Hamburg. Hamburger Konzertveranstalter Folkert Koopmans spricht über die Konkurrenz von Hurricane, Deichbrand oder Wacken sowie neue Konzepte.
Folkert Koopmans ist einer der erfolgreichsten deutschen Konzertveranstalter und Festivalmacher. Mehr als ein Dutzend Festivals – darunter Hurricane, A Summer’s Tale und Elbjazz – und jährlich etwa 1000 Konzerte veranstaltet er mit seiner in Hamburg ansässigen Firma FKP Scorpio. Im Interview erzählt er, warum der Festival-Boom vorbei ist und dass Superstars wie Metallica oder Ed Sheeran als Headliner nicht mehr finanzierbar sind.
Festivals haben in den vergangenen Jahren geboomt und waren blitzschnell ausverkauft. In diesem Jahr gibt es jedoch noch viele Karten für das Hurricane, für Rock am Ring und für Wacken. Was sind die Gründe?
Folkert Koopmans: Durch extreme Wetterlagen haben wir zwei schlechte Jahre gehabt, was sich jetzt negativ auswirkt. Wir haben das Unwetter vor zwei Jahren beim Hurricane ganz gut gehändelt, als einen Tag lang nicht gespielt werden konnte. Beim ersten Mal fanden die Leute diese Ausnahmesituation vielleicht noch ganz lustig, aber als im vergangenen Jahr am Donnerstag schon alles wegwehte, hat sicher manch einer gedacht: Noch mal tue ich mir das nicht an. Es ist schwer, diese Leute zurückzugewinnen.
Hängt das abnehmende Interesse auch damit zusammen, dass Rockmusik nicht mehr so angesagt ist?
Koopmans: Wenn man sich die Charts ansieht entsteht dieser Eindruck. Dort rangiert viel Pop, Electro und Hip-Hop auf den vorderen Plätzen, was wir beim Hurricane nicht so abbilden. Headliner, die wir gern hätten, können wir uns zudem nicht mehr leisten. Eminem, Foo Fighters und Ed Sheeran geben demnächst Open-Air-Konzerte vor 60.000 bis 80.000 Zuschauern. Alle drei sprengen unser Gagenbudget.
In diesem Jahr stehen beim Hurricane die Arctic Monkeys und Arcade Fire auf dem Hurricane-Plakat ganz oben ...
Koopmans: Viele Leute denken, dass Arcade Fire und Arctic Monkeys kleine Bands sind. Sind sie aber nicht. Für diese Headliner zahlen wir Gagen im siebenstelligen Bereich. Wenn wir Metallica, Eminem und die Foo Fighters buchen würden, müssten wir 300 Euro für ein Ticket nehmen.
Was kosten die Tickets in diesem Jahr?
Koopmans: Das All-in-Ticket inklusive Camping und Bahnfahrt kostet 199 Euro. Mit diesem Eintrittspreis sind wir in Deutschland an der Schmerzgrenze angelangt. Wir mussten erhöhen, weil die Gagen, die Kosten für Sicherheit und eigentlich auch alle anderen Kosten überproportional gestiegen sind. Möglicherweise sind knapp 200 Euro für einen Teil des Publikums zu viel.
Hat die Angst vor Terror zu den erhöhten Kosten für Sicherheit geführt?
Koopmans: Nein. Das entscheidende Ereignis war die Love-Parade-Katastrophe 2010 in Duisburg. Vor Duisburg haben wir Auflagenbescheide mit einem Umfang von drei bis zehn Seiten bekommen, mittlerweile sind das ganze Bücher und wir müssen Bauanträge stellen. Das hat natürlich alles seine Richtigkeit, aber es führt dazu, dass ein Produktionsteam von zwölf Leuten das ganze Jahr so ein Festival vorbereitet. Als wir 1997 begonnen haben, waren das zwei Leute. Außerdem kosten gute Security-Firmen mehr Geld. Man kann nicht mehr einzelne Leute ranholen und die bekommen dann zehn Euro pro Stunde, das funktioniert nicht mehr.
Gibt es inzwischen zu viele Festivals?
Koopmans: In Deutschland dürfte der Markt gesättigt sein, was große Festivals angeht. Deichbrand und Hurricane haben bisher gut nebeneinander gelebt. In diesem Jahr merken wir die Konkurrenz zum ersten Mal. Jedes Event, das es gibt, nimmt uns natürlich etwas weg.
Wie war das 1997, als das erste Hurricane-Festival in Scheeßel veranstaltet wurde?
Koopmans: Da gab es im Norden fast gar nichts. Das Jübek Open Air ging 1997 zum letzten Mal über die Bühne, Wacken war noch eine Heavy-Metal-Party. Die großen Festivals damals waren Rock am Ring, Rock im Park und Bizarre im Süden und im Westen Deutschlands.
