Hamburg. Abendblatt-Redakteur Heiner Schmidt verzichtet auf Kunststoffverpackungen. Sechster Teil des Tagebuchs.

Donnerstag, 9.00 Uhr: Heute nichts Erwähnenswertes im Bad und beim Frühstück. Vor dem Kleiderschrank aber ein erneuter kleiner Rückschlag: Die Preisetiketten an diesen beiden neuen Freizeithemden, von denen ich gestern noch angenommen hatte, sie seien komplett plastikfrei verpackt, sind mit einem Plastikfaden befestigt, der sich durch eines der Knopflöcher zieht. Der Faden muss ab und ist deshalb Verpackung. Die Knöpfe sind auch Plastik, jedoch keine Verpackung. Nun muss ich aber schnell mit dem Auto ins Gartencenter, weil ich noch vor der Abfahrt am Freitagabend Richtung Wochenendhäuschen einen Sack Blumenerde besorgen soll.

9.15 Uhr: Ich bin immer noch in der Küche, weil über der Mülltüte aus kompostierbarem Papier ein Schwarm Fruchtfliegen kreist. Auch ich bin gegen das Insektensterben, meine aber, dass diese Tiere sich besser im Freien aufhalten sollten. Angelockt werden sie offenbar von den Wassermelonenschalen im Müll. Außer Kohlrabi und Kartoffelresten liegt bisher gar nicht viel mehr drin. Trotzdem ist die Tüte schon leicht durchgesuppt. Wieso eigentlich Melone? Stimmt, so ein Fruchtviertel lag neulich plötzlich unverpackt auf einem Teller im Kühlschrank. Verkauft werden diese Melonenstücke für gewöhnlich aber doch in Frischhaltefolie. Hat da etwa jemand hinter meinem Rücken ...? Darüber wird noch zu reden sein. Erstmal muss die Mülltüte raus.

10.30 Uhr: Endlich im Gartenmarkt. Große Auswahl an Erden. Für den Balkonkasten. Für Rhododendren. Für Gemüse. Mit oder ohne Torf. Bio. Mit Nährstoffzusatz. Aus oder mit Kompost. Graberde. An sich gucke ich nur pro forma und für den unwahrschein­lichen Fall, dass irgendetwas davon inzwischen nicht mehr in einem Plastiksack verpackt angeboten wird. Keine Chance, und das ist kein Wunder. Diese Erde ist meist feucht, würde einen Papiersack durchfeuchten und außerdem liegen die Säcke im Markt meist unter freiem Himmel.

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Keinen davon werde ich in den Kofferraum wuchten, sondern stattdessen schauen, ob der eigene Komposthaufen draußen auf dem Land inzwischen genug hergibt. Wenn nicht, bleibt nur die Fahrt in Uschi’s Gartencenter. Es verkauft Blumenerde lose. Nur sind das locker 20 Kilometer mit dem Auto. Nicht gerade umweltverträglich. Ohnehin beschäftigt mich seit Tagen auch der Gedanke, ob es richtig ist, immer nur zu schauen, ob etwas in Plastik verpackt ist. Ist eine einmal benutzte und dann weggeworfene Tüte aus Papier wirklich besser als eine aus Plastik, die recycelt wird?­­

11.15 Uhr: Auf dem Weg in die Redaktion noch schnell in meinem neuen Lieblingsladen Stückgut reingeschaut. Dort haben sie wiederverwendbare Frischhaltefolie. Mit Bienenwachs beschichtet (riecht auch so), zwei Tücher von der Größe eines auseinandergeklappten Tempotuchs für 14,95 Euro! Ein erster Test mit einem Trinkglas sieht vielversprechend aus. Die Tücher sollen mit lauwarmem Wasser und etwas Spülmittel auswaschbar sein, aber nicht geeignet, frisches Fleisch und Fisch darin einzuschlagen.

13.00 Uhr: In der Redaktion. Hunger. Dummerweise habe ich keine Transportbox dabei, sonst würde ich es an der Salatbar des Supermarkts gegenüber versuchen. Stattdessen in die Kaffeebar im 7. Stock. Belegte Brötchen legen sie einem dort auf Wunsch auf einen Teller statt in die Papiertüte mit Plastiksichtfenster. Heute noch einen grünen Smoothie dazu. Ohne Strohhalm bitte. Erst als ich das Glas schon in der Hand habe, sehe ich, dass die unverkauften Smoothies in der Kühlvitrine mit Frischhaltefolie abgedeckt sind. Verstoß gegen die Regeln: Es wird einem aber auch nicht leicht gemacht.

15.30 Uhr: Kurz in der Stadt gewesen, um nach einer CD zu schauen. Grauenhaft! Selbst wenn die Hülle aus Papier ist, ist immer eine Plastikhülle drum­herum. Ich muss dringend über einen dieser Streamingdienste nachdenken. Obwohl: Wenn ich die Musik dann auf meinem voller Plastik steckenden Smartphone abspiele – ist das Handy dann so etwas wie die Verpackung des Songs und damit verboten? Mir kommen wachsende Zweifel an meiner Plastikverpackungs-Phobie.

16.00 Uhr: Manchmal lasse ich mir etwas im Internet Bestelltes in die Redaktion schicken. Heute ist ein lange erwartetes Paket da. Der Inhalt ist zerbrechlich und tut hier nichts zur Sache. Das Paket ist ausgiebig beklebt mit Plastikband, die Rechnung steckt in einer aufgeklebten Plastikhülle. Der Inhalt ist in eine dieser Folien mit kleinen Luftpolstern gehüllt, die lustig ploppen, wenn man sie mit den Fingern zerdrückt. Und der Karton ist ausgepolstert mit luftgefüllten Plastikkissen. Sieht so aus, dass Online-Shopping künftig auch ausfällt. Verstoß gegen die Regeln? Blöde Frage.

18.30 Uhr: Bin im Beach Club, habe mäßige Laune zum Feierabend. Zu viele Niederlagen heute und das Gefühl, dass ich überall an Grenzen stoße. Um mir am Abend noch ein Erfolgserlebnis zu verschaffen, habe ich den Zero-Waste-Beach-Club am Neuen Kamp ausgewählt. Das bedeutet Null-Müll-Beach-Club. Getränke aus Glasflaschen und Gläsern, Makkaroni als Strohhalm, Nüsse werden aus großen Spenderboxen (wie im Unverpackt-Laden) in Pfandgläser gefüllt. Man verursache 90 Prozent weniger Abfall als vergleichbare Clubs, sagen die Macher. Ja? Kann sein. Offen gesagt habe ich null Lust mich mit Müllbilanzen herkömmlicher Beach-Clubs zu beschäftigen. Ich nuckele eine Rhabarber-Schorle durch eine Nudel und bin etwas erleichtert, dass diese Woche vorbei ist. Die Nudel kommt in den Mülleimer, in dem schon eine Bananenschale liegt. Ich fahre jetzt heim – den Rest des Wassermelonenviertels in Bienen-Folie einschlagen.

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