Hamburg. Nach mehreren Skandalen werden die Betreuungsregeln in Hamburg endlich umgesetzt. CDU lobt die Sozialsenatorin.

Pflegefamilien werden in Hamburg jetzt offenbar deutlich besser von der Stadt betreut und kon­trolliert, als dies in den vergangenen Jahren der Fall war. Das geht aus der Antwort des Senats auf eine Große Anfrage des CDU-Familienpolitikers Philipp Heißner und mehrerer seiner Fraktionskollegen hervor. Demnach werden die nach dem Methadon-Tod des Mädchens Chantal im Jahr 2012 in einer Pflegefamilie eingeführten Regeln zur Betreuung jetzt besser umgesetzt als zuletzt.

Laut den seither gültigen Vorschriften soll es mindestens zweimal pro Jahr sogenannte Hilfeplangespräche geben, bei denen alle Beteiligten (Eltern, Pflegeeltern, Vertreter der zuständigen Träger, Lehrer, etc.) zusammenkommen. Außerdem sollen die zuständigen Stellen zweimal jährlich einen Bericht zum Verlauf der Pflege verfassen. Zudem sind zwei Hausbesuche pro Jahr in den Familien vorgeschrieben, die Kinder zur Pflege bei sich aufnehmen – und die städtischen Mitarbeiter sollen auch zweimal jährlich direkten Kontakt zu dem Pflegekind selbst haben. Wurden diese Vorgaben vor etwa zwei Jahren in nicht einmal 50 Prozent der Fälle von den zuständigen Bezirken umgesetzt (das Abendblatt berichtete), so hat sich die Situation laut der aktuellen Senatsantwort zuletzt offenbar deutlich verbessert.

Auswertung aller Pflegeakten

Eine Auswertung aller Pflegeakten des Jahres 2017 hat demnach ergeben, dass in 93 Prozent der Fälle die Pflegekinder mindestens zweimal von Mitarbeitern der Stadt persönlich kontaktiert wurden. In 90 Prozent der Fälle hat es mindestens zwei Hausbesuche in den Pflegefamilien gegeben, und zu 78 Prozent wurden die zwei vorgeschriebenen Hilfeplangespräche mit allen Beteiligten durchgeführt. Zuletzt war dies in lediglich rund 65 Prozent der Fälle gelungen. Die vorgeschriebenen zwei Berichte wurden allerdings auch jetzt nur in 74 Prozent der Fälle geschrieben, sodass hier die Vorgabe bei mehr als jedem vierten Fall nach wie vor nicht vollständig umgesetzt wurde.

Gleichwohl zollt sogar die CDU-Opposition der zuständigen Sozial­senatorin (und neuen SPD-Landes­chefin) Melanie Leonhard Respekt für die positive Entwicklung – sieht diese aber auch als eigenen Erfolg und als Ergebnis umfassender Berichterstattung, etwa im Abendblatt, über die Probleme bei der Betreuung von Pflegefamilien in Hamburg.

In Hamburg gibt es 1261 Pflegekinder

„Opposition wirkt. Nach zwei Jahren Druck von Opposition und Medien werden die vorgeschriebenen Hausbesuche zumindest weitestgehend auch durchgeführt“, sagte CDU-Familienpolitiker Heißner mit Blick auf die neuen Zahlen. „Fünf saumselige Jahre nach deren Einführung überwacht Sozialsenatorin Leonhard nun endlich auch die Einhaltung der wichtigsten Regelungen.“ Allerdings sei die Lage noch lange nicht optimal. „Noch immer liegt auch einiges im Argen“, so Heißner. „Es kann nicht sein, dass immer noch mehr als jedes fünfte Pflegekind die vorgeschriebene Unterstützung in Form von Hilfeplangesprächen nicht bekommt. Viele wichtige Daten werden von der Sozialbehörde erst gar nicht erhoben. Der lapidare Umgang mit wichtigen Regelungen im Hamburger Pflegekinderwesen bleibt alarmierend.“

Laut Sozialbehörde gab es in Hamburg nach der jüngsten, allerdings ein Jahr alten Erhebung 1261 Pflegekinder. Nach den neuen Zahlen wurden 1085 Pflegekinder über das gesamte Jahr 2017 betreut (die anderen Fälle sind Zugänge oder Abgänge bei der Betreuung). 1035 davon wurden vom Hamburger Pflegekinderdienst betreut (der Rest von außerhalb Hamburgs). Beherbergt wurden diese von zuletzt 1014 „Pflegestellen“ (Pflegefamilien und Einzelpersonen).

Rund 1000 Hamburger Pflegefamilien

Die Schwankungen in den vergangenen Jahren sind laut Senat nur gering, man geht stets von rund 1000 Hamburger Pflegefamilien und Einzelpersonen aus, die Pflegekinder bei sich aufgenommen haben und diese versorgen und betreuen. Die jüngste Entwicklung bewertet auch die So­zialbehörde positiv. „Wir sind stetig mit den Bezirksämtern im Dialog, damit Vorgaben eingehalten werden. Außerdem wurde das Thema nun zweimal im Familienausschuss behandelt“, sagte Sozialbehördensprecher Marcel Schweitzer. „Das bleibt offensichtlich nicht ohne Wirkung. Die Entwicklung der Zahlen zeigt, dass die Pflegekinderdienste ihre Verantwortung ernst nehmen.“

Ein Grundproblem der Sozial­behörde bei diesem Thema ist grundsätzlicher Natur: Sie hat zwar die Fachaufsicht, nicht aber die Dienstaufsicht. Für die Jugendhilfe sind nämlich die Bezirke und deren Jugendämter zuständig. So hat die Sozialbehörde keinen direkten Durchgriff, wenn die Bezirke die von ihr gemachten fachlichen Vorgaben nicht einhalten. Die Bezirke wiederum hatten ihre Versäumnisse zuletzt auch mit der hohen personellen Fluktuation begründet. Dass viele Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen kündigten, habe auch damit zu tun, dass die Arbeit in diesem Bereich sehr anspruchsvoll und teilweise auch sehr belastend sei, heißt es.

Öffentlicher Druck

Sozialsenatorin Melanie Leonhard, selbst Mutter eines kleinen Kindes, hatte zuletzt auch öffentlich den Druck auf die Bezirke erhöht. „Das ist keinesfalls ein Zustand, den wir für akzeptabel halten“, sagte Leonhard im vergangenen November in einer Sitzung des Familienausschusses mit Blick auf die damals noch deutlich schlechteren Zahlen. Man lege ein „hohes Augenmerk“ auf eine Verbesserung der Situation. Offenbar haben die Bemühungen gewirkt.