Hamburg. Mieterverein macht Senat schwere Vorwürfe. Urteil des Landgerichts könnte gravierende Folgen für den Wohnungsmarkt haben.

Mit großer Spannung blickt die Hamburger Immobilien­branche auf eine Urteilsverkündung am Donnerstag. Um 9 Uhr will das Land­gericht erklären, wie es über die Klage eines Mieters in Ottensen entscheidet.

Das Urteil dürfte gravierende Folgen für den Mietmarkt der Hansestadt haben. Vieles spricht dafür, dass das Gericht an diesem Tag die Mietpreisbremse für die Hansestadt für unwirksam erklären wird. Dies befürchtet jedenfalls der Mieterverein.

Mieter klagte gegen hohen Quadratmeterpreis

Bereits in der ersten Instanz hatte das Amtsgericht Altona im Juni 2017 eine vom Mieterverein unterstützte Klage eines Mieters abgewiesen. Der Kläger war nach Einführung der Mietpreisbremse im September 2015 in eine Wohnung an der Bleickenallee in Ottensen gezogen. Zahlen muss er dort 14,01 Euro pro Quadratmeter. Laut Mietenspiegel liegt die ortsübliche Vergleichsmiete aber nur bei 8,75 Euro, sodass die maximal zulässige Miete bei dem erlaubten Aufschlag von zehn Prozent nur bei 9,63 Euro liegen dürfte.

Leitartikel: Schluss mit Aktionismus

Der Kläger wollte 2100 Euro von seinem Vermieter zurück. Vergebens. Das Amtsgericht rügte, dass der Senat erst im Mai 2017 öffentlich begründet habe, warum die Mieten in Hamburg gebremst werden sollen. Dies hätte aber unmittelbar mit dem Erlassen der Verordnung im Juni 2015 geschehen müssen. Das Landgericht ließ in der mündlichen Verhandlung durchblicken, dass man der Auffassung des Amtsgerichts folgen werde.

Chychla: „Senat hat handwerklichen Fehler gemacht“

„Wenn das Landgericht gegen den Mieter entscheidet und das Urteil der ersten Instanz bestätigt, ist die Mietpreisbremse in Hamburg praktisch tot“, kritisiert Siegmund Chychla, Vorstand des Mietervereins, und spricht von einer „niederschmetternden Bilanz“. Der Senat habe mit der zu späten Verordnung „einen gravierenden handwerklichen Fehler gemacht“.

Siegmund Chychla, Vorstandschef und Geschäftsführer des Mietervereins zu Hamburg, erhebt schwere Vorwürfe gegen den Senat
Siegmund Chychla, Vorstandschef und Geschäftsführer des Mietervereins zu Hamburg, erhebt schwere Vorwürfe gegen den Senat © HA / Mark Sandten | HA

Der Mieterverein werde zwar seinem Mitglied empfehlen, den Bundesgerichtshof als nächste Instanz anzurufen und dafür auch Rechtsschutz gewähren. „Der BGH würde aber frühestens Ende 2019 entscheiden. Dann läuft die auf zunächst fünf Jahre angelegte Mietpreisbremse eh bald aus“, sagt Chychla.

Zu einer neuen gerichtlichen Aus­einandersetzung könne man in dieser Angelegenheit niemanden mehr raten: „Dies gilt erst recht für Mieter, die nicht über eine Mitgliedschaft im Mieterverein unseren Rechtsschutz genießen. Denn die müssten bei einem Scheitern ja auch noch alle Kosten des Verfahrens tragen und beim Einbehalt der zu viel gezahlten Miete eine Kündigung der Wohnung befürchten.“ Der Mieterverein schätzt, dass „bei 60 bis 70 Prozent der Neu- oder Wiedervermietungen eine Miete verlangt wird, die gegen die Mietpreisbremse verstößt“.

Behörde weist Vorwürfe zurück

Die Behörde für Stadtentwicklung und Wohnen weist die Vorwürfe zurück. Laut Sprecherin Barbara Ketelhut entspricht es „der üblichen Vorgehensweise, beim Erlass von Verordnungen deren Begründungen nicht zu veröffentlichen“.

Sie sagt: „Anders als Gesetze, die von der Bürgerschaft beschlossen werden und bei denen die Gesetzentwürfe einschließlich der Begründung öffentlich zugänglich sind, werden Verordnungen durch den Senat erlassen und sind der Öffentlichkeit, wie alle Senatsdrucksachen, nicht zugänglich.“ Deshalb sei es Praxis, die Begründung auf Anfrage herauszugeben. Ketelhut verweist auf das Urteil des Amtsgerichts St. Georg vom Juni 2017, das die Mietpreisbremse für wirksam erklärte.

Argumente, die Chychla nicht reichen: „Wir sind sehr enttäuscht von der Stadt, mit der wir ansonsten ja sehr vertrauensvoll zusammenarbeiten. Wir hätten erwartet, dass der Senat spätestens nach dem Urteil des Amtsgerichts Altona die handwerklichen Schwächen bei dem Zustandekommen der Verordnung erkennt und diese unverzüglich behebt.“

Dies wäre aus Sicht des Mietervereins auch unproblematisch gewesen: „Der Senat hätte dafür nicht mal einen neuen Beschluss der Bürgerschaft gebraucht. Aber natürlich wäre dann deutlich geworden, dass man einen Fehler gemacht hat.“ Chychla vermutet, dass sich der Senat „diese Blöße nicht geben will und deshalb das Risiko einer unwirksamen Mietbremse in Kauf nimmt. Verlierer sind erneut Mieter, die sich auf die Verordnung verlassen haben.“

„Die Mietpreisbremse schafft keine einzige Wohnung“

Ketelhut kündigte an, dass die Behörde die Urteilsbegründung „unverzüglich“ prüfen und dann entscheiden werde, inwieweit Handlungsbedarf bestehe: „Dies kann auch ein Neuerlass der Verordnung sein.“ Auf jeden Fall bleibe das Ziel des Senats, „die Mieterinnen und Mieter vor unberechtigten Mietsteigerungen zu schützen“.

Ein Abweisen der Klage wäre Wasser auf die Mühlen der Kritiker der Mietpreisbremse. So hatte der Grundeigentümerverband vor der Einführung der Mietpreisbremse Gutachten gefordert, um klären zu lassen, in welchen Stadtteilen Wohnungsknappheit herrsche. „Der Senat hat damals sofort die Mietpreisbremse einführen wollen“, sagte Hamburgs Verbandschef Torsten Flomm bereits nach dem erstinstanz­lichen Urteil: „Eile ging vor Sorgfalt, und dafür hat der Senat die Quittung erhalten.“

Andreas Breitner, Direktor des Verbands Norddeutscher Wohnungsunternehmen, hält selbst als SPD-Mitglied nichts von der von seiner Partei geforderten Verschärfung der Mietpreisbremse: „Der Name klingt sexy und toll. Aber die Mietpreisbremse schafft keine einzige Wohnung. Die richtige Lösung für einen friedlichen Wohnungsmarkt ist das Bauen.“