Jenfeld. Mehrfamilienhaus in Flammen: Zwölf Bewohner und Feuerwehrmann schwer verletzt. Eine Frau kämpft noch um ihr Leben. Im gesamten Vorjahr waren es zwölf Todesopfer

Als das Feuer ausbricht, schlummern die meisten Bewohner noch. Doch gegen 5 Uhr ist es mit der Ruhe vorbei: Die Mieter des Saga-Hauses an der Stemwarder Straße werden jäh aus dem Schlaf gerissen – das ohrenbetäubende Piepen der Rauchmelder ist noch in weiter Entfernung zu hören.

Zeit zum Umziehen bleibt den Bewohnern nicht. Sie rufen laut um Hilfe, rennen auf die Balkone und zu den Fenstern des dreigeschossigen Mietshauses in Jenfeld. Die meisten tragen noch ihre Schlafbekleidung, ein Mann trägt nur eine Unterhose am Leib. Während drinnen die Flammen wüten, herrschen draußen eisige Temperaturen um zwei Grad. Ein 52-jähriger Mann schafft es nicht mehr – er bricht im völlig verqualmten Treppenhaus zusammen. In einer Wohnung im ersten Obergeschoss verliert eine Frau das Bewusstsein.

Kurz zuvor war das Feuer aus bislang ungeklärter Ursache in einer Erdgeschosswohnung ausgebrochen. Als die ersten Feuerwehrleute eintrafen, stand die Wohnung schon in Flammen. Der Brand griff bereits auf den ersten Stock über. Ohne zu zögern erhöhten die Retter deshalb die Alarmstufe. Bis zu 82 Feuerwehrleute waren im Einsatz.

52-Jähriger erliegt in Klinik seinen Verletzungen

Während sich der Verkehr auf der teilweise gesperrten Jenfelder Allee staute, spielten sich in und vor dem Haus dramatische Szenen ab. Feuerwehrleute brachten die Mieter von den Balkonen und den Fenstern über tragbare Leitern in Sicherheit. Gleichzeitig kämpften sich mehrere Trupps unter Atemschutz ins Gebäude vor. Im verrauchten Treppenhaus entdeckten sie den bewusstlosen Mann, brachten ihn ins Freie. Obgleich der 52-Jährige noch vor der Haustür wiederbelebt wurde, kam für ihn jede Hilfe zu spät. Er starb kurz darauf im Krankenhaus. Die kollabierte Bewohnerin aus dem ersten Geschoss musste ebenfalls reanimiert werden – sie kämpft weiter um ihr Leben.

Den übrigen Bewohnern streiften die Feuerwehrleute sogenannte Fluchthauben über, damit sie keine Rauchvergiftung erleiden, und geleiteten sie zu den Rettungswagen, später wurden sie im Großraumrettungswagen versorgt. Ein Rollstuhlfahrer wurde in einem Tuch nach draußen getragen. „Aufgrund der Vielzahl an betroffenen und verletzten Personen wurde die Notfallstufe Massenanfall von Verletzten zusätzlich ausgelöst, wodurch ein Großaufgebot an Rettungsdienstkräfte bereitgestellt wird“, sagte Feuerwehrsprecher Jan Ole Unger. Insgesamt seien zwölf Bewohner verletzt worden, einer von ihnen lebensgefährlich, drei schwer und acht leicht. Ein Feuerwehrmann, der während des Einsatzes mit dem Fuß umknickte, sei ebenfalls ins Krankenhaus transportiert worden.

Die Feuerwehr hatte den Brand nach dreieinhalb Stunden gelöscht – doch die neun Wohnungen in dem Gebäude sind nach Angaben der Saga nicht mehr bewohnbar. Die Hauswände sind rußgeschwärzt, die Balkone verkohlt. Noch am selben Tag inspizierten Brandermittler der Polizei die Ruine. Um die Brandursache zu ermitteln, setzten sie auch einen 3-D-Scanner und Spürhunde ein.

Offenbar hatte sich der Brand in der Erdgeschosswohnung am Mittwoch rasant ausgebreitet. Dort, wie in allen anderen Wohnungen in dem Gebäude, seien Rauchmelder installiert, teilte die Saga mit – die Geräte sind ohnehin seit 2011 in Hamburg Pflicht. Experten gehen davon aus, dass sich durch den massenhaften Einbau der Melder die Zahl der Brandtoten in den vergangenen 20 Jahren deutschlandweit auf rund 400 fast halbiert hat.

Zwar lösen die Rauchmelder Alarm aus, sobald sich Rauchpartikel in der Zimmerluft befinden. Auch braucht die Hamburger Feuerwehr in der Regel nur maximal acht Minuten bis zum Brandort. Doch Flammen und Rauchgase breiten sich mitunter derart schnell aus, dass Wohnungen selbst bei zeitigem Eintreffen der Retter bereits lichterloh in Flammen stehen – je nachdem, welche Materialien brennen und wie die räumlichen Gegebenheiten sind. So können beispielsweise Luftschächte einen sogenannten Kamineffekt begünstigen.

Mit dem jüngsten Todesopfer an der Stemwarder Straße sind seit Jahres­beginn schon mindestens sieben Menschen bei Bränden in Hamburg ums Leben gekommen. Sie starben – meist durch Rauchgasvergiftungen – bei Wohnungsbränden an der Bernstorffstraße, am Krönenbarg, an der Culinstraße, an der Werderstraße, der Tralauer Kehre und dem Langenfelder Damm. Hinzu kommen mindestens drei weitere Menschen, die nicht unmittelbar durch das Feuer oder den Rauch ums Leben kamen, sondern vermutlich infolge Krankheit, Drogenmissbrauchs oder Suizids. Zum Vergleich: Im gesamten Jahr 2017 gab es zwölf Brandtote in Hamburg. Jedes Jahr gehen bei der Feuerwehr rund 11.000 Brandmeldungen ein – nur etwa 15 bis 25 von ihnen sind Großbrände.

Und was passiert mit den nun wohnungslosen Mietern? Die Saga verspricht ihnen schnelle Hilfe. „Wir kümmern uns intensiv um die Unterbringung in Hotels und gegebenenfalls auch die Umquartierung in andere Saga-Wohnungen“, teilt das Unternehmen auf Anfrage mit. Man nehme Anteil am Schicksal der Betroffenen. „Der Brand mit Todesfolge eines unserer Wohnhäuser an der Stemwarder Straße in Jenfeld macht uns sehr betroffen. Den Angehörigen der Opfer und Verletzten gilt unser tiefes Mitgefühl.“