Hamburg . Weg von der Wegwerfgesellschaft: In mehreren Stadtteilen gibt es Läden, in denen Kunden die Produkte frei von Plastik kaufen können.
Schon im Grundschulalter lernen die Kinder: Plastik verrottet nicht. Die einfache Lösung wäre daher: „Kaufe kein Plastik mehr!“ Aber wie soll das heutzutage gehen? Im Supermarkt sind Tomaten in einem Plastikbecherchen verpackt, selbst die Bio-Gurke hat einen schützenden Überzug. Insa Dehne hat das schon immer genervt. Also ist sie selbst aktiv geworden und hat im Januar zusammen mit drei Partnern „Stückgut“ eröffnet, einen Laden, der das unverpackte Einkaufen bietet. „Gerade im Bio-Bereich ist es manchmal absurd, wie die Produkte verpackt werden“, sagt die gelernte Speditionskauffrau mit BWL-Studium, die nun eine weinrote Schürze trägt.
Gleich muss sie die Einkäufe ihres Kunden kassieren, das wird nicht einfach. Denn hier wird aufs Gramm genau abgerechnet: Ein Einmachglas voll Nudeln, eines voll mit roten Linsen, dazu ein paar Brocken Schokolade und zu guter Letzt noch eine hölzerne Klobürste. Hier in Hamburg-Altona gibt es nämlich alles einzeln – und damit komplett unverpackt. Vorzugsweise natürlich bio und regional bezogen.
Verbot von kostenlosen Plastiktüten zeigt Wirkung
In der Hafenstadt gibt es mittlerweile noch andere Geschäfte mit einer ähnlichen Zielsetzung: „Twelve Monkeys“ in der Neustadt, „Bio.lose“ in Eimsbüttel und seit August „Ohne Gedöns“ in den Walddörfern. Sie gehen damit einen Weg, der vor allem in den deutschen Ballungsräumen immer öfter bestritten wird: Weg von der Wegwerfgesellschaft, hin zum ressourcenschonenden Einkaufen.
Seit die EU-Kommission im Jahr 2015 das Verbot von kostenlosen Plastiktüten auf den Weg gebracht hat, ist dieses Denken auch bei denen angekommen, die sich normalerweise wenig um den ökologischen Fußabdruck ihres Einkaufs scheren. Im Modekaufhaus kommt die Tüte nun nicht mehr kostenfrei und ungefragt über die Theke, bei einigen Discountern gibt es sie bald gar nicht mehr.
Im Idealfall bringt der Kunde sein Gefäß selbst mit
Und es scheint Wirkung zu zeigen: Die Gesellschaft für Verpackungsmarktforschung (GVM) hatte für 2016 ermittelt, dass die Deutschen ein Drittel weniger dünne Plastiktüten als im Jahr zuvor verbrauchten, insgesamt „nur“ noch 3,6 Milliarden. Aber immerhin noch 45 Tüten pro Kopf. Vor allem beim Textil-Einzelhandel zeigt sich der Wandel massiv, hier ging die Zahl der herausgegebenen Tüten um bis zu 80 Prozent zurück.
So weit ist man im verpackungslosen Supermarkt natürlich schon lange. „Idealerweise bringt der Kunde sein Gefäß selbst mit. Für Kurzentschlossene haben wir aber auch Behälter wie Gläser und Baumwollbeutel in verschiedenen Größen vorrätig“, sagt Insa Dehne.
Auch hauchdünne Plastiktüten sind ein großes Problem
Hamburgs Verbraucherzentrale lobt den neuen Trend, der laut Experte Armin Valet durch den Druck vom Kunden wächst: „Viele wollen eben keine abgepackte Gurke kaufen, können sich aber eben nur den Einkauf beim Discounter leisten. Das ist ein Problem“. Gerade bei den großen Ketten gebe es auch Vorschriften, die hier den Unmut der Kunden wecken würden, und das auch zu Recht. „Biologische Lebensmittel müssen klar unterscheidbar von Nicht-Biologischen sein“, ergänzt Valet. Aber da die Bio-Gurke eben nicht in den direkten Kontakt mit der konventionellen Schwester kommen soll – Spuren von Pestiziden könnten sich dabei nämlich übertragen – packt man sie in eine transparente Folie.
Doch auch die hauchdünnen Plastiktüten, die aus der Gemüseabteilung bekannt sind, stellen ein großes Problem dar. Würde man jede von ihnen, die jährlich in Deutschland verbraucht wird, offen ausbreiten, könnten sie die Stadt Hamburg komplett bedecken – 870 Quadratkilometer Plastikfolie wären das. So haben es die Verbraucherschützer kürzlich vorgerechnet.
Zitronensäure-Putzmittel im Einweckglas
Gefragt in Hamburg-Altona sind Hülsenfrüchte. In großen Spendern hängen sie neben Reis, Nudeln, Hirse und vielen anderen Produkten im Laden. Der Kunde holt sich so viel davon aus den großen transparenten Säulen, wie er möchte, anschließend wird gewogen und kassiert. Das Sortiment des Unverpackt-Ladens ist fast komplett vegetarisch. Das hat einen einfachen Grund: Die hygienischen Hürden bei Wurst und Käse sind einfach viel höher.
Die Kunden stört das jedenfalls wenig, sie kommen aus anderen Gründen zum Einkaufen hierher. „Ich möchte meinen Teil dazu beitragen, dass weniger Plastikmüll produziert wird. Dafür komme ich dann auch gerne den weiten Weg aus Wandsbek“, sagt Erzieher Mario, Kunde von ersten Tag, und packt ein wenig Zitronensäure-Putzmittel in sein Einweckglas.