Georg, das die Mietpreisbremse für wirksam erklärte.

Was bedeutet das Urteil für jetzt laufende Verfahren?

„Kein Gericht ist an die Entscheidung des Landgerichts gebunden“, sagt Gerichtssprecher Kai Wantzen. Die Entscheidung betreffe nur den Einzelfall. Dennoch gilt es als extrem unwahrscheinlich, dass ein Gericht bei Verfahren, wo der Mietvertrag vor dem Veröffentlichen der Begründung, also vor dem 1. September 2017, abgeschlossen wurde, noch die Mietpreisbremse berücksichtigt. „Guten Gewissens kann unser Verein in dieser durch den Senat verschuldeten juristisch ungewissen Situation niemandem mehr zu einer gerichtlichen Auseinandersetzung raten“, sagt der Mieterverein.

Besonders bitter kann es für Kläger werden, die – anders als etwa Mitglieder des Mietervereins – ohne Rechtsschutzversicherung klagen. Sie bleiben wahrscheinlich auch auf den Kosten des Verfahrens sitzen, laut Mieterverein rund 2000 Euro pro Instanz. Ungewiss ist, was in Verfahren geschieht, in denen es um Mietverträge geht, die nach der Veröffentlichung der Begründung abgeschlossen wurden. „Diese Frage hat das Gericht ausdrücklich offen gelassen“, sagt der Mieterverein. Die Organisation prüft, ob gegen die Nichtzulassung der Revision eine Beschwerde vor dem Bundesgerichtshof sinnvoll ist.

Was passiert jetzt?

Bereits am Dienstag will der Senat laut SPD-Fraktionschef Dirk Kienscherf eine „juristisch wasserdichte“ Neufassung beschließen. Dies kann der Senat ohne Beschluss der Bürgerschaft.

Was geschieht mit der Mietpreisbremse bundesweit?

Justizministerin Katarina Barley (SPD) will die Mietpreisbremse verschärfen. So sollen Vermieter künftig die Vormiete offenlegen, damit ersichtlich wird, ob sie von den neuen Mietern einen zu großen Aufschlag verlangen. Neuen Mietern soll künftig erklärt werden müssen, warum die Miete die festgelegte Obergrenze überschreitet.