Hamburg. Firmen in der Region überraschen mit neuen Produkten. Wir prüfen, wie gut sie sind. Heute: Dip von Senf Pauli.
Gut Ding will manchmal Weile haben. Drei Jahre lang hat Eva Osterholz ihre Produktneuheit geplant. „Irgendwie ist immer etwas dazwischen gekommen“, sagt die Chefin und Gründerin von Senf Pauli. Nun ist es so weit. Mitte März brachte die Manufaktur die Soße Rauch Tomate in den Handel. „Die Geschmacksrichtung fehlte einfach“, sagt Osterholz.
Eigentlich sind – nomen est omen – verschiedene Senfsorten das Hauptgeschäft des Unternehmens. Sie tragen mitunter Namen, die wie Titel von Romanen klingen: „Himbeerfelder für immer“, „Mord im Orient“ oder „Josephine Baker in Bollywood“. Dahinter verstecken sich Varianten mit Himbeeren, Weißwein-Feigen sowie Bananen und Curry. Zwölf Sorten Senf gibt es, sie machen ungefähr 80 Prozent des gesamten Umsatzes aus.
Zucker über Buchenholz geräuchert
Seit sechs Jahren hat das Unternehmen aber auch Tomatensoßen im Angebot. „Ihr Verkauf nimmt zu, der Geschmack setzt sich durch“, sagt Osterholz. Drei Geschmacksrichtungen bot sie bisher an. Die süß-scharfe Version mit Chili und Honig, die herzhafte mit Paprika und Curry sowie die fruchtige mit Pflaume und Kakao. Nun ist also Nummer vier auf den Markt. Grundsätzlich möge sie den rauchigen Geschmack, sagt Osterholz. Die im Handel erhältlichen Soßen hätten allerdings eine unangenehme Gemeinsamkeit. „Sie kleben so an den Schleimhäuten. Wir wollten eine Soße machen, bei der das nicht so ist.“
Der Weg dorthin war steinig. Zuerst überlegte Osterholz mit ihrem je nach Saison bis zu fünf Personen starken Team, welche Zutat den Rauchgeschmack tragen soll. Im Prinzip könne man alles räuchern. Sehr häufig werde Paprikapulver verwendet. Das wurde auch in der alten Käserei in Eilbek probiert, in der Senf Pauli seit einigen Jahren den Sitz hat. Als eine Mitarbeiterin aber sagte, dass die Soße „einen Beigeschmack von Pflaster“ habe, war dieses Gewürz durchgefallen.
Zutaten in Bio-Qualität
Im Anschluss sei man auf die Idee gekommen, Zucker zu räuchern. Mehrere Räuchereien winkten bei der Anfrage ab. Bei der Bioland Fleischerei Fricke an der Osterstraße stieß sie auf offene Ohren. Dort wird der Rohrohrzucker über Buchenholz geräuchert. Bis er das perfekte Aroma hatte, brauchte es mehrere Anläufe. Mindestens 50 verschiedene Rezepte kochte das Senf-Pauli-Team, bis die Soße den gewünschten Geschmack hatte. Vor wenigen Tagen nun wurde der 100-Liter-Kessel in der Produktion mit passierten Tomaten, getrockneten Pflaumen, Apfelessig, Gewürzen, Steinsalz, Knoblauchzehen,
Zitronensaft gefüllt – und natürlich geräuchertem Zucker. Künstliche Zusätze gibt es nicht, das Andicken erledigen die Pflaumen.
„90 Prozent der Zutaten sind in Bio-Qualität“, sagt Osterholz. Entscheidend sei der Geschmack, daher sei Bio nicht immer besser. Salz könne als Naturprodukt nicht Bio sein. Grundsätzlich lege sie viel Wert auf hochwertige Ware und spare bei den Zutaten nicht. Zudem zahle sie ihren Mitarbeitern mehr als Mindestlohn und sämtliche Überstunden. Das treibt den Preis, schließlich wollen die Händler auch noch eine Marge einstreichen. Die 250-Milliliter-Flasche kostet in den knapp 100 Läden in Deutschland – in Hamburg zum Beispiel das Kochhaus und Mutterland – meist 7,90 Euro.
Soße ist zum Dippen gedacht
Der Zutatenmix wird erhitzt und bei 72 Grad Celsius sofort heiß abgefüllt. Mindestens ein Jahr sei die rauchige Tomatensoße haltbar. Geöffnet im Kühlschrank soll sie sich wochenlang halten. Eine herkömmliche Tomatensoße, die man üppig über die Nudeln gießt, soll Rauch Tomate übrigens nicht sein. „Sie ist zum Dippen gedacht“, sagt Osterholz. Ideal sei sie zum Beispiel zum Verfeinern von Rührei, gegrilltem Gemüse, Burger, Fondue oder auch als Brotaufstrich.
Damit kommt der Verwendungszweck den Senfsorten nahe, mit denen das Unternehmen vor zehn Jahren startete. Dieses Jahr sollen im Kernsegment zwei neue Varianten auf den Markt kommen. Im Sommer gibt es „Gute Presse“ und „Zappenduster“. Der erste Senf ist mit Apfelsinen-Geschmack, der zweite mit Lakritz.
Etikettieren ist noch Handarbeit
Die Entwicklung des Senfs, die mindestens ein Dreivierteljahr dauert, sei abgeschlossen. Dass die Sorten jetzt noch nicht in den Handel kommen, hängt von einer ausstehenden Investition ab. Osterholz will eine Etikettiermaschine kaufen, für die sie die Aufkleber ändern muss. Das will sie in einem Rutsch erledigen. Momentan ist das Etikettieren noch Handarbeit, für 57 Gläser (ein Karton) wird etwa eine Dreiviertelstunde gebraucht. Die Maschine schafft 600 Stück in einer Stunde.
„In eineinhalb Jahren hat sie sich amortisiert“, sagte Osterholz, die Umsatz und Gewinn nicht in absoluten Zahlen beziffern will. „Wir schreiben von Anfang schwarze Zahlen, legen pro Jahr acht Prozent beim Umsatz zu – und ich bin zufrieden.“ Rund ein Drittel setzt sie übrigens in der Gastronomie ab. Der bekannte Fernsehkoch Johannes King nutzte schon Senf von Senf Pauli. Auch ins Hotel Vierjahreszeiten, in das Park Hyatt oder das Vlet liefere sie ihre Produkte. Sie sei sehr dankbar, dass ihre Kreationen bei den Köchen gut ankomme, sagt Osterholz.
„Wir brauchen größere Räume“
Einen Wunsch habe sie für die nahe Zukunft noch. „Wir brauchen größere Räume und wollen uns mehr öffnen – das ist mein Herzensthema.“ So seien die Räume bei den Führungen, die sie neuerdings anbietet, um Interessierte in die Geheimnisse der Senfproduktion einzuführen, schlichtweg überfüllt gewesen. Wenn sie eine neue Immobilie gefunden habe, plant sie eine Ausweitung des Sortiments. Osterholz: „An Ideen mangelt es nie!“
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