Hamburg. Regisseur Jan Philipp Gloger inszeniert am Hamburger Schauspielhaus das Stück „Junk“. Vorbild ist eine wahre Geschichte.

Jan Philipp Gloger ist in der Hamburger Theaterwelt noch kein besonders geläufiger Name. Nur wenige wissen, dass er dem Hamburger Schauspielhaus in den vergangenen 15 Jahren immer wieder verbunden war.

Bereits 2003 wirkte er als Regieassistent unter Tom Stromberg bei Rimini Protokolls „Deadline“ im Neuen Cinema mit. Sieben Jahre später inszenierte er Philipp Löhles mehrfach ausgezeichnetes Globalisierungsstück „Das Ding“ im Malersaal. Und nun, weitere acht Jahre später, gibt er sein Debüt auf der großen Bühne mit der deutschsprachigen Erstaufführung von Ayad Akhtars „Junk“. Erneut eine Geschichte über das leidige Geld.

Gloger freut sich über diese Kontinuität sichtlich. Der 1981 in Hagen geborene Regisseur strahlt Konzentration aus und spricht druckreife Sätze, während er in der Ferne einen Punkt zu fixieren scheint. „Junk“, das doppeldeutig auf Schrott, aber auch auf Sucht anspielt, erschien Gloger zunächst dröge und ein wenig überkomplex, gleichzeitig fing er schnell Feuer: „Ich mag das Mosaikhafte, die schnellen Schnitte, aber es ist ein Monstrum.“ Wichtig sei es, eine passende Erzählweise zu finden.

Investmentbanker Michael Milken stand Pate

In Shakespeare-Manier reflektiert das Stück das Wirtschaftsleben Mitte der 1980er-Jahre. Ein Investmentbanker erfindet etwas Neues, er macht aus Schulden Geld. Aber das kostet: Tausende Arbeitsplätze gehen bei betroffenen Firmen verloren. Als ein traditionelles Stahlunternehmen ins Visier genommen wird, gibt es Widerstand. Plötzlich sieht der Banker sich nicht nur mit dem bedrängten Unternehmer, sondern auch mit der Staatsanwaltschaft und einer lästigen Journalistin konfrontiert.

Ähnlichkeiten mit wahren Begebenheiten sind kein Zufall. Der amerikanische Finanzier und Investmentbanker Michael Milken, 1989 wegen Finanzbetrugs angeklagt und später verurteilt, liefert das reale Vorbild. Er symbolisiert eine entfesselte Finanzwirtschaft, die globale Wirtschaftskrisen herbeiführt.

„Die Tatsache, dass jemand hochverzinste Risikoanleihen dazu nutzt, Investoren hohe Gewinne zu versprechen, die wiederum abgesichert sind über die Mittel des Unternehmens, das er übernehmen und zerschlagen will, zeigt eine neue Skrupellosigkeit“, sagt Jan Philipp Gloger. „Ein neues Zeitalter war angebrochen, in dem sich Geld komplett von seinem Wert gelöst hatte.“ Geld wurde zur neuen Religion, der freie Markt zu einer Art Gott. Ein tief greifender Wandel, nicht nur in den USA, sondern auch anderswo.

Gut gebaut, mit Tempo und schnellen Wechseln

„Im Stück wird über Sprache Macht und Einfluss ausgeübt“, sagt Jan Philipp Gloger. „Junk“ ist für ihn ein gut gebauter Wirtschaftskrimi mit Tempo und schnellen Wechseln. Es erzähle von der gefährlichen Agilität der sogenannten Freak Economy. „Das muss man spürbar machen.“ Eine weniger illustrative, eher reduzierte Inszenierung schwebe ihm vor. Doch sei kein Abend zu erwarten, der komplett auf das Bildhafte ­verzichte.

Zwei Ordnungen sieht Gloger in „Junk“ gegenübergestellt: „Das alteingesessene, regional verwurzelte Wirtschaften in sozialer Verantwortung von weißen protestantischen Männern, die führen und vererben, auf der einen Seite und auf der anderen Seite eine Truppe von Zockern, die ohne Rücksicht zerstört“, so der Regisseur.

Eine einfache Gut-böse-Rechnung lasse sich trotzdem nicht aufmachen. Die aus unterschiedlichen Ethnien stammenden Zocker seien Rassismen ausgesetzt, allerdings stünden die nicht im Fokus der Inszenierung. Zwischenmenschliche Bindungen seien zudem von ökonomischen Interessen bestimmt.

Inszenierung mit dem Kolorit der 80er-Jahre

In der Inszenierung sollen die 80er-Jahre in ihrem Kolorit wiederauferstehen. Dabei weiß Jan Philipp Gloger durchaus, dass die Realität heute noch perfider und komplexer aussieht. „Die absolute Freiheit führt in einen ausbeuterischen Neoliberalismus, doch Protektionismus und Regionalismus sind auch nur ein ideologisches Gefängnis und nicht die Lösung“, kommentiert er.

Das Thema ist in der Tat vielschichtig. Und soll nun aber vor allem Stoff für lebendiges Theater sein. „Man muss dem Plot folgen, sehen, was die Menschen umtreibt und ausmacht. Es ist ein düsteres Bild, aber wie jede Droge ist auch ,Junk‘ zweischneidig.“ Die darin beschriebene Welt habe durchaus etwas Anziehendes.

Eindimensionalität war Glogers Sache ohnehin nie. Zunächst studierte er Angewandte Theaterwissenschaft in Gießen, wo man eher den Umgang mit unterschiedlichen Medien und performativen Formen erlernt. Doch dann sattelte er noch ein klassisches Regiestudium in Zürich drauf. Insofern schlagen heute zwei Seelen in seiner Brust. „Das Experiment hat mich interessiert, die Kreation, aber eben auch narrativere Formen“, sagt er. „Ich glaube an die Kraft der Verwandlung in eine Figur.“

Gloger kommt eigentlich aus der Musik

Beides wird wohl auch sichtbar werden, wenn er im Sommer Schauspieldirektor am Staatstheater Nürnberg wird, an dem er ein starkes Ensemble aufbauen will. „Ich schätze aus tiefstem Herzen ein ganz breites Spektrum von Theaterformen.“ Dazu passen seine Anfänge.

Gloger kommt eigentlich von der Musik. Als Musiker mischte er sich bei einem Schultheaterstück so stark in alle Bereiche der Inszenierung ein, dass man ihm riet, doch gleich die Gesamtleitung zu übernehmen. Wenig verwunderlich deshalb, dass Gloger, der heute mit großer Lust auch Opern inszeniert, viel vom „Rhythmus“ spricht, der einen gelungenen Theaterabend ausmache. Ob er den richtigen Rhythmus für „Junk“ gefunden hat, wird die Schauspielhaus-Uraufführung am 15. April zeigen.

„Junk“ Premiere 15.4., 19.30, Schauspielhaus (U/S Hbf.), Kirchenallee 39, Karten unter
T. 24 87 13; www.schauspielhaus.de