Hamburg. Immer mehr Frauen machen in Hamburg ihren Meistertitel. Und sie werden dabei von staatlichen Stellen unterstützt.
Die eigene Möbelkollektion ist in Arbeit, fünf Prototypen sind bereits fertig. Für die Schränkchen hat sie einen modernen und schlichten Kubus aus Holz mit einer alten Tür aus der Gründerzeit kombiniert. Tischlermeisterin Jana Broxtermann sieht sich zwei Jahre, nachdem sie sich in Hamburg selbstständig gemacht hat, am Ziel ihrer Wünsche. Zunächst einmal. Denn ihr Weg in das Handwerk zeigt, dass sich immer neue Herausforderungen ergeben. Nach der Tischlerlehre und dem Meisterbrief in dem Gewerk schloss sich noch eine Fortbildung zur Restauratorin an. „Alte Dinge haben mich schon immer fasziniert, und ich sammle gerne, was andere aussortieren“, sagt die 35-Jährige. Für ihre neue Möbelkollektion ist das ideal, denn die alten Stücke, die sie verarbeitet, müssen wie die Gründerzeittür aufgearbeitet werden.
Noch sind Frauen im Handwerk eine Minderheit, aber ihr Anteil steigt. „Die Frauen sind sehr ehrgeizig und erobern sich auch immer stärker einen Platz als Unternehmerin im Handwerk“, sagt Johanna von Blanc, Leiterin des Projekts Integrierte Nachwuchsgewinnung im Handwerk (INa). Hinter jeder vierten Gründung im Hamburger Handwerk steckt schon eine Frau. Im Schnitt machen pro Jahr etwa 100 Frauen in der Stadt einen Meisterbrief. Im vergangenen Jahr stieg ihr Anteil an der Meisterausbildung um elf Prozent. Das ist kein Zufall. Denn kaum ist der Gesellenbrief überreicht, werden Johanna von Blanc und Sabine Möller vom INa-Team aktiv.
„Konkrete Angebote zur Karriereplanung“
„Wir gehen auf die Frauen zu und machen ihnen konkrete Angebote zur Karriereplanung im Handwerk“, sagt Möller. „Manche wollen erst noch praktische Erfahrungen sammeln, andere sind sofort aufgeschlossen für eine Meisterausbildung – und wir machen ihnen Angebote, wie wir sie dabei unterstützen können.“ Besondere Fördertöpfe für Gründerinnern, Frauennetzwerke und spezielle Beratungsangebote gehören dazu. „Nur so können Frauen ihr volles Potenzial in einer männerdominierten Umgebung wie dem Handwerk ausschöpfen“, sagt Möller. Die Resonanz ist groß. Rund 60 Prozent der angesprochenen Frauen können für eine Meisterausbildung gewonnen werden. Tendenz steigend. Das Projekt INa, das vom Europäischen Sozialfonds noch bis 2020 gefördert wird, kommt bei den Frauen gut an.
Auch Katarina Brito hat davon profitiert. Die Friseurin steht unmittelbar vor der Meisterprüfung. Schon im September soll sie einen eigenen Herren-salon mit drei Mitarbeitern leiten, den sie von ihrem bisherigen Chef übernimmt. Der Sprung in die Selbstständigkeit kommt für sie schneller als geplant. „Aber ich habe sehr viel Unterstützung vom INa-Team erhalten“, sagt Brito. Sie sah sich herausgefordert, denn ohne ihre Initiative und einen Nachfolger wäre der traditionsreiche Herrensalon geschlossen worden. „Das wollte ich verhindern, weil wir auch eine sehr treue, langjährige Kundschaft haben“, sagt Brito. Deshalb startete sie kurzfristig ihre Meisterausbildung in Vollzeit.
