Hamburg . Die Hamburger Optikerkette wird von Günther Fielmann (78) und Sohn Marc (28) geführt. Ein Generationswechsel ist das noch nicht.
Es ist gerade einmal ein Jahr her, dass Günther Fielmann seinen Vertrag als Vorstandschef von Deutschlands größter Optikerkette um weitere drei Jahre verlängerte. Damals war er 77 Jahre alt. „Wir sind überzeugt, dass er die Geschicke der Fielmann AG gewohnt erfolgreich leiten wird“, kommentierte Aufsichtsratschef Mark K. Binz damals die Personalie.
Die Reaktionen waren nicht nur positiv. Am Donnerstag gab es die nächste Überraschung: Der Gründer und Mehrheitsaktionär holt seinen Sohn Marc mit an die Firmenspitze und bereitet so die Übergabe vor. Der 28-Jährige soll mit sofortiger Wirkung als gleichberechtigter Vorstandsvorsitzender die Geschicke der Aktiengesellschaft zusammen mit seinem Vater leiten.
Fielmann verkauft in Deutschland jede zweite Brille
„Die Doppelspitze ist für Fielmann ein zukunftsweisender Schritt“, erklärte Chefaufseher Binz nach dem Beschluss des Aufsichtsgremiums. „Beide Herren werden das Unternehmen erfolgreich in die Zukunft führen.“ Marc Fielmann, der bereits seit 2016 als Marketingvorstand tätig ist, übernimmt die operative Geschäftsführung. Der Senior, einst Branchenrevolutionär mit seinen Brillen zum Nulltarif, verantwortet weiterhin die Unternehmens- und Expansionsstrategie sowie die Kollektionsgestaltung. Fielmann verkauft hierzulande jede zweite Brille. Die Optikerkette betreibt 723 Filialen im In- und Ausland und beschäftigt 18.500 Mitarbeiter.
Ob es einen aktuellen Anlass für die Berufung gibt, ist offen. Spekulationen, der Seniorchef sei krank, wies eine Sprecherin zurück. „Herr Fielmann hat heute aktiv an der Aufsichtsratssitzung teilgenommen, wird auch in Zukunft seine Aufgaben entsprechend seines Vertrages als Vorstandsvorsitzender wie gewohnt wahrnehmen.“ In einer kurzen Pressemitteilung hieß es, die verabschiedete Struktur sei „ein konsequenter weiterer Schritt in der Nachfolge-Planung von Günther Fielmann“.
Hat Günther Fielmann die Nachfolge verschleppt?
Nach der Verlängerung seines Vorstandsmandats bis 2020 war in Branchenkreisen die Frage diskutiert worden, ob der Patriarch die Nachfolge in dem Konzern mit Milliardenumsatz verschleppe und so dessen Zukunft gefährde. Fielmann wäre mit gut 80 Jahren der wohl älteste alleinige Chef eines großen, börsenorientieren Unternehmens in Deutschland gewesen.
„Als Familienunternehmen denken wir in Generationen. Ich freue mich, dass mein Sohn mehr Verantwortung übernimmt“, sagte er jetzt. „Marc und mich verbindet nicht nur unsere kundenorientierte Philosophie, sondern auch unsere Arbeitsethik.“ Auch sein Sohn hob die Gemeinsamkeiten hervor und erklärte, dass die strikte Kundenorientierung erhalten bleiben solle. Er betonte zudem die großen Chancen, die internationale Expansion und Digitalisierung dem Unternehmen böten. Marc Fielmann ist derzeit schon maßgeblich für den Aufbau des Filialnetzes in Italien zuständig. 20 Standorte sind im Mittelmeerland geplant.
Milliardenumsatz, Millionenüberschuss mit altem Geschäftsmodell
Im vergangenen Jahr hatte der Konzern nach vorläufigen Zahlen bei Absatz, Umsatz und Gewinn erneut zugelegt. Der Konzernumsatz belief sich demnach auf 1,39 Milliarden Euro (2016: 1,34 Milliarden Euro). Der Jahresüberschuss wuchs leicht auf 173 Millionen Euro. Dabei bleibt die 1972 in Cuxhaven gegründete Optikerkette ihrem über Jahrzehnte praktizierten Geschäftsmodell treu und setzt beim Brillenkauf auf persönliche Beratung. Im Online-Geschäft ist Fielmann bislang nicht.
Welche Akzente Sohn Marc setzt, der wie seine Schwester Sophie aus Fielmanns Ehe mit Heike Fielmann stammt und 50 Jahre jünger als sein Vater ist, muss sich jetzt zeigen. Weil sein Vater schon früh erklärte, dass er den Generationswechsel ohne familienfremde Manager gestalten will, musste Marc nach seinem Wirtschaftsstudium früh Verantwortung übernehmen. In den nächsten Jahren will Fielmann die Expansion im stationären Handel vorantreiben und auch bestehende Filialen um- und neu bauen. Unter anderem ist 2018 die Komplettrenovierung des wichtigen Standorts an der Mönckebergstraße geplant. Mit größeren Geschäften soll auch das Problem gelöst werden, das viele Kunden nervt: lange Wartezeiten.
Börsianer reagierten zurückhaltend auf die Neuigkeiten bei Fielmann. Am Donnerstag stieg die Aktie nach zuletzt deutlichen Verlusten zwar leicht an, blieb hinter dem Gesamtmarkt aber spürbar zurück. Die Entscheidung für eine Doppelspitze sei eine „ganz gute Lösung im Sinne eines stabilen Übergangs“ auf die nächste Generation, sagte dazu ein Aktienanalyst, der nicht genannt werden wollte. Der Fielmann-Vorstand ist nach Einschätzung des Branchenexperten ohnehin schon seit längerer Zeit so aufgestellt, dass ein Ausscheiden des Firmengründers „keine großen Friktionen“ mehr mit sich bringen werde. Dieser spiele eher die Rolle der „grauen Eminenz".