Hamburg. Jung und Alt demonstrieren Seite an Seite gegen Spekulanten und Miethaie. Polizei spricht von friedlichem Verlauf.

Gegen rasant steigende Mieten und fehlenden sozialen Wohnungsbau in Hamburg haben am Sonnabend Tausende in der Innenstadt demonstriert. Während die Polizei von rund 3000 Teilnehmern sprach, nannten die Organisatoren die Zahl von 8000 Demonstranten, darunter viele junge Erwachsene, aber auch Familien mit Kindern. Zu dem Protest "MietenMove" hatte ein breites Bündnis aus linken Gruppen und Initiativen aufgerufen. Vom Spielbudenplatz auf der Reeperbahn zogen die Demonstranten zum Klosterwall am Hauptbahnhof. Die Polizei sprach von einem friedlichen Verlauf.

Florian Kasiske vom Netzwerk „Recht auf Stadt“ wertete die Demonstration angesichts des Zulaufs als großen Erfolg. Das zeige, dass viele wollten, dass sich die Wohnungspolitik in Hamburg ändert und die Gewinninteressen von Investoren eingeschränkt werden.

Zubringer-Demo in Ottensen

Eine erste Zubringer-Demonstration war am Vormittag im Stadtteil Ottensen gestartet. Dem Aufruf „Altona goes MietenMove“ schlossen sich nach Angaben von Veranstaltern und Polizei rund 500 Teilnehmer an. Einige skandierten: „Unsere Straßen, unser Stadt hat die Investoren satt.“

Die Demonstranten stießen am Spielbudenplatz in St.Pauli auf den dort startenden Hauptzug. Der "MietenMove" gegen den "Mietenwahnsinn" startete gegen 13 Uhr mit etwa 2000 Menschen. Die Teilnehmer warfen dem rot-grünen Senat vor, die Wohnungspolitik dem Marktgeschehen zu überlassen und Mietpreisauswüchse zuzulassen. Sie fordern stattdessen eine solidarische Wohnungsbaupolitik, die auch dem Kleingewerbe das Überleben ermöglicht. Sie forderten auch ein Sommernotprogramm für Obdachlose. Die Mietpreisbremse habe sich als zahnloser Tiger erwiesen. Die Mieten würden deutlich schneller steigen als die Zahlen beim Wohnungsneubau. Auf Transparenten hieß es "Miethaie zu Fischstäbchen", "Profite pflegen keine Menschen" und "Eine Brücke ist kein Zuhause".

Für die meisten ist Wohnen ein Grundrecht

Die 70-Jährige Edeltraut Gerbrand nahm nach eigenem Bekunden aus Frust über die Entwicklung am Wohnungsmarkt teil. „Spekulanten darf es nicht geben, alle brauchen Platz für gutes Leben“, reimte sie. Dass Menschen aus ihrem angestammten Wohnviertel verdrängt würden, weil sie ihre steigende Miete nicht mehr bezahlen könnten, fand der 21 Jahre alte Manoel „nicht mehr in Ordnung“.

Bei Quadratmeterpreisen von bis zu 30 Euro, wie sie das Unternehmen Akelius verlange, seien längst nicht mehr nur einkommensschwache Haushalte von Verdrängung bedroht, sondern auch die Mittelschicht, kritisiert die Gruppe "Recht auf Stadt", die die Demonstration mit organisiert hat. Wohnen werde immer mehr zu einem Luxus. Dabei verstünden laut einer Caritas-Studie 93 Prozent der Deutschen Wohnen als ein Menschenrecht.

Verärgerung über Grundstückspolitik

Im Juni 2016 war zwischen der Stadt, den Bezirken und der Wohnungswirtschaft neu vereinbart worden, bis 2020 jedes Jahr mindestens 10.000 Baugenehmigungen zu erteilen, 3000 davon für geförderte Wohnungen. In dem Jahr gab es 2290 neu bewilligte Sozialwohnungen, 2017 waren es 3165. Im Großteil der neu bewilligten Sozialwohnungen lag die Anfangsmiete bei 6,40 Euro pro Quadratmeter Wohnfläche. Derzeit gibt es in Hamburg rund 83.750 Sozialwohnungen, dieses Niveau soll nach früheren Angaben der Stadtentwicklungsbehörde bis 2030 gehalten werden.

Verärgerung entzündet sich auch immer wieder an der Grundstückspolitik der Stadt, die Investoren die Flächen zum Wohnungs- oder Bürohochhausbau einfach überlässt, statt sie selbst zu bebauen und damit Einfluss auf die Höhe der Mieten nehmen zu können. Investoren kaufen regelmäßig ohne weitere Auflagen Grund und Boden von der Stadt. Die Stadt solle ihr Tafelsilber behalten und auch Vorkaufsrechte nutzen, um den Grund und Boden der Stadt sozial vergeben und nutzen zu können, hieß es auf einer Zwischenkundgebung am Rathausmarkt. Studenten der Hafenciy-Universität erläuterten an der Mönckebergstraße die Probleme der Studierenden, angesichts der beständig weniger werdenden Sozialwohnungen bezahlbar irgendwo unter zu kommen. Seit Jahrzehnten laufen jährlich mehr Wohnungen aus der Sozialbindung als Sozialwohnungen neu gebaut werden.

Verkehrsbehinderungen blieben im Rahmen

Die Polizei konstatierte Verkehrsbehinderungen entlang der Demo-Route vom Spielbudenplatz über Millerntorplatz, Neuer Pferdemarkt, Feldstraße, Brahmsplatz, Gänsemarkt, Jungfernstieg, Rathausmarkt, Mönckebergstraße und Klosterwall. Gegen 16.10 Uhr erreichten die Spitzen des Zuges den Platz der Abschlusskundgebung vor den City-Hochhäusern am Klosterwall. Dort monierten die Gruppen den bevorstehenden Abriss der drei Bürotürme für den Neubau eines Hotels, diverser Büros und immer wieder reduzierten Wohnungen (nach jetziger Planung 132 statt der anfänglich versprochenen 200). Sie wollen eine "bedarfsgerechte Nutzung" des Grundstücks durchsetzen, von der auch die Bewohner des Stadtteils einen Nutzen haben. In St. Georg sind die Mieten drastisch gestiegen.

Ein alternativer Entwurf des Hamburger Architekten Volkwin Marg hatte die denkmalgeschützten City-Hochhäuser erhalten und zu Wohnungen umfunktionieren wollen. Das scheiterte an den Verkaufsplänen des Senats, der den Entwurf Margs aus formalen Gründen aus dem Bieterwettbewerb der Investoren um das Grundstück nahm.