Hamburg. Viel Andrang bei Hamburgs Bootsverleihern. Kanuten, Kajakfahrer und Stand Up Paddler teilen sich die Kanäle mit Ausflugsschiffen.

Ist es nicht viel zu heiß im Neoprenanzug? Das fragt sich das Pärchen in Shorts und T-Shirts, das mit seinem SUP (einem Stand up Paddling Board) im „Monkey Beach“ auf der Uhlenhorst angelegt hat und bei Cola und einem Alsterwasser Pause macht. Das Paar lässt die Füße ins Wasser baumeln und beobachtet den älteren Herrn im Neoprenanzug, wie er etwas unbeholfen auf seinem SUP zwischen mehreren Paddelbooten hindurchfährt. Scheinbar planlos. Und dann: platsch! Gleich­gewicht verloren, ins Wasser gefallen, zurück aufs Board gekrabbelt. War vielleicht doch keine so schlechte Idee, auch bei dem sommerlichen Wetter am Pfingstwochenende einen Neoprenanzug zu tragen. Ein bisschen frisch ist das Wasser der Alster nämlich noch.

Wasser vor der Tür, hohe Temperaturen, Sonnenschein. Was machen die Bewohner dieser Stadt dann gern? Sie gehen raus aufs Wasser. Und wenn so viele die gleiche Idee haben, wird es voll. Die Verleiher von SUPs, Kanus, Kajaks, Tret- und Paddelbooten kommen kaum hinterher, so groß ist der Andrang. Wer zu spät kommt, muss Schlange stehen.

Der Ton auf der Alster ist freundlicher als auf der Straße

Auf der Alster ist an diesem Wochenende teilweise so viel Verkehr, wie zur Rushhour auf der Kollaustraße. Aber Hamburg kann auch cool und lässig. „Das ruckelt sich schon zurecht“, ruft ein Paddler dem anderen zu, als niemand an diesem Knotenpunkt irgendwo am Goldbekkanal mehr weiß, wer nun Vorfahrt hat. Anders als auf den Straßen und Fahrradwegen, ist der Ton auf Goldbek-, Isebek- und Mühlenkamp­kanal und der Außenalster zwischen Paddelbootfahrern, Tretbootenthusiasten, Kajaknutzern, Kanuten und Suppern (Kurzform für die Leute auf den SUPs) aber ausgesprochen freundlich. Es gibt nichts zu motzen.

Selbst der Kapitän des Alsterdampfers „Eilbek“, der sich durch den engen Goldbekkanal vorbei an den vielen Freizeitpaddlern zwängt, die eng am Ufer in ihrer Position verharren, um ihn durchzulassen, nimmt das Manöver mit Humor. „Jetzt muss ich mich mal konzen­trieren“, ruft er ins Mikrofon. Könnte es doch genauso gelassen auf den Straßen zugehen! Der Unterschied zum Trubel im Straßenverkehr: Auf der Alster wollen die Leute entspannen, keiner ist hektisch, niemand hat es eilig, alle wollen Spaß haben. „Wenn alle Rücksicht nehmen, klappt es gut“, sagt Gabriele Oestmann, die mit Tochter Fiandra SUP fährt. Die beiden sind fast Profis und stehen souverän auf ihren Boards.

Viele kennen die Regeln auf der Alster nicht

Ein- bis zweimal pro Woche steht Gabriele Oestmann auf dem Brett. Weil es Spaß macht und gesund ist. „Das ist perfekt für schwaches Bindegewebe, gut für den Beckenboden und für Spreizfüße.“ Als Sportärztin weiß sie so etwas. Das Glitzern des Wassers sei außerdem Entspannung für den Kopf. Einmal aber sei ihr ein Paddler aufgefahren, sodass sie beinahe ins Wasser gefallen wäre. Da war es dann vorbei mit der Entschleunigung. Aber nur ganz kurz.

Viele Freizeitkapitäne und „Supper“ wüssten eben nicht, dass auf der Alster rechts vor links gilt, dass man rechts fahren soll und dass die Berufsschifffahrt Vorfahrt hat, sagt Andreas Cleve, erster Vorsitzender der Wassersportabteilung Sportvereinigung Polizei Hamburg am Isekai. Als Ruderer wünscht er sich, dass die Bootsverleiher ihre Kunden richtig einweisen würden und sie nicht einfach drauflosfahren ließen. Es könne schon nerven, wenn sich die Freizeitkapitäne nicht an die Regeln halten. Aber hey, was soll die Aufregung? Die Sonne scheint, es ist Sommer im Mai. „Wir freuen uns eben alle, dass Hamburg die Stadt am Wasser ist, und jeder will das Wasser vor der Tür nutzen“, sagt Andreas Cleve und springt vom Bootssteg am Isekai aus ins besagte Nass. Ohne Neopren.

Alles ist möglich, sogar ein Kopfstand auf dem Board

Spontan und ausgelassen sind die Menschen. Sie hören Musik aus mitgebrachten Boxen, trinken ein Bierchen. Oder zwei. Verhungern muss auch niemand.

Wer will, stoppt an einem der vielen Cafés oder bleibt im Boot sitzen und nutzt „Drive through“-Angebote. Das Café Canale am Mühlenkampkanal ist ein Klassiker. Hier lassen sich die Paddler ihren Cappuccino oder ihr Eis direkt aufs Wasser servieren. Oder gleich einen Hamburger ein paar Meter weiter am Steg von Peter Pane: „Burger to Boat“ nennt sich das. Ein Angebot, auf das Familie John aus Jenfeld gern zurückgreift.

Das Wasser, das Grün, der blaue Himmel – das ist zwar nicht Sri Lanka, Neuseeland oder Bali, aber für den Moment völlig okay, finden Lea Jakob und Lasse Garrelts, die regelmäßig in diese Länder zum Wellenreiten reisen. Hier und heute ist das SUP ausreichend. Meditativ und entschleunigend sei solch eine Tour über die Alster, sagt der 24-jährige Tischler, und dann macht er mal eben einen Kopfstand auf seinem Board. An Tagen wie diesen ist alles möglich.

Die Verkehrsregeln auf dem Wasser

Die wichtigsten Regeln auf der Alster für alle Wassersportler: Jeder hat sich so zu verhalten, dass niemand gefährdet wird. Erst vom Liegeplatz ablegen, wenn die übrige Schifffahrt nicht beeinträchtigt wird. Es besteht grundsätzlich Rechtsfahrgebot.

Sportfahrzeuge dürfen auf der Binnen- und Außenalster die linke Fahrwasserseite benutzen, wenn die Verkehrslage es erlaubt. Es gilt die Ausweichregel: rechts vor links. Wer auf dem Wasser ein anderes Fahrzeug überholt, ist ausweichpflichtig. Berufsschifffahrt darf durch Sportschifffahrt nicht behindert werden. Brücken sind langsam auf der rechten Seite zu durchfahren.