Hamburg . Vizepräses Torsten Teichert wirft den ehemaligen Führungskräften „ausgemachte Unwahrheiten“ vor – und bietet eine Debatte an.

Der Konflikt um die Handelskammer Hamburg eskaliert: Nach der harschen Kritik von vier ehemaligen Kammerpräsides an der Arbeit der aktuellen Kammerführung um Präses Tobias Bergmann schießt einer von dessen Stellvertretern nun ebenso scharf zurück. Vizepräses Torsten Teichert wirft den ehemaligen Führungskräften „ausgemachte Unwahrheiten“, „böse Unterstellungen“ und „persönliche Angriffe“ vor, gleichzeitig konstatiert er den vier früheren Präsides ein „eklatantes Demokratiedefizit“, weil sie unter anderem eine neue Wahlordnung für das Kammerplenum angeregt hatten.

Teichert reagiert damit auf das Interview mit den Altpräsides Nikolaus W. Schües und Karl-Joachim Dreyer in der Abendblatt-Weihnachtsausgabe, das die beiden auch im Namen der ehemaligen Präsides Peter Möhrle und dem unmittelbaren Bergmann-Vorgänger Fritz Horst Melsheimer gegeben hatten. Die Altpräsides hatten darin unter anderem angekündigt, dass sie an diesem Freitag nicht an der traditionsreichen Jahresschlussversammlung der Vereinigung Eines Ehrbaren Kaufmanns (VEEK) teilnehmen werden – aus Protest gegen das aktuelle Kammerpräsidium. Ein in der jahrhundertelangen gemeinsamen Geschichte von Kammer und VEEK bislang einmaliger Vorgang.

Gebrochene Wahlversprechen

Dreyer und Schües werfen dem Kammerpräsidium aus Mitgliedern der sogenannten Kammerrebellen, die seit der Wahl im Frühjahr 55 der 58 Sitze im Kammerplenum innehaben, in dem Interview unter anderem vor, Wahlversprechen zu brechen, und sie sprechen in diesem Zusammenhang von „Wahlbetrug“. Schües sagt in dem Interview unter anderem: „Es geht um geschäftliche Aufrichtigkeit, um präzise Urteilsfähigkeit und darum, zu seinem Wort zu stehen. Genau um das also, was die Mitglieder des neuen Präsidiums um Herrn Bergmann mit ihrer Respektlosigkeit gegenüber ihren Vorgängern im Ehrenamt, den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Kammer und ihren gebrochenen Wahlversprechen gegenüber den Mitgliedern nicht verkörpern.“

Es seien „rote Linien“ überschritten worden

Es sind Sätze, die Teichert empören. „Ich habe in Hamburg schon viel erlebt, aber wie hier vier alte Männer in ehrabschneidender Weise uns unsere Aufrichtigkeit absprechen, so etwas habe ich noch nicht erlebt. Das ist ein Vokabular, wie es unter ehrbaren Kaufleuten nicht benutzt werden sollte. Die Kritik an der neuen Kammerführung wird schon seit Längerem auch persönlich geäußert. Diesmal nehmen wir sie auch persönlich“, sagte der Vizepräses. Es seien „rote Linien“ überschritten worden, und es sei im Präsidium diskutiert worden, ob es überhaupt lohne, auf Vorwürfe „auf diese Art und Weise und von diesen alten Herren“ zu reagieren. Tobias Bergmann werde in seiner Rede vor der VEEK am Freitag darauf eingehen, kündigte Teichert an. Bergmann selbst wollte sich am Dienstag gegenüber dem Abendblatt nicht äußern. Er verwies auf seinen Vizepräses Teichert.

Wirtschaftssenator ist besorgt

Der kündigte an, das Präsidium werde die ehemaligen Präsides nun beim Wort nehmen. Nikolaus W. Schües­ hatte unter anderem gesagt: „Wir sind jederzeit zum Dialog bereit ...“ Das, so Teichert, sei in der Vergangenheit in vielen Fällen zwar nicht der Fall gewesen, doch nun wolle man herausfinden „wie ernst man dieses Dialogangebot nehmen kann“. Das Kammerpräsidium werde deshalb die vier ehemaligen Präsides zu einer öffentlichen Diskussionsveranstaltung im Januar in der Handelskammer einladen. Teichert: „Wir werden ein, zwei kluge Moderatoren haben und wollen ganz offen diskutieren. Die Altpräsides sollen uns sagen, was wir angeblich falsch gemacht haben. Und wir werden ihnen sagen, was sie aus unserer Sicht falsch gemacht haben.“

Hamburgs Wirtschaftssenator Frank Horch (parteilos) äußerte sich am Dienstag besorgt über die Streitigkeiten rund um die Handelskammer. „Es ist insgesamt keine gute Situation“, sagte er dem Abendblatt. „Ich bin in Sorge, dass die für die Wirtschaft in der Stadt so wichtige Institution Schaden nehmen könnte“, sagte der Senator. Auch Horch war einst Handelskammerpräses. Der Fundamentalkritik der anderen Altpräsides hatte er sich nicht angeschlossen.