Hamburg. Erstmals in der Geschichte der Optikerkette darf der Sohn von Günther Fielmann die Bilanz vortragen. An der Börse kommt das gut an.
„Es gibt Positives zu berichten.“ Günther Fielmann eröffnete die jährliche Bilanzpressekonferenz von Deutschlands größter Optikerkette in gewohnter Weise. Dann übergab er allerdings das Mikrofon an seinen Sohn Marc, überließ es erstmals dem 28-Jährigen, die Details vorzutragen. Mit nahezu unbewegter Miene, die Augen auf die Präsentation von Umsatzkursen und Filialeröffnungen gerichtet, saß der Mann daneben, der die Branche einst mit seinem „Brillenchic zum Nulltarif“ revolutioniert hatte. Einmal, während der Einspielung eines Werbevideos, beugte der Vater sich zu seinem Sohn, lächelte anerkennend und flüsterte ihm etwas zu.
Günther Fielmann ist 78 Jahre alt. Vor zwei Wochen hat der Aufsichtsrat Marc Fielmann neben seinem Vater zum Vorstandsvorsitzenden berufen. Ein medialer Paukenschlag. Obwohl die Nachfolge schon lange ein Thema in dem MDAX-Konzern ist. Immer wieder gab es Spekulationen über den Gesundheitszustand des Firmenpatriarchen und Mehrheitsaktionärs. „Mir geht es meinem Alter entsprechend gut, ich komme meinen Aufgaben als Vorstandsvorsitzender vollumfänglich nach“, sagte er dem Abendblatt.
Senior für Kollektion verantwortlich
„Heute bin ich nicht mehr wie früher bis tief in die Nacht im Unternehmen, das macht jetzt mein Sohn. Aber die Kollektion bestimme ich immer noch komplett selbst.“ Der Senior, der seinen Vorstandsvertrag erst im vergangenen Jahr bis 2020 verlängert hatte, ist für die Grundsatzentscheidungen zuständig, der Junior für das operative Geschäft – so lautet die offizielle Sprachreglung. Die Frage, wie sein persönlicher Zeitplan für die Zukunft aussehe, beantwortete Fielmann senior ausweichend. „Das werden wir zu gegebener Zeit mitteilen.“
Marc Fielmann, groß, moderne Brille, verbindliches Lächeln, ist in den vergangenen Jahren sichtbar in seine Rolle als Chef eines milliardenschweren Unternehmens mit 724 Filialen und knapp 18.400 Mitarbeitern gewachsen. So wie Vater und Sohn an diesem Tag nebeneinander sitzen, beide im Businesszwirn und mit farblich passenden Krawatten, ahnt man zum ersten Mal, dass sich in der Arbeitsteilung etwas ändert. „Alle wichtigen Entscheidungen treffen wir zusammen“, sagt der Junior. Ernsthaft gestritten hätten sie sich noch nie. Und als es um das Jahresgehalt an der Firmenspitze geht, immerhin 4,9 Millionen Euro (Vater) und 1,1 Millionen Euro (Sohn) kontert er: „Die Gesamtsumme wird sich nicht verändern. Mein Vater und ich legen zusammen.“
Expansion in Italien
Die Zahlen, die Marc Fielmann bei der Bilanzvorlage ohne Versprecher abspult, können sich sehen lassen. Zum 13. Mal in Folge steigerte Fielmann Absatz (8,11 Millionen Brillen), Umsatz (1,39 Milliarden Euro), Gewinn (172,9 Millionen Euro) und Dividende (1,85 Euro). „Wir wachsen dynamisch, haben riskante Übernahmen vermieden und sind praktisch schuldenfrei“, sagt Marc Fielmann, der zwei Jahre lang im Vorstand für Marketing zuständig war. Der studierte Wirtschaftswissenschaftler treibt auch maßgeblich die Expansion in Italien voran. Zwölf Niederlassungen haben die Hamburger dort eröffnet, bis zum Jahresende sollen weitere sechs dazukommen. Auch im deutschsprachigen Raum expandiert die Kette. Neun neue Filialen kamen 2017 dazu. Der Schwerpunkt liegt weiter bei Um- und Neubauten an bestehenden Standorten. Davon verspricht sich das Unternehmen, das jede zweite Brille in Deutschland verkauft, weitere Umsatzzuwächse. So wurden in Lübeck am ersten Tag nach dem Umzug in ein sogenanntes Supercenter 795 Brillen verkauft.
Mit der Erweiterung der Verkaufsflächen will das Unternehmen auch einem echten Ärgernis vieler Fielmann-Kunden begegnen: langen Wartezeiten beim Brillenkauf. Unter anderem sollen die besonders stark frequentierten Hamburger Filialen in der Mönckebergstraße und in Ottensen umgebaut werden. Auf die Frage nach einem Online-Angebot für Brillen sagte Marc Fielmann: „Das wird erst so weit sein, wenn wir Schlüsseltechnologien zur Marktreife gebracht haben. Daran arbeiten wir.“ Ein erstes Patent sei erteilt, weitere sind angemeldet. Auch sonst zeigte sich der Fielmann-Junior technologischen Neuerungen aufgeschlossen. Beim Geschäft mit Kontaktlinsen biete Fielmann bereits einen digitalisierten Bestellservice über eine App an. Zudem forsche man daran, „wie 3-D, Smart Glasses und Augmented Reality in unser Geschäftsmodell zu integrieren sind“.
Ins laufenden Jahr ist Fielmann mit einer Absatzdelle gestartet. Die Optikerkette machte Wetter und Grippewelle dafür verantwortlich, dass mit 1,92 Millionen weniger Brillen verkauft wurden als im Vorjahreszeitraum (1,95 Millionen). Der Konzernumsatz stieg aber um 2,3 Prozent auf knapp 250 Millionen Euro. Auch der Überschuss verbesserte sich leicht auf 43,3 Millionen Euro. Im April sieht Fielmann wieder eine deutliche Belebung des Geschäfts. Die Börsianer reagierten positiv auf die Zahlen aus der Barmbeker Zentrale. Der Aktienkurs zog im Laufe des Tages um 1,50 Euro an und lag am Nachmittag bei 67,00 Euro.
Keine schlechte Ausgangsposition für den neuen Co-Chef Marc Fielmann. Auf die Frage, ob jetzt auch seine zwei Jahre jüngere Schwester Sophie ins Unternehmen komme, sagte er. „Wir würden uns freuen.“ Im Moment macht sie noch ihren Master in Cambridge.