Altstadt. Wie das Kriseninterventionsteam Zeugen der Bluttat hilft.

Etliche Zeugen haben die abscheuliche Bluttat am Jungfernstieg beobachtet, oder sie befanden sich in unmittelbarer Nähe. Gamze B., die am Donnerstagmorgen im Kiosk ihrer Bekannten am Bahnsteig der S-Bahn-Linie 1 und 3 ausgeholfen hatte, gehörte dazu. Die junge Frau erlebte, wie sich die alltägliche Geschäftigkeit am Bahnsteig von einer Sekunde auf die nächste in Panik verwandelte. „Die Passanten fingen hysterisch an zu schreien“, sagt Gamze B. Im selben Moment sei eine weinende Frau in den Kiosk gestürmt. „Sie zitterte am ganzen Körper, Tränen liefen ihr über das Gesicht“, erinnert sich Gamze B. Kurz darauf sah sie auf dem Bahnsteig Menschen, die sich über ein lebloses Kind beugten und versuchten, es wiederzubeleben. „Es sind Bilder, die man nie vergisst“, sagt sie.

„Erste Hilfe für die Seele“ leistet in potenziell traumatisierenden Situationen wie diesen das Kriseninterventionsteam des Hamburger Deutschen Roten Kreuzes, kurz KIT. Jedes Jahr ist das KIT in Hamburg rund 300-mal im Einsatz. Sechs der 40 ehrenamtlichen KIT-Mitarbeiter rückten kurz nach der Bluttat zum Jungfernstieg aus und kümmerten sich um die Augenzeugen, die akute Belastungsreaktionen zeigten. Einige zitterten am ganzen Körper und wurden von Weinkrämpfen geschüttelt. Später betreute das KIT die vier hinterbliebenen Kinder der getöteten 34-Jährigen.

Wie geht man mit den Betroffenen nach einer so brutalen Tat um? „Wir bringen sie sofort in einen ruhigen Raum, um ihnen zu vermitteln: Die Gefahr ist vorbei, Sie sind in Sicherheit“, sagt KIT-Referent Olav Meyer-Sievers. Der 60-Jährige, seit zwölf Jahren beim KIT, eilte am Donnerstag ebenfalls zum Tatort am Jungfernstieg und betreute eine Zeugin, die das Geschehen aus unmittelbarer Nähe mit ansehen musste.

Die Helfer hätten mit den Betroffenen über das Erlebnis gesprochen und über die möglichen Folgen. Darüber, dass die Bilder nicht einfach verschwinden, nicht einfach vergessen werden können. Die ersten Schocksymptome – Weinen und Zittern – könnten auch Tage später erneut auftreten. „Nicht selten leiden Betroffene in der Folge unter Schlaf- oder Essstörungen, sind extrem reizbar oder apathisch“, sagt Meyer-Sievers. „Wir raten ihnen: Tun Sie das, was Ihnen guttut.“ Wenn die Symptome nach vier bis sechs Wochen nicht abgeklungen sind, sollte man sich psychotherapeutische Hilfe holen.