Abendblatt-Redakteur Heiner Schmidt verzichtet auf Kunststoffverpackungen. Fünfter Teil des Tagebuchs.

Mittwoch, 8 Uhr: Im Bad. Ganz glücklich machen mich diese plastikfrei verpackten Körperpflegemittel doch nicht. Die Zahnpasta aus der Glasflasche fließt nicht. Deshalb muss ich den Kopf der Bambuszahnbürste durch den Flaschenhals friemeln. Funktioniert, ist aber nicht optimal. Die Haarseife ist auch ein Problem. Die Haare kleben zusammen, als ob ich normale Handseife benutzt hätte. Es soll ja auch Trockenshampoo geben. Danach werde ich mal schauen, wenn ich diese Frischehaltefolien aus oder mit Bienenwachs kaufe. Nach dem Haarewaschen noch schnell die Ohren reinigen ... Ups, das muss ich doch erst mal zurückstellen.

8.30 Uhr: In der Küche. Das erste Mal seit Tagen wieder ein richtig vollständiges Frühstück. Kaffee mit Milch aus der Flasche mit dem Pfanddeckel, in plastikfreier Verpackung eingekaufte Wurst und Käse auf dem Brot. Ich darf sogar vom besten Krabbensalat der Welt probieren. Aber nur ein bisschen.

Verstoß gegen die Regeln: nein! Ich finde, daheim läuft es jetzt gut, und ich werde diese Selbstkritik nur noch notieren, wenn es Anlass dazu gibt.

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10 Uhr: Hemdenkauf bei C&A an der Mönckebergstraße. Die frischen aus der Reinigung kann ich ja nicht benutzen, weil sie in Plastikfolie im Schrank hängen. Schöne Überraschung in der Fachabteilung: Nur noch ganz wenige Hemden sind in so einer Hülle aus Knitterplastik, die meisten sind unverpackt – stecken aber trotzdem voller Plastik. Was tun? Ich wähle zwei garantiert plastikfreie Freizeithemden vom Bügel für die nächsten Tage. Und – schweren Herzens – doch ein weißes (100 Prozent Baumwolle), das erkennbar auch von Plastikteilen in Form gehalten wird. Ich muss ja herausfinden, wie viel Plastik da wirklich drinsteckt. An der Kasse kündige ich an: „Die Verpackung würde ich aber gerne hierlassen.“ Die Verkäuferin sagt: „Kein Problem. In der Umkleide ist ein Abfalleimer.“

Beim Auspacken fördere ich zutage: vier Plastikklammern, zwei Kragenverstärker aus PET-Plastik, einen weiteren aus Pappe, einen Rückenverstärker aus verdächtig beschichteter Pappe, eine Lage dünnes Papier. Zum Glück keine Stecknadeln mit Plastikkopf. Den Müll stopfe ich in den Papierkorb in der Umkleide. Abfalltrennung geht anders.

Verstoß gegen die Regeln: ja, eindeutig. Dass ich den Abfall im Geschäft zurücklasse, entlastet mich zwar moralisch, aber verursacht habe letztlich doch ich ihn. Und die Begründung, dass ich das weiße Hemd wider besseres Wissen aus reinem Erkenntnisinteresse gekauft habe, ist natürlich schwach argumentiert. Es ist ungefähr so, als würde ich einen Wal harpunieren und behaupten, ich würde ihn aus wissenschaftlichem Gründen töten. Na ja, vielleicht nicht ganz so schlimm.

16.30 Uhr:
Im Coffeeshop auf einen Cappuccino to go. Kommt eher selten vor. Für den Fall der Fälle trage ich aber bereits seit Tagen einen der älteren Becher aus dem Küchenschrank im Rucksack herum. Am Rand ist der Becher schon leicht angestoßen, jetzt soll da Kaffee mit Milch und Schaum von Starbucks rein. „Machen Sie das?“, frage ich am Tresen. „Ja natürlich. Wie ist Ihr Name?“ Ich antworte wahrheitsgemäß und frage mich erst danach, warum ich beim Kaffeekauf meinen Namen angeben muss. Wird der registriert, um mich bei eventuell auftretenden hygienischen Problemen ...? „Sie bekommen dann 30 Cent Rabatt für den eigenen Becher“, sagt die Mitarbeiterin, die ihn zwischendurch an eine Kollegin weitergereicht hat. Das mit dem Namen klärt sich Sekunden später. Ich werde ausgerufen, damit ich auch wirklich meinen Becher bekomme.

18.45 Uhr: Auf dem Nachhauseweg noch schnell zum Einkaufen in den Supermarkt. Früher habe ich auch mal eine Aufbackpizza oder ein Tiefkühlfertiggericht aus der Tüte mitgenommen. Jetzt einen unverpackten Kohlrabi und eine Handvoll Kartoffeln in der Papiertüte. Vor dem Essen kommt noch ein bisschen Salz (Streuer aus Glas, befüllt aus Pappkarton) darüber, aber kein Pfeffer. Die Mühle ist aus Holz, die Körner aber hatte ich in Plastik gekauft.

21 Uhr: Dieser abgebrochene Ohrreinigungsversuch heute Morgen hat mich daran erinnert, dass ich schauen wollte, welche Produkte ich im Hause habe, die von der EU verboten werden sollen. In der Küchentisch-Schublade liegen Plastikstrohhalme. Die Wattestäbchen sind in einer Plastikbox und versuchen nicht mal so zu tun, als wären sie nicht aus Plastik. Sünden der Vergangenheit, Ersatz wird sich finden. Luftballonhalter aus Plastik besitze ich definitiv nicht, Teller und Besteck auch nicht.

Dazu jetzt mal einige sehr offene Worte: Wer Bierkisten, Einweggrills und Nackensteaks in den Park schleppen kann, der soll gefälligst auch noch richtige Teller und richtiges Besteck mitnehmen. Und wenn er am Ende der Party nicht mehr in der Lage ist, das alles einzusammeln, dann liegt da wenigstens kein Plastikmist im Park. Wo ich gerade emotional bin: Wer heutzutage immer noch Einkäufe in einer Plastiktüte transportiert, hat eindeutig die Kontrolle über sein Leben verloren. Hat schon Karl Lagerfeld gesagt. Jedenfalls so ähnlich.

Lesen Sie morgen: 70 Liter Blumenerde, bitte – aber nicht im Plastiksack