Hamburg. Täter Mourtala M. war sowohl den Behörden als auch der Polizei bekannt. Er durfte seine Tochter nur unter Aufsicht sehen.

Die Züge fahren wieder, der Kiosk am Bahnsteig der S 3 hat wie gewohnt geöffnet; äußerlich ist der Alltag in den S-Bahnhof Jungfernstieg zurückgekehrt. Der Schrecken nach der bestialischen Tat vom Donnerstagvormittag aber bleibt spürbar, nicht nur hier, sondern in der gesamten Stadt.

27 Stunden nach seinem Verbrechen kam Mourtala M. am Freitagmittag vor einen Haftrichter. Dieser bewertete seine Tat als Doppelmord, heimtückisch und aus niederen Beweggründen. Wie es in Ermittlerkreisen heißt, war Mourtala M. gemeinsam mit seiner Ex-Freundin Sandra P., ihrer gemeinsamen Tochter, einem weiteren Sohn der Frau und ihrem neuen Freund mit der S-Bahn von der Station Stadthausbrücke bis zum Jungfernstieg gefahren. Sie stritten lautstark, gingen aber nach dem Aussteigen offenbar zunächst nebeneinander her, die Kinder saßen in zwei Buggys.

Plötzlich griff Mourtala M. dann in seinen Rucksack, zückte ein Messer. Er stach erst auf sein leibliches Kind und dann auf seine Ex-Freundin ein. Der neue Freund der Frau, genannt „Moses“, flüchtete in Panik, ließ den Jungen allein am Tatort zurück. Der Mann ist seitdem abgetaucht, seine Identität unklar. Mourtala M. wurde an der Mönckebergstraße festgenommen und legte in seiner ersten Vernehmung ein Geständnis ab.

Immer deutlicher wird, dass offenbar ein Streit um das Sorgerecht für die gemeinsame Tochter zu der Bluttat führte – und Mourtala M. offenbar schon lange vor der Tat Druck auf seine Ex-Freundin ausübte, bis hin zu Todesdrohungen. Es waren wohl verletzte Gefühle, die ihn zu der Tat trieben.

Jugendamt betreute Mutter seit Jahren

Rückblick: Im Jahr 2014 zieht Sandra P. mit ihren vier Söhnen nach Hamburg, zuvor hatte sie in Neustrelitz in Mecklenburg-Vorpommern gelebt. Die junge Frau nimmt Hilfe des Jugendamtes in Anspruch, erfährt bald eine regelmäßige Betreuung, um den Alltag mit ihren Kindern bewältigen zu können.

Mourtala M. aus dem Niger ist bereits im April 2013 nach Hamburg gekommen, wie etwa 200 weitere Afrikaner findet er als Teil der sogenannten Lampedusa-Flüchtlinge zunächst in der St.-Pauli-Kirche Unterschlupf. Er löst sich jedoch aus der Gruppe, zieht in eine Flüchtlingsunterkunft und stellt Antrag auf regulären Aufenthalt. „Seit über zwei Jahren ist er zu keinen Aktivitäten mehr gekommen und war nicht mehr Teil unserer Gruppe. Wir hatten keinerlei Informationen über sein Privatleben“, hieß es am Freitag in einer Mitteilung der Lampedusa-Gruppe.

Lautstarke Auseinandersetzungen

Wie sich der spätere Täter und Sandra P. kennenlernten und ob sie jemals mehr als eine kurze Affäre hatten, ist unklar. Im Jahr 2016 wird Sandra P. schwanger. Bereits im vergangenen Jahr entbrennt nach Abendblatt-Informationen dann ein Streit darum, in welchem Umfang Mourtala M. seine Tochter sehen darf. Er schlägt Uhrzeiten und Häufigkeiten von Besuchen vor, die Sandra P. nicht passen. Es kommt zu lautstarken Auseinandersetzungen. Die Frau gibt später an, dass Mourtala M. plötzlich vor ihrer Wohnung stand und das Kind sehen wollte. Dass er ihr drohte, sie werde sterben, wenn sie ihm nicht das gemeinsame Sorgerecht zubillige.

Im vergangenen Winter ist die Situation zwischen Vater und Mutter so verfahren, dass das Jugendamt einen sogenannten begleiteten Umgang veranlasst. Nur unter Aufsicht eines Sozialarbeiters soll Mourtala M. Zeit mit seiner Tochter verbringen dürfen.

Erneut heftiger Streit

Bereits im Januar dieses Jahres kommt es erneut zu einem heftigen Streit, der 33-jährige droht seiner Ex-Freundin massiv. Sandra P. stellt danach Strafanzeige, das Verfahren ist bis heute offen. Die Polizei richtet eine sogenannte Gefährderansprache an Mourtala M., er gibt sich reumütig, will die Drohungen nicht so gemeint haben. Er ist nur wegen Schwarzfahrens und Sachbeschädigung polizeibekannt, von tätlichen Übergriffen auf Sandra P. ist nichts bekannt.

Das Jugendamt hält es im Frühjahr für nötig, dass ein Familiengericht den Umgang mit der Tochter klärt. Nach einer Anhörung im März gibt es eine Entscheidung, der auch Mourtala M. zustimmt – mit drei klaren Regeln. Es solle nur begleiteten Umgang von Mourtala M. mit seiner Tochter geben; Mutter und Vater sollen ansonsten keinen privaten Kontakt haben, um keinen weiteren Streit zu provozieren. Und Mourtala M. soll sich einer Anti-Aggressionstherapie unterziehen.

Hat er seine Ex-Freundin verfolgt

Sandra P. ist inzwischen mit ihrem neuen Freund Moses liiert – Mourtala M. gibt an, dass es ihn stört, wenn der Mann im Alltag mit seiner leiblichen Tochter umgehen dürfe. Bis zu dieser Woche darf Mourtala M. seine Tochter danach zweimal in Begleitung sehen.

Nach den Erkenntnissen der Polizei verbrachte Mourtala M. am Donnerstagvormittag zunächst eine gemeinsame Stunde mit seiner Tochter und einer vom Jugendamt bestellten Person in der Innenstadt. Laut Oberstaatsanwältin Nana Frombach muss noch ermittelt werden, ob das Zusammentreffen an der Stadthausbrücke „mehr zufällig oder ganz gezielt zustande kam“. Mehrere Zeugen beobachten den Streit in der S-Bahn auf dem Weg zum Jungfernstieg; für einige wirkte es offenbar so, als habe Mourtala M. seine Ex-Freundin verfolgt.

Lebenslange Haft

Die Polizei hat alle entsprechenden Überwachungsmaßnahmen aus dem Bereich der S-Bahn zusammengetragen. Der dreijährige Sohn von Sandra P., welcher die Tat mit ansehen musste, wurde zunächst auch noch von seinem leiblichen Vater betreut, einem weiteren ehemaligen Lebensgefährten von Sandra P. Gemeinsam mit dem Jugendamt entschied er, dass der Junge bis auf Weiteres in einem Kinderschutzhaus leben soll. Der Junge zeige bislang kein stark auffälliges Verhalten – dennoch werde sich das Erlebte in der Zukunft Bahn brechen, heißt es. Mourtala M. droht bei einer Verurteilung lebenslange Haft.