Handwerkskammer kommt extra in die Schulen
Noch sind Frauen als Chefinnen im Handwerk vor allem in typischen Frauenberufen vertreten, vor allem als Friseurinnen, Kosmetikerinnen und Schneiderinnen. Die Handwerkskammer Hamburg geht deshalb in die Schulen, um vor allen auch Mädchen mit anderen Gewerken bekannt zu machen. In elf Gewerken wie Tischler-, Metall- oder Kfz-Handwerk gibt es Praxiskurse, bei denen die Schülerinnen und auch ihre männlichen Klassenkameraden ein Werkstück herstellen, das sie mit nach Hause nehmen können“, sagt von Blanc. „So lernen sie typische Arbeitsabläufe und Werkzeuge kennen, bekommen eine Vorstellung von dem Beruf.“
Doch viele Frauen kommen erst im zweiten Anlauf in das Handwerk. Jana Broxtermann wollte erst Hebamme werden. „Doch bald habe ich gemerkt, dass solche Extremsituationen mit Menschen für mich nichts sind, mir dazu die nötige Sensibilität fehlt“, sagt sie. Es folgte – noch vor der Ausbildung zur Tischlerin – eine Lehre als Raumausstatterin.
Popcorn im Karamellmantel
Maren Thobaben ist studierte Medienwissenschaftlerin. „Doch ich wollte noch einmal etwas ganz anderes machen, mit den Händen und am Ende des Tages sehen können, was ich geschaffen habe“, sagt sie. Eine Lehrstelle als Konditorin musste sie sich regelrecht erkämpfen, weil die heute 41-Jährige das typische Ausbildungsalter längst überschritten hatte. Anschließend machte sie ihren Meister und gründete ihr eigenes Unternehmen Mrs. T in Bahrenfeld. Das T steht für ihren Namen und für Tee. „Ich verwende Tee als eine Art Gewürz für verschiedene Produkte, die ich in Hamburg über rund ein Dutzend Tee- und Feinkostläden vertreibe. Das gab es bisher noch nicht“, sagt Thobaben.
So mischt sie Tomatensoße mit Rauchtee. Das ist schwarzer Tee, der geräuchert wird. Oder sie bietet Popcorn im Karamellmantel an, verfeinert mit einem speziellen chinesischen Tee. Mit diesen und anderen Produkten will sie die Zahl ihrer Geschäfte künftig deutlich erhöhen. Im Moment steht sie noch häufig selbst auf Märkten und erklärt ihr Produkt. „Denn für das Regal im Supermarkt ist es nicht geeignet“, sagt sie. Jetzt arbeitet sie an Teegebäck in Bioqualität. Die Kekse werden ihrem Namen alle Ehre machen, denn natürlich setzt sie auch hier Tee ein. „Die Begeisterung für Essen und Genuss hat mich ins Handwerk gebracht“, sagt Thobaben.
Frauen sind zwar aufgeschlossen für den Meisterbrief, doch nicht jede macht sich selbstständig. „Etwa 70 Prozent gehen danach in ein Angestelltenverhältnis, bleiben aber dem Handwerk treu“, sagt Möller. 30 Prozent machen sich selbstständig. Dieser Anteil kann künftig steigen. Denn in jedem dritten Hamburger Handwerksbetrieb ist der Inhaber 55 Jahre und älter. Damit steht in naher Zukunft die Übergabe von 5000 Betrieben an.
Und in ein eingeführtes Unternehmen einzusteigen verringert die Risiken einer Selbstständigkeit. „Frauen handeln bei einer Unternehmensgründung überlegter als Männer, insbesondere bei den Finanzen“, sagt Möller. „Und wir brauchen im Hamburger Handwerk noch mehr Frauen als Führungskräfte“, ergänzt Hamburgs Kammerpräsident Josef Katzer. „Denn Frauen setzen mit ihrem Führungsstil neue Akzente und bringen frischen Wind in die Unternehmenskultur.“
Als Raumausstatterin und Dozentin erfolgreich
Frau sein in sogenannten Männerberufen hat für Jana Broxtermann mehr Vor- als Nachteile. „Für Wohnraumgestaltung und Möblierung sind eher Frauen zuständig“, sagt sie. „Da finde ich schneller und besser einen Draht zu den Kundinnen.“ Als Frau hebe man sich im Tischlerhandwerk auch von der Masse ab. Das wecke Interesse und sei ein Wettbewerbsvorteil. Neben ihrer eigenen Kollektion baut sie Möbel nach Kundenwünschen. Ein zweites Standbein hat sie sich als Dozentin erschlossen. „Ich vermittle Menschen, die gerne mit Holz arbeiten wollen, das Basiswissen des Tischlerhandwerks.“ (unter www.von-frauenhand.de) Die Workshops bringen ihr aber auch neue Kunden. Denn oft genug kann sie ihre Lehrgangsteilnehmer von ihrer Kompetenz überzeugen.