Hamburg/Sylt. Wer auf die Insel möchte, muss in Elmshorn umsteigen. Reparaturarbeiten sind kompliziert und langwierig. Auf Sylt wächst die Wut.

Am Bahnhof Altona regierte am Montagmorgen das Chaos. Gleich mehrere Schulklassen waren dort auf dem Weg nach Sylt gestrandet. Noch bis zum Morgen hatte die Bahn kommuniziert, nur der planmäßige Zug um 10.10 Uhr könne aufgrund der „Großstörung“ zwischen Altona und Westerland nicht fahren. Am Bahnhof sah die Welt für die Schüler und ihre Lehrer dann anders aus – nicht ein einziger Zug verkehrte auf der Strecke.

Leitartikel: Das Sylt-Desaster

Die eine Verbindung begann in Elmshorn, die andere in Itzehoe. Sämtliche Reisende mussten mit der S-Bahn zum Dammtor oder Hauptbahnhof weiterreisen, um dann einen der überfüllten Züge zu besteigen. Zugleich hieß das für die Schulklassen: umsteigen etwa in Elmshorn und Itzehoe und lange Verspätungen. „Ich habe gestern stundenlang mit der Bahn telefoniert – keiner konnte helfen“, sagte eine Lehrerin verärgert. Der Ärger wird bleiben, denn vorerst wird es keine Zugverbindungen von Altona nach Westerland beziehungsweise umgekehrt geben.

Wer nach Sylt will, muss nach Elmshorn kommen

„Die Züge noch weiter bis nach Altona fahren zu lassen würde angesichts der ohnehin bestehenden Verspätungen zu lange dauern“, sagte Bahnsprecher Egbert Meyer-Lovis. Um wenigstens ein bisschen Zeit zu gewinnen, würden die Bahnen erst einmal nur stündlich von Elmshorn nach Westerland und direkt wieder zurückfahren.

Bei der Abfertigung der Auto-Züge kam es am Wochenende zu Wartezeiten von bis zu vier Stunden
Bei der Abfertigung der Auto-Züge kam es am Wochenende zu Wartezeiten von bis zu vier Stunden © dpa | Volker Frentzel

Um nach Elmshorn zu gelangen, können Reisende vom Bahnhof Dammtor oder vom Hauptbahnhof den Regional-Express Richtung Kiel oder Flensburg nehmen oder von Altona mit der Nordbahn nach Itzehoe fahren und dort umsteigen. Dasselbe gilt natürlich auch für den Rückweg. Von Westerland in Richtung Hamburg fielen am Montag sieben Verbindungen aus, von Niebüll fünf. Hinzu kamen Verspätungen von 30 bis 50 Minuten. Nur die Autozüge zwischen Westerland und Niebüll verkehrten laut Meyer-Lovis planmäßig.

In den kommenden Tagen wird sich an dieser Lage nichts ändern. Für Dienstag wurden 13 Züge gestrichen. Auf der Internetseite der Deutschen Bahn (bahn.de/aktuell) können Sie sich über Verspätungen und Zugausfälle informieren.

Reparaturen können nur nachts erfolgen

Wie lange Elmshorn darüber hinaus der zentrale Umsteigebahnhof für Sylt-Reisende und Pendler bleibt, ist unklar. „Das wird jeden Tag neu geplant“, sagte Meyer-Lovis dem Abendblatt. Die Arbeiten an den Schienen, an denen Haarrisse festgestellt wurden und die deshalb abgeschliffen und zum Teil ausgetauscht werden müssen, werden aber wohl bis Dienstag oder Mittwoch kommender Woche dauern.

