Hamburg. Stadt will über ein Mieter-Vermieter-Modell alle 23 staatlichen Kultureinrichtungen für 300 Millionen Euro modernisieren.

Manch einer hielt es vielleicht für einen Teil der Inszenierung, aber das war es nicht: Als es im vergangenen Herbst während einer Vorstellung im Thalia Theater plötzlich zappenduster im Saal wurde, war schlicht der Strom ausgefallen – nicht der erste Vorfall dieser Art in dem 1912 eröffneten Gebäude am Gerhart-Hauptmann-Platz.

Während dieser Abend dennoch glimpflich verlief, wäre es vier Jahre zuvor im Schauspielhaus (Baujahr 1900) beinahe zu einer Katastrophe gekommen. Im Oktober 2013 schnellte während Renovierungsarbeiten plötzlich der tonnenschwere eiserne Vorhang nach oben, die Gegengewichte sausten nach unten und durchschlugen teilweise die Bühne – auf der 45 Menschen standen und wie durch ein Wunder unverletzt blieben. Der materielle Schaden war jedoch immens, der kulturelle ebenfalls: Die neue Intendantin Karin Beier musste die offizielle Spielzeiteröffnung mit dem Mammutstück „Die Rasenden“ kurz vor der Premiere verschieben.

Fehler der Baufirma

Auslöser war zwar weniger das Alter des Vorhangs als vielmehr ein Fehler der Baufirma. Dennoch verdeutlichte der Vorfall, wozu eine Vernachlässigung der Infrastruktur führen kann. Geht es nach dem rot-grünen Senat, soll diese stiefmütterliche Behandlung der Gebäude der Vergangenheit angehören. Er hat jetzt beschlossen, die 23 öffentlichen Kultureinrichtungen der Stadt für insgesamt 300 Millionen Euro umfassend zu modernisieren. Fast noch wichtiger: Mit der Einführung des Mieter-Vermieter-Modells unter Federführung der Sprinkenhof GmbH soll auch sichergestellt werden, dass die Gebäude fortlaufend instand gehalten werden – und nicht nur dann gehandelt wird, wenn es gar nicht mehr anders geht.

Hamburg saniert seine Theater und Museen

Bislang sei im Kulturbereich teilweise ein „Immobilienmanagement à la DDR“ betrieben worden, sagte Finanzsenator Andreas Dressel (SPD) am Donnerstag. „Man stellt etwas hin und überlässt es sich selbst.“ Wenn dann etwas kaputt war, nahm Kultursenator Carsten Brosda (SPD) den Faden auf, sei oft „der Zirkel der schlechten Laune“ in Gang gesetzt worden. Da die Einrichtung natürlich keine eigenen Mittel für Reparaturen hatte, habe sie hilfesuchend bei der Kulturbehörde angeklopft.

Kulturbehörde ist nur noch Mieter

Deren Topf für Investitionen – zuletzt rund zehn Millionen Euro pro Jahr – langte aber hinten und vorne nicht für alle Häuser. Also bat die Kulturbehörde den Finanzsenator um Unterstützung. Verständnis vorausgesetzt, warb man gemeinsam im Senat für zusätzliche Mittel. Mitunter musste auch noch die Bürgerschaft zustimmen. Bis das Geld zur Verfügung stand, vergingen in der Regel Monate.

In Kürze

Künftig soll es gar nicht erst so weit kommen. Alle 23 Einrichtungen, die bislang auf diverse Eigentümer verstreut sind, werden in drei Objektgesellschaften eingebracht, die zen­tral bei der Finanzbehörde angebunden sind. Diese Zweckgesellschaften („Vermieter“) beauftragen die städtische Sprinkenhof GmbH damit, die Gebäude laufend instand zu halten, zu sanieren und zu modernisieren – die Kulturbehörde ist dann nur noch Mieter und stellt den Einrichtungen die Immobilien zur Verfügung. Mittelfristig, so Brosda, sollen diese selbst Mieter werden.

„Abgestimmtes Sanierungspaket“

In den betroffenen Einrichtungen wurde die Entscheidung des Senats überwiegend positiv beurteilt. „Wir würden es sehr begrüßen, wenn damit langfristig und kontinuierlich die Sanierung, Modernisierung und Instandhaltung des Thalia Theaters möglich wird“, sagte Thalia-Sprecherin Daniela Ro­thensee. Entscheidend für den Erfolg des Mieter-Vermieter-Modells werde einerseits sein, dass die Sprinkenhof das Theater „in seiner Gesamtheit, also inklusive aller nutzerspezifischen Bedarfe des Theaterbetriebs“ sehe und zweitens alle Arbeiten präzise abzustimmen, damit der künstlerische Betrieb nicht behindert werde: „Denn Theater findet auch am Wochenende statt, und jede Verzögerung im minutiös getakteten Tagesablauf auf der Bühne gefährdet den Vorstellungsbetrieb.“

Konkrete Maßnahmen oder den Gesamtaufwand für das Thalia konnte Ro­thensee noch nicht benennen. Es liege aber ein „abgestimmtes Sanierungspaket“ vor, das hoffentlich noch vor der Sommerpause genehmigt werde. Börries von Notz, Alleinvorstand der Stiftung Historische Museen Hamburg, sagte: „Wir als Stiftung begrüßen diese klare Aufteilung der Aufgaben sehr, da die Wünsche der Nutzer, also die unserer Museen, weiterhin im Mittelpunkt stehen. Besonders erfreulich für uns ist, dass mit dieser Aufgabenteilung auch die Finanzierung der anstehenden Sanierungsmaßnahmen gesichert scheint.“

Peter F. Raddatz ist skeptisch

Dringlich seien vor allem die grundlegende Sanierung des Altonaer Museums, die Weiterentwicklung und Sanierung der Neuen Fabrik des Museums der Arbeit und die Sanierung des Jenisch Hauses. Von Notz hat bereits Erfahrung mit dem künftigen Hausverwalter: Die Sanierung und Modernisierung des Museums für Hamburgische Geschichte (die Kosten in Höhe von 36 Millionen Euro trägt zur Hälfte der Bund) und die vollständig vom Bund finanzierten Umbaumaßnahmen am Torhaus des Museums der Arbeit werden bereits in Zusammenarbeit mit der Sprinkenhof GmbH realisiert.

Zurückhaltend beurteilte Peter F. Raddatz, kaufmännischer Geschäftsführer des Schauspielhauses, das neue Modell: „Damit ändert sich für uns zunächst nur der Ansprechpartner. Ob das gut oder schlecht ist, wird sich zeigen müssen. In jedem Fall darf das angestrebte Mieter-Vermieter-Modell nicht zu finanziellen Nachteilen für das Deutsche Schauspielhaus führen.“ Das sei aber zugesagt worden, und Kultursenator Brosda bestätigte, dass die zusätzlichen Mietzahlungen keine Sparmaßnahmen auslösen würden.

Genaue Regelung der Zuständigkeiten

Auch aus Raddatz’ Sicht ist für den Erfolg der Neuordnung „die genaue Regelung der Zuständigkeiten und Reaktionszeiten seitens des zukünftigen Vermieters“ entscheidend. In dem Haus an der Kirchenallee läuft derzeit die Sanierung der Zuschauerränge und der sanitären Anlagen – als erste Maßnahmen einer größeren Sanierung. Diese werde dann im Wesentlichen die Instandsetzung von Dach und Fach, eine Erneuerung der Gebäudetechnik, die Verbesserung des Brandschutzes und der Theatertechnik umfassen.