Hamburg. Das Bündnis will bessere Bedingungen in der Pflege erreichen. Gesundheitssenatorin hält Volksbegehren für den falschen Weg.
Mit einer Volksinitiative will ein Hamburger Bündnis Verbesserungen in der Krankenhaus-Pflege erreichen. Die Initiative sei am Internationalen Frauentag angemeldet worden, weil vor allem Frauen unter dem Pflegenotstand zu leiden hätten, sagte Bündnis-Sprecher Christoph Kranich am Donnerstag bei der Vorstellung. Nach Berechnungen von ver.di fehlen rund 4.200 Stellen in Hamburgs Krankenhäusern. Die Mehrkosten werden auf 128 Millionen Euro geschätzt und müssten von der Stadt und den Krankenkassen aufgebracht werden. Vorbild ist eine Initiative in Berlin, die seit Februar Unterschriften sammelt.
Die Arbeit in der Krankenhaus-Pflege sei innerhalb der letzten 25 Jahre immer stärker verdichtet worden, kritisierte Kranich. Während die Zahl der Fälle um 35 Prozent anstiegen, sei die Zahl der Pflegekräfte gesunken. In Deutschland sei eine Pflegekraft für 13 Patienten, in den USA und Norwegen für weniger als sechs Patienten zuständig. Die Initiative fordert einen gesetzlichen Personalschlüssel und bessere Arbeitsbedingungen für Pflegekräfte.
Grundlage der Volksinitiative ist ein Gesetzentwurf
Die im Koalitionsvertrag von Union und SPD geplanten Verbesserungen in der Pflege würden in die richtige Richtung gehen, sagte Olaf Harms von ver.di Hamburg. Die Vereinbarungen seien aber wenig konkret. Denkbar sei jedoch, dass sich bei einer positiven Entwicklung die Volksinitiative erübrige.
Grundlage der Volksinitiative ist ein achtseitiger Gesetzentwurf mit konkreten Personalvorgaben. Auf Flugblättern sind die Kernforderungen aufgelistet. Hat das Bündnis mehr als 10.000 gültige Unterschriften gesammelt, muss sich die Bürgerschaft mit dem Antrag befassen. Lehnt sie es ab, müssen für das anschließende Volksbegehren innerhalb von drei Wochen mehr als 60.000 Unterschriften neu gesammelt werden. Ist das Volksbegehren erfolgreich, kommt es zu einer Volksabstimmung.
Personalmangel mache Pflegekräfte krank
Mit drastischen Worten schilderten Beteiligte des Bündnisses die Zustände in den Krankenhäusern. Der dauerhafte Personalmangel mache die Pflegekräfte krank, sagte Kirsten Rautenstrauch, Betriebsrätin in der Asklepios-Klinik Altona. Zum Teil sei eine Pflegekraft mit 30 Patienten allein. Bei Engpässen würden Patienten auf den Fluren untergebracht, wo sie bei Notfällen nicht einmal klingeln könnten. Eine Ausbildung gäbe es nur noch «im Schnelldurchlauf». Zimmer würden zum Teil nur noch notdürftig gereinigt. Derartige Mängel gebe es in allen Hamburger Krankenhäusern, unabhängig von der Trägerschaft.
Die ehemalige Klinikmitarbeiterin Irene Thiele beklagte, sie habe nach einem Unfall als Patientin erlebt, dass Pflegekräfte keine Zeit für sie gehabt hätten. Patienten würden heutzutage nur noch als "Kostenfaktor" abgearbeitet oder "einfach nur liegengelassen". Sie habe sie viele Fehler bei der Arbeit entdeckt. Thiele: "Es ist schrecklich. Und es ist lebensgefährlich."
Prüfer-Storcks hält Initiative für falschen Weg
Hamburgs Gesundheitssenatorin Cornelia Prüfer-Storcks (SPD) hält das Anliegen der Initiative, die Pflegesituation in Hamburgs Krankenhäusern zu verbessern, für richtig, sagt aber, das Bündnis würde den falschen Weg gehen. Personalvorgaben für die Pflege würden bundesweit geregelt, "auch die Finanzierung der Krankenhauskosten wird durch ein Bundesgestez geregelt".
Prüfer-Storcks wies darauf hin, dass der Senat sich bereits erfolgreich dafür eingesetzt habe, "dass solche bundesweiten Vorgaben nun für die Krankenhausabteilungen ab 01. Januar 2019 kommen und von den Krankenkassen bezahlt werden". Eine "Hamburger Insellösung mit ungedeckten Kosten" helfe nicht weiter: "Entweder werden damit die Hamburger Krankenhäuser in die roten Zahlen geschickt oder der Hamburger Steuerzahler muss bezahlen, was eigentlich Sache der Krankenkassen ist. Besonders fragwürdig wird die Initiative dadurch, dass eine bundesweite Regelung die Hamburger Volksinitiative auch zeitlich überholen wird."
SPD und Grüne kritisieren Bündnis
Auch die gesundheitspolitischen Sprecherinnen von SPD- und Grünen-Fraktion, Sylvia Wowretzko und Christiane Blömeke, kritisieren die Volksinitiative: Beide weisen ebenso wie Senatorin Prüfer-Storcks auf die bundesrechtlichen Vorgaben und die bereits vom Senat angestoßenen Veränderungen hin. Blömeke sagte, die Kostenfrage bei den Vorschlägen der Initiative sei "vollkommen ungeklärt": "Die Hamburger Krankenhäuser könnten am Ende in eine schwere Schieflagen geraten, wenn die Krankenkassen die Hamburger Sonderregelung nicht bezahlen."
Wowretzko betonte, dass Hamburg schon jetzt einen Spitzenplatz bei den Krankenhausinvestitionen in Deutschland belege: "Die von der Volksinitiative angestrebte Verankerung von Personaluntergrenzen im Hamburger Krankenhausgesetz wirft aus meiner Sicht eher rechtliche und finanzielle Fragen auf, die bisher nicht beantwortet werden."
Linke unterstützt Gesetzentwurf und sammelt Unterschriften
Die Linke teilte mit, dass sie die Initiative aktiv mit dem Sammeln von Unterschriften unterstütze. Die Landessprecherin der Linken Zaklin Nastic erklärte, bundesweit fehlten 100.000 Pflegekräfte in den Krankenhäusern, zudem seien Arbeitsbedingungen und Bezahlung schlecht: "Aber wer wichtige und verantwortungsvolle Tätigkeiten mit Menschen ausübt, der hat eine bessere Behandlung verdient – genau wie die Patienten."
David Stoop, Landessprecher der Linken in Hamburg sagte, die Linke unterstütze den Gesetzentwurf der Volksinitiative, "weil er bessere Bedingungen für die Kolleginnen und Kollegen in den Krankenhäusern und mehr Sicherheit für die Hamburger Bevölkerung in der Gesundheitsversorgung in den Krankenhäusern bietet." Man werde dazu beitragen, "dass bis Ende März die für die erste Phase notwendigen 10.000 bis 12.000 Unterschriften zusammenkommen", so Stoop weiter.