Der angekündigte Zug nach Westerland fuhr überraschend doch nicht: Hunderte Schüler strandeten in Altona
Der angekündigte Zug nach Westerland fuhr überraschend doch nicht: Hunderte Schüler strandeten in Altona © HA

Die Reparaturen sind kompliziert, weil sie nur nachts erfolgen können – sonst müsste die Strecke komplett gesperrt werden. Zwischen Niebüll und Westerland sollen heute alle Schienen wieder in Ordnung sein, dann geht es Richtung Süden weiter. Und zwar noch weiter, als am Wochenende verkündet wurde. Nicht nur auf der Strecke bis Bredstedt sind Haarrisse aufgetaucht, die Schäden reichen bis Höhe Lunden/Eiderbrücke. Die Züge dürfen an den schadhaften Stellen höchstens Tempo 20 fahren.

Schienenschäden nicht das einzige Problem

Die aktuellen Behinderungen reihen sich ein in eine ganze Liste von Problemen auf der stark frequentierten Bahnstrecke – angefangen bei Kupplungsproblemen über heiß gelaufene Dieselmotoren in den Loks, Ausfälle durch Baustellen und Engpässe auf dem Hindenburgdamm bis zu den derzeitigen Gleisschäden.

Und das ist aktuell noch gar nicht alles: Der Bahn mache zudem ein Softwareproblem zu schaffen, sodass längere Züge nicht gekoppelt werden könnten. Viele Züge führen mit vier oder sechs statt etwa mit zehn Wagen, so Meyer-Lovis. „Wir sind uns bewusst, dass die aktuellen Leistungen nicht unseren Qualitätsansprüchen und denen unserer Kunden auf der Strecke entsprechen.“

Sylts Bürgermeister: „desaströse Zustände“

Die Probleme auf der Marschbahn bestehen laut Nikolas Häckel, dem Bürgermeisters der Gemeinde Sylt, seit Übernahme der Strecke durch DB Regio Nord Ende 2016. Nicht nur der Tourismus werde dadurch „kaputt“ gemacht, auch der Verlust von Fachkräften drohe. „Täglich kommen 4500 Pendler nach Sylt, die ihren Lebensrhythmus völlig nach der Bahn und ihren Pannen ausrichten müssen“, sagte Häckel. „Das geht auf Dauer nicht.“

„Seit Jahren fordern wir, dass die bisher eingleisige Strecke zwischen dem Festland und Sylt zweigleisig ausgebaut wird, doch im Bundesverkehrswegeplan ist unsere Lebensader weiterhin ohne Priorität eingestuft“, so Häckel. Sylt biete Touristen ein großartiges Urlaubserlebnis, „die An- und Abreise ist aber oft mit desaströsen Zuständen verbunden“. Die Gleisanlagen seien „völlig veraltet“.

Auch zahlreiche weitere Politiker, darunter Schleswig-Holsteins Verkehrsminister Bernd Buchholz (FDP), appellierten erneut an den Bund, den Abschnitt zwischen Niebüll und der Insel endlich auszubauen. Gemeinsam versuchen sie, in Berlin die „überfällige“ Priorisierung im Bundesverkehrswegeplan zu erreichen. „Die Marschbahn wird nur stabil laufen, wenn wir zwischen Niebüll und Westerland zweigleisig unterwegs sind“, sagte Buchholz.

Bahn-Vorstand Pofalla: Ausbau dauert Jahre

Der Kreispräsident des Kreises Nordfriesland, Heinz Maurus, sendete einen „verzweifelten Hilferuf“ an Bahn-Vorstandsmitglied Ronald Pofalla. Was sich auf der Strecke abspiele, sei ein „Skandal“, er bitte um „dringende Abhilfe und endlich ernsthafte Planung“ des Ausbaus. Pofalla antwortete, dass man vonseiten der Bahn alles tue, um den geplanten Ausbau zu beschleunigen – dennoch werde es Jahre dauern.

Auf einen Ausbau in den kommenden zwei Jahren hofft Dieter Harrsen, Landrat im Kreis Nordfriesland. „Hätten wir solche Probleme auf der Bahnstrecke nach Berlin, würde das ganz sicher auch funktionieren.“