Wann sind die Konkurrenten aufgewacht?
Koopmans: Vor zehn bis zwölf Jahren. Viele kleine Festivals haben nicht überlebt wie Omas Teich in Ostfriesland. Das Deichbrand in Cuxhaven hat sich mit unserer Hilfe entwickelt und ist zu einem 50.000er-Festival geworden. Und auch Wacken ist aus seiner Nische rausgekommen und immer größer geworden.
Haben Sie eine Erklärung für den grundsätzlichen Boom der Festivals?
Koopmans: Sie sind wieder salonfähig geworden, was sie lange nicht waren. Niemand wollte langhaarige Kiffer. Diese Ansicht war vor 20 Jahren noch weit verbreitet. Festivalbesuche gehören heute hingegen zum guten Ton. Ein Beispiel ist das Coachella-Festival in den USA. Ganz viele Promis gehen dort hin, um sich zu zeigen. Sehen und gesehen werden ist wichtiger als die Musik.
Wie sieht die Besucherstruktur beim Hurricane aus?
Koopmans: Sie hängt vom Programm ab. Wenn man zum Beispiel The Cure und Nick Cave verpflichten kann, kommt eine etwas ältere Fraktion. Aber das Hurricane ist oft auch das erste Festival, zu dem 17- bis 18-Jährige gehen. Wir haben jetzt ein paar geburtenschwache Jahrgänge. Das wirkt sich ebenfalls auf die Zuschauerentwicklung aus.
Auch wenn die Altersstruktur sehr heterogen ist, fällt auf, dass es kaum Besucher mit sogenanntem Migrationshintergrund gibt.
Koopmans: Diese Gruppe haben wir noch nicht geknackt. Das wird noch eine Generation dauern. In anderen europäischen Ländern ist es ähnlich. Selbst in einer multikulturellen Stadt wie Amsterdam gibt es bei Rockfestivals fast nur weißes Publikum.
Wie viele Zuschauer erwarten Sie in diesem Jahr beim Hurricane?
Koopmans: Wir werden irgendwo bei 60.000 Besuchern landen. Das Southside bewegt sich in Richtung ausverkauft. Zum ersten Mal gibt es beim Hurricane wieder Tageskarten. Das große Interesse daran hat vielleicht mit dem Wetter zu tun. Festival ja, aber ohne Camping. Regen haben wir oft gehabt, aber diese heftigen Wetterumschwünge sind erst in den letzten Jahren aufgetreten.
Sie veranstalten außer Hurricane/Southside noch eine Reihe weiterer Festivals. Welche Zielgruppen haben Sie im Auge?
Koopmans: Beim Summer’s Tale wollen wir Menschen ansprechen, die nicht nur an Musik, sondern auch an Kultur- und Outdoor-Erlebnissen interessiert sind und zwar generationenübergreifend. Das Konzept wird gut angenommen, aber wir brauchen einen langen Atem, bis sich das Festival rechnet. Bisher machen wir Verlust. In diesem Jahr haben wir ein Musikticket für 49 Euro eingeführt. Damit kann man ab 18 Uhr aufs Gelände und das Musikprogramm und die besondere Atmosphäre genießen, aber nicht an Workshops teilnehmen. Auch unsere Weekender in Weißenhäuser Strand, die sich an ein Nischenpublikum wenden, sind ausverkauft.
Gibt es Ideen für ganz neue Formate?
Koopmans: Ideen haben wir immer, aber konkrete Planungen laufen nicht. Wir denken aber über ein Stadtfestival nach, wie wir es in Aarhus mit dem Northside veranstalten. Auch in Göteburg gibt es mit dem Way Out West etwas Ähnliches in einem Park. Es sind Festivals, die kein Camping anbieten. Der Stadtpark wäre prädestiniert dafür, wie man beim Rolling-Stones-Konzert sehen konnte.
Sind die Trabrennbahn in Bahrenfeld, wo Sie ja in diesem Jahr die Foo Fighters und Ed Sheeran veranstalten, oder die Galopprennbahn in Horn aus Ihrer Sicht denkbare Alternativen?
Koopmans: Die Trabrennbahn wird in Zukunft bebaut. Wir erhalten dort nur Verträge mit einjähriger Verlängerung. Für ein großes Festival braucht man langjährige Planungssicherheit. Die Rennbahn in Horn eignet sich wegen der dortigen Lärmschutzauflagen nicht.
Wie sieht die Zukunft der großen Rockfestivals aus? Wird es sie in zehn Jahren noch geben?
Koopmans: Ja, es wird sicher in zehn Jahren auch noch große Festivals geben. Aber die Festivals müssen sich qualitativ entwickeln, sich inhaltlich neu erfinden und nicht nur über das Line-up, also bekannte Künstler, Karten verkaufen.