Hamburg. Firmen in der Region überraschen mit neuen Produkten. Wir prüfen, wie gut sie sind, und erzählen die Geschichte dahinter. Heute: Lycka.

Die Zahl erscheint jedes Mal. Jedes Mal, wenn Felix Leonhardt seinen Laptop anschaltet und ins Internet geht. Wenn er arbeiten will, etwas online bestellt oder E-Mails schreibt. Dann wird er daran erinnert, wie viel Zeit ihm noch bleibt. Zeit bis zu seinem Tod. Heute sind es noch 18.031 Tage, sieben Stunden, acht Minuten und 44 Sekunden. Statistisch gesehen, versteht sich. „Das Wissen, dass ich dann Staub und Asche sein werde, treibt mich an, jeden Tag maximal zu nutzen“, sagt Felix Leonhardt.

Er ist 27 Jahre alt. Ein Computerprogramm hat errechnet, welche Lebenserwartung er hat – und wie viel ihm davon bleibt. Klingt makaber. Ist es aber nicht – nicht für Felix Leonhardt. Er empfindet die „Death Time“, die Todeszeit, eher als Ansporn. Als Anreiz. „Weil sie uns klarmacht, dass es nicht darum geht, wie viel Zeit uns noch bleibt, sondern, was wir mit der Zeit anfangen.“ Er hat noch viel vor.

Mit Snacks die Welt verbessern

Felix Leonhardt ist der Gründer des Hamburger Start-ups Lycka, das mit seinen Snacks die Welt verbessern will. Denn die Lebensmittel von Lycka sind nicht nur bio und zu 100 Prozent natürlich – mit jedem verkauften Produkt wird einem Kind in Burundi eine Schulmahlzeit ermöglicht. Auf diese Weise sind seit der Gründung von Lycka 2014 mehr als eine Million Schulmahlzeiten finanziert worden. Nach dem Firmenmotto: „Wir machen Lebensmittel, die mehr können als nur lecker.“

Nachdem sich das Unternehmen in den ersten Jahren vor allem mit Frozen Yogurt einen Namen gemacht und auf Eis spezialisiert hat, ist jetzt die Zeit für Neues gekommen. „Die Idee von Lycka war niemals ein bestimmtes Produkt, sondern die Idee gute, leckere Bio-Lebensmittel zu machen, die Gutes tun. Wir möchten, dass jeder Mensch bewusst einkaufen kann und in jedem Supermarkt in jeder Kategorie die Wahl hat, ein wirklich gutes und soziales Produkt zu kaufen“, sagt Felix Leonhardt, der sich bei der Entwicklung neuer Produkte stark von seinen eigenen Interessen lenken lässt.

Ohne Zuckerzusatz

„Überall, wo uns selber ein Produkt fehlt, machen wir Lycka-Produkte“, sagt er. So war es schon am Anfang, als er als BWL-Student während eines Praktikums in den USA Frozen Yogurt kennenlernte – und die Idee hatte, sich mit diesem Produkt und einer eigenen Firma in Deutschland selbstständig zu machen. So war es ein paar Jahre später, als er während seiner Vertriebstour durch Deutschlands Supermärkte nirgendwo unterwegs ordentlichen Kaffee fand, was den Anstoß zu Lyckas „Cold brew Kaffee“ gab.

Und so war es bei den Power Riegeln, die er als Alternative zu ungesunden, voll gezuckerten Süßigkeiten entwickelte – und die jetzt in neuer Form auf den Markt kommen: als Mini Snack Bites. Einem Bio-Nuss-Fruchtriegel in kleiner Würfelchenform in einer Mini-Tüte für unterwegs. Das Besondere, so die Macher: Die Snacks sind ohne Zuckerzusatz und bestehen je nach Sorte lediglich aus vier bis sieben natürlichen Zutaten wie Walnüssen, Datteln, Kakao- bohnen, Cranberries, Mandeln und Haferflocken. Zur Markteinführung gibt es die Mini Snack Bites in Tüten à 25 Gramm (entspricht circa 20 Würfelchen), doch schon im Sommer sollen Tüten à 50 Gramm in die Geschäfte kommen. Rund 3000 Supermärkte in Deutschland und Österreich führen Lycka bereits, für das Jahr 2018 rechnet das Unternehmen mit einem Umsatz von drei Millionen Euro.

Umweltfreundliche Verpackung

Doch Felix Leonhardt reicht das nicht. Noch lange nicht. Denn die Zeit läuft. Er plant bereits die nächsten Schritte, die nächsten Produkte. Das Gebäcksortiment findet er spannend – oder einen herzhaften Snack. Am wichtigsten ist ihm aber, eine umweltfreundliche Verpackung zu entwickeln, die komplett auf nachwachsenden Rohstoffen basiert, kompostierbar ist – und den Anforderungen des Handels entspricht. Das Problem: „Es gibt zwar schon kompostierbare Folien, diese sind aber nicht bedruckbar – und sind in der Regel nicht lange haltbar, sodass nach kurzer Zeit die Nähte aufgehen und die Lebensmittel verderben“, sagt Felix Leonhardt.

Das Thema ärgert ihn. Weil sein Verpackungsproduzent ihm genau so eine Folie versprochen hatte – und sie bis heute nicht geliefert hat. Deswegen tüfteln er und seine zwölf Mitarbeiter jetzt selbst herum, führen Lagertests mit bereits in Kompostfolie produzierten Riegeln durch und erforschen den Zerfall auf ihren privaten Komposthaufen.

„Das Thema hat höchste Priorität!“, sagt Felix Leonhardt bestimmt. Er ist sicher, dass er das schaffen wird. Wäre ja nicht die erste, scheinbar unlösbare Aufgabe vor der er stand. Er, der sich vor ein paar Jahren beim Kite-Surfen das Genick gebrochen hat. Der eigentlich hätte tot sein müssen, tot oder querschnittsgelähmt. Und der trotzdem lebt, laufen kann. „Damals habe ich mir geschworen, diese einmalige Chance zu nutzen und etwas aus meinem Leben zu machen“, sagt Felix Leonhardt und steht auf. Die Uhr tickt. Er hat noch 18.031 Tage, fünf Stunden, 45 Minuten und ein paar Sekunden Zeit dafür.

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