Hamburg. Commerzbibliothek kostet jährlich bis zu 900.000 Euro – der Nutzen für Hamburger Unternehmen gilt als zu gering.
Die Handelskammer Hamburg setzt ihren Sparkurs unvermindert fort. Wenn am morgigen Donnerstag das mehrheitlich von den Kammerrebellen bestimmte Plenum zusammentritt, geht es um die Trennung von einem weiteren historischen Bestandteil der Wirtschaftsinstitution. Nach der Abspaltung der Hamburg School of Business Administration (HSBA) und der Schließung der Kammervertretung in Berlin steht nun die Zukunft der Commerzbibliothek auf dem Spiel. Dabei geht es um anerkanntes Kulturgut: Die Commerzbibliothek der Handelskammer gilt als die älteste private Wirtschaftsbibliothek der Welt.
Ihr Erhalt ist aber teuer. Wirtschaftsprüfer haben die Kosten für die Unterhaltung auf 800.000 bis 900.000 Euro im Jahr taxiert – ohne Berücksichtigung der Ausgaben für Gebäudenutzung, Investitionen in die Infrastruktur und der anteiligen Verwaltungskosten. Auf der anderen Seite stehe aber wenig Ertrag, sagen manche Kritiker.
Staatsbibliothek hat umfassenderen Bestand
„Der Nutzen der Commerzbibliothek für die Hamburger Unternehmen ist gering“, heißt es in dem Antrag, über den das Plenum am morgigen Donnerstag abstimmen soll. „Zumal sich in vergleichbarer zentraler Lage am Dammtor die Staatsbibliothek mit einem ungleich größeren und umfassenderen Bestand befindet.“ Es mache keinen Sinn, Doppelstrukturen zu erhalten. Deshalb soll das Plenum Übernahme- und Kooperationsmöglichkeiten der 1735 von Hamburger Kaufleuten gegründeten Commerzbibliothek mit öffentlichen oder privaten Hochschulen prüfen.
Richtschnur soll dabei die Empfehlung der Finanzkommission unter der Leitung des Hamburger Insolvenzverwalters Berthold Brinkmann sein, die die neue Kammerführung bei ihren Sparplänen beraten hat. Diese Kommission hatte vorgeschlagen, die Commerzbibliothek der HSBA zu übergeben. Die Handelskammer müsste dann nur noch ein Entgelt für die Nutzung durch ihre Mitgliedsfirmen zahlen.
Alternative Finanzierung
Das Problem ist nur: Die von der Handelskammer gerade erst in eine Stiftung überführte HSBA sieht sich selbst finanziell nicht in der Lage, die Commerzbibliothek zu übernehmen. Andererseits ist die Wirtschaftshochschule aber dazu bereit, die Kosten, die durch ihre Nutzung entstehen, zu übernehmen. Das wären jährlich 168.000 Euro, plus 5 Euro pro Student und Leseausweis im Jahr. Damit bleibt aber immer noch eine Differenz von mindestens einer halben Million Euro zu den tatsächlichen Kosten der Bibliothek.
Um diese Ausgaben zu decken, soll die Handelskammer nun alternative Möglichkeiten der finanziellen Unterstützung suchen. Denkbar wäre die Gründung eines privaten Trägervereins, hieß es aus dem Haus. Oder die Kooperation mit anderen Bibliotheken. Denkbar wäre zudem eine Erhöhung der Nutzung durch mehr Angebote. Auch eine Veräußerung wird nicht ausgeschlossen. Allerdings schrecken mehrere Plenumsmitglieder aufgrund der Bedeutung der Commerzbibliothek vor einem solchen Schritt zurück.
Jährlicher Zuschuss von 33.000 Euro
Dabei muss man wissen, dass es nicht nur um die eigentliche Bibliothek mit ihren 200.000 Büchern und 167 Fachzeitschriften geht. Hinzu kommt das alte Handelskammerarchiv, dessen Unterhalt laut Antrag 373.000 Euro jährlich verschlingt. Darüber hinaus existiert die 2008 von der Handelskammer ins Leben gerufene Stiftung Hanseatisches Wirtschaftsarchiv, das sich als Forschungseinrichtung für regionale Wirtschaftsgeschichte versteht.
Die Stiftung erhält von der Kammer einen jährlichen Zuschuss von 33.000 Euro und unterstützt die Arbeit von Firmenarchiven. Im Falle von Insolvenzen kauft sie erhaltungswürdige Bestandteile auf. Dazu hat die Handelskammer eine Rücklage von einer Million Euro gebildet, wovon noch 770.500 Euro übrig sind. Auch hier sei zu prüfen, welchen Nutzen die Übernahme von Archiven insolventer Unternehmen hat, heißt es in dem Antrag. Allein im Jahr 2016 habe die Kammer dafür 111.000 Euro ausgegeben.
„Erhebliches Optimierungspotenzial“
Oberstes Ziel der neuen Kammerführung ist sparen. Wie berichtet, will das Präsidium um den Kammerpräses Tobias Bergmann die Summe der Pflichtbeiträge der Mitgliedsunternehmen bis 2023 von heute rund 40 Millionen Euro auf dann 20 Millionen Euro senken. Dazu müssen auch die Ausgaben reduziert werden. Unter anderem verfolgt die Kammerführung das Ziel, sowohl hoheitliche Aufgaben wie zum Beispiel Ausbildungsprüfungen als auch freiwillige Serviceleistungen künftig nur noch kostendeckend anbieten zu wollen. Doppelstrukturen sollen abgebaut, Bestandteile, die nicht dem gesetzlichen Auftrag dienen, veräußert werden. Mithin wird jede vierte Stelle in der Wirtschaftsorganisation bis 2021 gestrichen.
„Wir sind uns der historischen Bedeutung der Commerzbibliothek durchaus bewusst, sehen aber auch erhebliches Optimierungspotenzial“, sagt Stefan Duphorn, einer der Antragsteller. „Und die Kosten für die Unterhaltung eines eigenen Archivs in Höhe von 373.000 Euro sind zu hoch.“