Hamburg. In einigen Fällen hatten spätere Brandopfer die Rauchmelder abmontiert. Insgesamt rückte die Feuerwehr zu fast 290.000 Einsätzen aus.
Der Brand an der Werderstraße in Harvestehude gehörte zu jenen Einsätzen, die selbst erfahrene Feuerwehrleute an ihre Grenzen bringen. An einem Fenster der brennenden Stadtvilla steht am 12. März ein 17 Jahre altes Mädchen, plötzlich bricht es zusammen. Feuerwehrleute eilen ihr per Drehleiter zur Hilfe, schlagen das Fenster ein und retten die Jugendliche – doch sie schafft es nicht. Wenige Stunden später erliegt sie im Krankenhaus ihrer schweren Rauchgasvergiftung. Ein abschließendes Gutachten zur Brandursache liegt noch nicht vor.
Die 17-Jährige ist eine von bereits neun Brandtoten im laufenden Jahr – zwölf waren es im gesamten Vorjahr, sagte Oberbranddirektor Klaus Maurer bei der Vorstellung des Jahresberichts am Mittwoch.
Rauchmelder retteten schon hunderte Leben
Die Ursachen für den schlimmen Verlauf der Brände würden sorgfältig analysiert. Hinweise auf ein „systemisches Problem“ gebe es aber nicht, so sei die Hilfsfrist von maximal acht Minuten von der Alarmierung bis zum Eintreffen des ersten Einsatzzuges in allen neun tragischen Fällen eingehalten worden.
Allerdings gebe es Hinweise, dass Alkohol- und Drogenmissbrauch eine Rolle spielten. Teils seien auch Rauchmelder in den Wohnungen abmontiert oder abgeklebt worden. Deren Funktion könne nicht oft genug betont werden – sie hätten schon hunderten Hamburgern das Leben gerettet, sagte der Feuerwehrchef.
Mehr Brandtote und -verletzte, Schutzziel verfehlt
Während die Zahl der Großbrände mit 22 nahezu unverändert blieb (2016: 21), stieg die Zahl der Brandtoten von zehn auf zwölf, zudem gab es 334 Brandverletzte, elf weniger als 2016. Insgesamt rückte die Hamburger Feuerwehr zu 11.178 Brandeinsätzen aus, etwa die Hälfte davon waren Fehlalarme. Ihr selbstgestecktes Ziel, die Hilfsfrist von acht Minuten in 85 Prozent der Einsätze einzuhalten, hat die Feuerwehr aber erneut krachend verfehlt.
Das sogenannte Schutzziel konnte in nur 69,4 Prozent der Einsätze eingehalten werden – noch einmal 0,2 Prozent weniger als im Jahr davor. „Wir gehen davon aus, dass mit dem Personalaufwuchs hier Verbesserungen eingeleitet werden“, so Maurer.
Drei Stürme sorgten für mehr als 3000 Einsätze
Ohnehin hat die Feuerwehr alle Hände voll zu tun. Zwar ging die Zahl der Rettungsdiensteinsätze leicht um etwa 500 auf 253.801 zurück. Doch die Gesamteinsatzzahl stieg einmal mehr – um 0,7 Prozent auf 288.514 Einsätze. Ursache für diesen Anstieg seien insbesondere die drei heftigen Stürmen Sebastian, Xavier und Herwart, der in nur 40 Minuten eine „Schneise der Verwüstung“ durch die Stadt geschlagen habe.
Schäden nach Sturm "Herwart" im Norden
Allein wegen dieser Unwetter rückte die Feuerwehr zu mehr als 3000 Hilfeleistungen aus. Straßen standen unter Wasser, Bäume waren auf Gleise und Häuser gestürzt, etliche Menschen in ihren Autos eingeklemmt. Herausfordernd auch die Lage beim G-20-Gipfel im Juli 2017 – mit 461 Rettungseinsätzen habe der Gipfel der Feuerwehr den größten geplanten Einsatz der Nachkriegsgeschichte gebracht, so Maurer.
Es mangelt an Feuerwehrfrauen in Hamburg
Während die Einsatzzahlen gestiegen sind, geht es für die Feuerwehr auch personell nach oben. Innensenator Andy Grote (SPD) hatte vor zwei Jahren angekündigt, dass die Feuerwehr bis 2021 von 228 zusätzlichen Feuerwehrleuten verstärkt werden soll. Im vergangenen Jahr stieg die Zahl der Beschäftigten bereits um 95. „Ein erfreuliches Plus“, sagte Grote am Mittwoch. „In den kommenden Jahren wird die Feuerwehr deutlich weiterwachsen.“
Allerdings hat sie ein Problem: Es mangelt an Feuerwehrfrauen, da komme kaum etwas nach. Unter den aktuell 144 Anwärtern für den mittleren Dienst ist nur eine Frau. Von den 2751 Beschäftigten im feuerwehrtechnischen Dienst sind gerade einmal 87 weiblich.
Immerhin kommt die Freiwillige Feuerwehr mit 206 Frauen auf 2630 Ehrenamtliche auf eine Quote von fast zehn Prozent. „Wir müssen uns da intensiv bemühen, noch stärker um Frauen werben, das ist ein mühsames Geschäft“, räumte Maurer ein. „Aber es gibt keinen Grund, warum Frauen diesen Beruf nicht ausüben könnten. Im Gegenteil.“
Neue Wache zur Erfüllung des Personalziels
Zudem wird sich das Personalziel von mehr als 200 zusätzlichen Feuerwehrleuten wohl nur realisieren lassen, wenn die Feuerwache Schnelsen mit geplant mehr als 120 Beschäftigten gebaut wird. Seit Jahren wird um den Standort für die wichtige Wache gerungen. Wie Grote sagte, favorisiere die Innenbehörde nun das „Autobahnohr“ an der Ausfahrt Schnelsen in Richtung Norden für den Neubau. Das Problem: Dort ist erst vor einem Jahr für rund 1,2 Millionen Euro eine „Enteisenungsanlage“ gebaut worden, bezahlt hat sie der Bund. Das Grundwasser im Baustellenbereich der A7 wird abgepumpt, in der Anlage vom Eisen befreit und gereinigt auf die umliegenden Flächen verteilt.
Wenn der Schnelsener Tunnel fertig ist, soll sie das belastete Grundwasser auch aus diesem Bereich aufbereiten. Wie es aus der Innenbehörde hieß, gebe es zwar noch Gespräche mit dem Bund – aber es laufe wohl alles darauf hinaus, dass die Anlage zurückgebaut und kostenintensiv (teil-)verlegt werden müsse.