Hamburg. Jens Kerstan hat zusammen mit Amtskollegen einen Brandbrief an die Regierung verfasst: Einweg-Trend umkehren.
Umweltsenator Jens Kerstan (Grüne) hat zum heutigen Weltrecyclingtag eine härtere Gangart der neuen Bundesregierung bei der Durchsetzung des Mehrwegsystems gefordert. „Das ehemals vorbildliche Getränkepfandsystem in Deutschland wird immer weiter ausgehöhlt, die Mehrwegquote sinkt weiter“, sagte Kerstan dem Abendblatt. „Wir brauchen dringend eine Trendumkehr hin zu mehr Mehrwegverpackungen. Wir müssen die nutzbaren Rohstoffe wiederverwenden und Müll vermeiden. Der Bund ist gefordert, mit den Herstellern und Supermarktketten Tacheles zu reden und das Thema endlich anzupacken – notfalls auch mit neuen gesetzlichen Vorgaben.“
Die Massen an Plastik und anderem Verpackungsmüll seien mittlerweile „ein gigantisches Umweltproblem“ auf der gesamten Erde. „Millionen Flaschen und Kunststoffteile verschmutzen Weltmeere und Korallenriffe, Mikroplastik gelangt in Gewässer und Nahrungsketten“, so Kerstan. „Der Weltrecyclingtag ist eine guter Anlass, um uns diese Ökokatastrophe vor Augen zu führen und aktiv zu werden. In Hamburg gelingt es immerhin, die Zahl der gelben Tonnen Schritt für Schritt zu erhöhen. Die Hamburger Verwaltung kauft seit 2016 keine Getränke in Einwegflaschen mehr ein. Mehrwegsysteme sind hier ein wichtiger Teil der Lösung.“
Eindringliche Warnung vor Plastikmüll
Hintergrund: Das Bureau of International Recycling (BIR) hat den 18. März 2018 zum Weltrecyclingtag ausgerufen. Der Tag, der zugleich der 70. Geburtstag der Organisation ist, soll genutzt werden, um auf die Bedeutung des Recyclings weltweit aufmerksam zu machen und dazu beitragen, die sechs größten Ressourcen Wasser, Luft, Kohle, Öl, Erdgas und Mineralien zu schützen. In einem Sieben-Punkte-Plan hat das BIR formuliert, wie aus seiner Sicht eine effektivere Rückgewinnung von Rohstoffen organisiert und Privathaushalte dabei mit einbezogen werden können. Zentral sei u.a. eine weltweit einheitliche Thematisierung, die Unterstützung von Initiativen, Forschung und internationalen Abkommen sowie die Zusammenarbeit mit der Industrie für eine frühzeitige Verankerung des Recyclinggedankens in Fertigungsprozessen.
Im Januar hatte der Vizepräsident der EU-Kommission, Frans Timmermans eine düstere Vision gezeichnet: „Wenn wir weiter so viel Plastik produzieren und wegwerfen wie bisher, dann wird es im Jahr 2050 mehr Plastikmüll in den Meeren geben als Fische“, so Timmermans. „Wir können nicht ohne Plastik leben, aber wir können auch daran sterben, wenn wir nicht handeln.“ So begründete Timmermans eine neue, Strategie zur Eindämmung des Plastikabfalls in Europa, die die EU-Kommission zu Jahresbeginn beschlossen hat.
Viel mehr Plastik als bisher soll demnach wiederverwertet werden – Verpackungen aus Kunststoff sollen ab 2030 generell nur noch erlaubt sein, wenn sie wiederverwertbar sind.
Umweltminister schreiben Brandbrief an den Bund
Zusammen mit den Umweltministern von Baden-Württemberg, Berlin, Bremen, Hessen, Rheinland-Pfalz, Schleswig-Holstein, Sachsen-Anhalt und Thüringen hat Hamburgs Umweltsenator Kerstan jetzt in einem Brief an die neue Bundesumweltministerin Svenja Schulze gefordert, beim Thema Mehrweg aktiv zu werden und insbesondere bei den Getränken den Negativtrend der vergangenen Jahre zu stoppen.
Neue Zahlen zeigten „dass die Mehrwegquote in allen Getränkesegmenten weiter gesunken ist und nur noch 44,3 Prozent beträgt“, heißt es in dem Schreiben, das dem Abendblatt vorliegt. Die „Quote der ökologisch vorteilhaften Einweggetränkeverpackungen“ habe sich bei nur etwa einem Prozent eingepegelt, so die Minister. „Wir bitten Sie, im Dialog mit den Produktverantwortlichen und betroffenen Interessensverbänden geeignete Vorschläge zur Stärkung des Vertriebs nachhaltiger Produkte im Bereich der Getränkeverpackungen zu entwickeln und mit den Ländern zu erörtern.“