Hamburg. Kultursenator Carsten Brosdathematisiert in seiner Rede den Echo-Skandal – und die daraus resultierende Absage des Echo Jazz.
Pulsierender Jazzfunk, der direkt in die Blutbahn geht und einfach glücklich macht: Es war noch Vormittag, als das diesjährige Elbjazz Festival inoffiziell eröffnet wurde: mit einem knapp halbstündigen Auftritt von Bassistin Kinga Glyk (21) in der Redaktion des Hamburger Abendblatts. Am heutigen Freitag (17 Uhr) spielt die polnische Newcomerin mit Band auf der Hauptbühne bei Blohm + Voss – und dürfte dort ebenso für Begeisterung sorgen.
Der eigentliche Start des Festivals fand dann am frühen Abend in der Elbphilharmonie statt. Doch davor lag noch das Konzert des Andromeda Mega Express Orchestras im Großen Saal. Ein fantastisches, 18-köpfiges Ensemble aus Berlin, das furios Bigband-Jazz mit klassischen Elementen (einmal schien gar Chatschaturjans „Säbeltanz“ durch) und afrikanischen oder brasilianischen Rhythmen mischt. Was bisweilen wie organisiertes Chaos klingt, ist vor allem das: organisiert. Die Musiker spielten vom Blatt und wurden nach ihrem knapp 70-minütigen Auftritt frenetisch bejubelt. Welch überragender Auftakt!
Nach Skandal Verleihung des Jazz-Echo abgesagt
Danach war es an Kultursenator Carsten Brosda (SPD) im Kleinen Saal, das Elbjazz auch höchstoffiziell zu eröffnen. Seiner auf Englisch gehaltenen Rede („Dann fühlen wir uns internationaler…“) stellte er ein Zitat des italienischen Jazztrompeters Enrico Rava voran: „Das Schöne an Musik und an Jazz im Besondern: Es ist die perfekte Demokratie, wenn es funktioniert.“
Rücksichtsloser Egoismus, so Brosda, schade der Musik ebenso wie der Gesellschaft. Und wenn auch die ethischen Übereinstimmungen der freiheitlichen Demokratie infrage gestellt würden, gelte es wachsam zu sein. In Bezug auf den Skandal um die Echo-Vergabe an die Rapper Farid Bang und Kollegah fügte Brosda hinzu, die Kunst sei zwar grundsätzlich frei, doch „wer seine Freiheit nutzt, um Angst und Demütigung zu verbreiten, stellt unseren demokratischen Konsens radikal infrage.“ Bedauerlich sei nur, dass nach dem Skandal die geplante Verleihung des Echo Jazz innerhalb des Elbjazz abgesagt wurde.
Branche arbeite mit Hochdruck an neuem Preis
Von einer Jury ausgewählten Preisträgern bleibe nun ihr verdienter großer Moment vorenthalten. Einige, die eigentlich geehrt werden sollten, darunter Kinga Glyk und Pianist Omer Klein, der mit seinem Trio ebenfalls heute zu hören ist, gingen also unverdient leer aus. Wie Bernd Dopp, Chairman und CEO Warner Music Central Europe, am Rande berichtete, wird hinter den Kulissen aber schon mit Hochdruck an einem neuen Preis gearbeitet.
„Elbjazz ist die schönste Open-Air-Veranstaltung, die Hamburg zu bieten hat, sagte Brosda und fand viele lobende Worte für die Ideengeber Tina Heine und Nina Sauer, sowie die heutigen Organisatoren, die in diesem Jahr vermutlich sogar die bisherige Rekordbesucherzahl aus dem Vorjahr – 19.000 an zwei Tagen – übertreffen dürften.
Dabei hilft natürlich auch das Sommerfeeling: Von Hamburger „Schietwetter“, das, so erinnerte Brosda, in der Vergangenheit auch dem Elbjazz schon übel mitgespielt hat, keine Spur. Wenn das Festival auf dem Blohm+Voss-Gelände heute durchstartet, könnte es bei prognostizierten Temperaturen von mehr als 30 Grad eher zu sommerlich werden.
Elbjazz Festival 1./2.6., Karten ab 55,- bei Blohm+Voss und an der Elbphilharmonie
Kinga Glyk: Konzertmitschnitt und Interview gibt es hier.