Hamburg. 440 neue Mitarbeiter, Bußgelder für Verschmutzer und eine App für die Bürger – so kämpft die Stadtreinigung gegen Abfall und Dreck.
Vor den sechs Müllcontainern für Glas und Altpapier an der Straße Am Neumarkt stapeln sich die Verpackungsreste aus großen Kartonpappen bis auf den Gehweg. „Heute geht das ja noch, oft aber ist hier an der Bushaltestelle vor lauter Müll kein Durchkommen mehr“, sagt Jörg Möller. Seit 39 Jahren arbeitet der Hamburger bei der Stadtreinigung. „Waste Watcher“ steht hinten auf seiner blauen Jacke. Seit genau 100 Tagen ist der 62-Jährige jetzt also ein „Abfall-Beobachter“. Einer von 30 Mitarbeitern, die überall in der Stadt den gedankenlosen Schmutzfinken an den Kragen wollen.
„Die Lebensqualität in einer Stadt hat auch etwas mit Sauberkeit zu tun“, sagt Jens Kerstan. Seit dem 1. Januar hat die Stadtreinigung (SRH) deshalb zahlreiche zusätzliche Zuständigkeiten für die Sauberkeit in Hamburg. Und nun informiert sich der grüne Umweltsenator vor Ort über die 100-Tage-Bilanz.
Altpapiercontainer quellen über
Jörg Möller fotografiert mit seinem Handy die Adressen auf den sperrigen Verpackungen, die verbotenermaßen auf den Gehweg geworfen wurden, weil die Altpapiercontainer mit Pappen überquellen. „Wenn die Container voll sind, müssen die Bürger eben die nächstliegenden benutzen oder warten, bis sie geleert wurden“, sagt Möller. Ansonsten droht ein Bußgeld. „Wenn wir die Täter ermitteln, bekommen sie einen Anhörungsbogen, um sich zur Sache zu äußern.“ Seit Januar wurden 22 Bußgelder zwischen 60 und 1900 Euro und 153 Verwarnungsgelder zwischen 30 und 55 Euro verhängt.
Die neue Sauberkeitsoffensive lässt sich die Stadt 27 Millionen Euro pro Jahr kosten. „Wir haben rund 440 neue Mitarbeiter eingestellt, darunter Langzeitarbeitslose und Migranten“, sagt SRH-Geschäftsführer Rüdiger Siechau. Dafür seien rund 3000 Bewerbungsgespräche geführt worden. Sie haben 162 zusätzliche Fahrzeuge angeschafft, mit denen jetzt Fahrbahnen und Parkbuchten, Radwege und Rinnsteine deutlich häufiger gereinigt werden.
Reinigen nach dem Grill-Wochenende
Seit 100 Tagen ist die Stadtreinigung jetzt auch verantwortlich für die Reinigung der Hamburger Park- und Grünanlagen, allein die gärtnerische Grünpflege liegt weiterhin im Aufgabenbereich der Bezirksämter. „Wir sprechen damit über eine zusätzliche Fläche von 32 Quadratkilometern“, sagt Siechau, also immerhin knapp fünf Prozent des Hamburger Stadtgebietes. Dort betreut und leert die Stadtreinigung nun auch die rund 7000 Papierkörbe – und ist damit jetzt zuständig für insgesamt rund 18.000 Abfallbehälter im Stadtgebiet.
Ganz wichtig ist den Verantwortlichen das Bewusstsein für eine saubere Stadt. Deswegen wurden jetzt die Zuständigkeiten gebündelt. „Nichts ist frustrierender für die Bürger, als wenn sie einen Missstand melden wollen und dann zu hören bekommen: Dafür sind wir nicht zuständig“, sagt Kerstan.
Nun hat die Stadtreinigung eine App eingerichtet, bei der jeder Verschmutzungen in der Stadt melden und auch per Foto dokumentieren kann. „Wir bekommen Meldungen über illegale Sperrmüllansammlungen, über verrostete Fahrräder oder herumfliegende gelbe Säcke“, sagt Siechau. Die App werde sehr gut angenommen und benutzt. In den ersten Monaten gab es mit rund 4000 Meldungen pro Monat doppelt so viele wie im Vorjahr.
Außerdem gibt es eine Telefon-Hotline, unter 040/25 76 11 11 können Verschmutzungen zentral gemeldet werden. Sogenannte Cleanteams, die auf zehn aufgestockt wurden, kümmern sich darum, die Fälle dann binnen drei Tagen zu erledigen. Mit Unternehmen wie Stromnetz Hamburg sowie mit Behörden und Institutionen hat die Stadtreinigung Verträge geschlossen, um über die Zuständigkeitsgrenzen hinaus tätig zu werden. So werden derzeit etwa die grauen Verteilerkästen an den Straßen, von denen die meisten mit Graffiti beschmiert oder beklebt sind, in mühsamer Handarbeit gesäubert.
Bewusstsein für saubere Stadt stärken
Auch rund um den Hauptbahnhof hat die Stadtreinigung die Reinigungshoheit übernommen. „An 365 Tagen im Jahr“, sagt Siechau, was bereits zu sichtbaren Erfolgen geführt habe. Von denen berichtet auch Jörg Möller. „In St. Georg oder am Steindamm ist es wesentlich sauberer als noch vor Monaten.“ Ihm geht es nicht nur um die Ermittlung von Umweltverschmutzern, sondern darum, „bei den Menschen das Bewusstsein für eine saubere Stadt zu schärfen“. Dafür, sagt Siechau, „sind wir auch präventiv in Schulen und Kindergärten unterwegs“.
Ist Hamburg eine saubere Stadt? Es gebe Hinweise darauf, sagt Siechau, dass die zusätzlichen Maßnahmen wirken. Bei der Aktion „Hamburg räumt auf“ gab es in diesem Jahr mit 70.000 Teilnehmern einen neuen Rekord. Mit 193 Tonnen, statt 333 Tonnen im Vorjahr wurde aber die geringste Müllmenge in 21 Jahren gesammelt. Siechau: „Ein deutlicher Beleg dafür, dass die verstärkte Reinigung wirkt.“