Hamburg. Neuaufstellung der SPD ist abgeschlossen – jetzt bringt sich CDU-Fraktionschef als künftiger Bürgermeisterkandidat in Stellung.

„Ich will.“ Im Privatleben gilt diese Redewendung ja in erster Linie als Bekenntnis zu einer langjährigen Beziehung. In der Politik hat sie meist eine andere Bedeutung. Wer im Rathaus, auf einem Parteitag oder im Wahlkampf „ich will“ sagt, der möchte demonstrieren, dass er über einen klaren Kompass verfügt, entscheidungsfreudig ist und Ambitionen hat. Das hat einer in dieser Woche getan – und zwar gleich mehrfach. Dazu später mehr.

Denn zu Beginn der Woche stieg zunächst weißer Rauch aus dem Rathaus auf. Die personelle Neuaufstellung der Hamburger SPD, nötig geworden durch den Abgang von Bürgermeister und Parteichef Olaf Scholz, wurde am Montagabend endgültig abgeschlossen: Nachdem bereits Finanzsenator Peter Tschentscher zum neuen Bürgermeister gewählt worden war, der bisherige Fraktionschef Andreas Dressel zum neuen Finanzsenator und Sozialsenatorin Melanie Leonhard zur neuen SPD-Chefin, konnte mit Dirk Kienscherf nun auch die Fraktionsspitze neu besetzt werden.

Tschentscher ist stark um Kontinuität bemüht

Den Weg dorthin – auf dem es zeitweise nach einer Kampfkandidatur zwischen Kienscherf und dem Eimsbüttler Abgeordneten Milan Pein aussah, auf die dieser dann jedoch verzichtete – hatten sich die Genossen zwar harmonischer vorgestellt. Aber nach 84,5 Prozent Zustimmung für Kienscherf wurde auch dieses Kapitel demonstrativ abgeschlossen und nach vorn geschaut.

Wohin der neue Bürgermeister die Stadt führen will, konnte er am Mittwoch erstmals im Rahmen einer Regierungserklärung vor der Bürgerschaft darlegen. Nach 35 Minuten, die 42-mal durch rot-grünen Applaus unterbrochen wurden, war man um zwei Erkenntnisse reicher. Erstens: Tschentscher ist stark um Kontinuität bemüht. Weite Teile seiner Rede erinnerten nicht nur inhaltlich, sondern mitunter bis in die Wortwahl an die Scholz-Ära. Was die Opposition als langweiliges „Weiter so“ kritisierte, war allerdings keine Überraschung, denn jede Abkehr vom bisherigen Regierungshandeln wäre für jemanden, der sieben Jahre lang Senator war, auch unglaubwürdig gewesen.

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Zweitens verkündete Tschentscher zur allgemeinen Überraschung auch echte Neuigkeiten: Dass das AK Altona komplett neu gebaut werden soll, hatte selbst in der Chefetage des Klinikkonzerns Asklepios noch nicht jeder gehört. Und dass die neue U 5 auf jeden Fall über den Siemersplatz in Lokstedt führen soll, brachte sogar die Verkehrsbehörde in Erklärungsnöte – denn offiziell gab es diese Festlegung noch nicht.

Dass Tschentscher zumindest punktuell in die Offensive ging, offenbarte ein zweiter Aspekt seiner Strategie: Der neue Bürgermeister will nicht nur das Scholz-Erbe verwalten, sondern selbst Themen setzen und so sein Profil schärfen und seine Bekanntheit steigern. Dahinter steckt auch der klare Anspruch, die SPD in die Bürgerschaftswahl Anfang 2020 zu führen.

Eine Art alternatives Regierungsprogramm

So selbstverständlich das in gewisser Hinsicht ist, so spannend war es, wie der erste Redner nach Tschentscher mit den Hufen scharrte: CDU-Fraktionschef André Trepoll. Der beschränkte sich nicht nur auf Kritik am Senat, sondern entwarf bereits eine Art alternatives Regierungsprogramm, das in Teilen selbst den eigenen Leuten neu war – wie etwa der Vorschlag für ein Mietpreis-Moratorium für die Saga.

Noch bemerkenswerter: Gleich zwölfmal beendete Trepoll ein Thema mit Sätzen wie „Das werden wir 2020 ändern.“ Und er sprach eben nicht nur von „wir“, sondern leitete Sätze mit „Ich will ...“ ein, etwa: „Ich will, dass Hamburgs Wirtschaft an Dynamik zurückgewinnt.“ Oder: „Mein Ziel ist es, Hamburg zur sichersten Großstadt Deutschlands zu machen.“ Mancher Beobachter wartete nur darauf, dass Trepoll am Ende sagt: „Ich will Bürgermeister werden.“ Tat er aber nicht.

Unterhaltsame Art

Dass der 40-Jährige die Spitzenkandidatur anstrebt, bezweifelt in der CDU inzwischen aber kaum noch jemand. Auch in einem jüngst veröffentlichten Image-Film der Fraktion dreht sich alles nur um ihn, und natürlich moderiert er auch die am Montag gestartete Veranstaltungsreihe mit dem etwas irreführenden Titel „Zurück in die Zukunft.“ Dabei war der Name der ersten Location wohl Programm: „Café Schöne Aussichten“.

Völlig ungetrübt sind Trepolls Aussichten auf die Spitzenkandidatur dennoch nicht. Zwar bekommt er für seine selbstbewusst-offensive und dabei oft unterhaltsame Art aus Fraktion und Partei viel Zuspruch. „Gesetzt“ sei er deswegen aber noch lange nicht, heißt es – zumal die CDU diese Debatte eigentlich erst im Herbst führen will.

Heintze will wieder parlamentarisch arbeiten

„Es gibt keine Vorfestlegung“, betont Parteichef Roland Heintze. „Nur weil die SPD das Personal wechselt, machen wir das Gerangel nicht mit.“ Man werde jetzt beobachten, wie der neue Bürgermeister agiere und dann nach der Sommerpause einen Vorschlag machen, mit wem die CDU die besten Aussichten habe. „André Trepoll und ich sind da im Gleichschritt“, sagt Heintze, lobt den Fraktionschef aber ebenfalls: „Er macht den Job sehr gut.“

Gerüchten, wonach er für sich bereits entschieden habe, nicht anzutreten, begegnet Heintze ausweichend: „Ich will wieder parlamentarisch arbeiten – ob in Hamburg oder Straßburg wird man sehen.“ Erwartet wird, dass der 44-Jährige, der 2015 den Wiedereinzug in die Bürgerschaft verpasst hatte, sich 2019 um ein Mandat im Europa-Parlament bewerben wird.

Externe Lösung gilt als unwahrscheinlich

Nachdem die schleswig-holsteinische Bildungsministerin Karin Prien klargestellt hatte, dass eine Rückkehr nach Hamburg für sie nicht infrage komme, gilt eine externe Lösung unter Christdemokraten ebenso als unwahrscheinlich wie ein interner Überraschungskandidat – etwa Ex-Staatsrat Nikolas Hill. Folglich läuft es nach Lage der Dinge auf Trepoll hinaus. Sofern er auch offiziell sagt: „Ich will“ – und die Partei die richtige Antwort gibt.