Hamburg. Hamburg macht als erste Stadt Ernst, Startschuss im April. Auch Norderstedt und Kiel sind von den Fahrverboten betroffen.
Natürlich lagen die Entwürfe für die Verbotsschilder längst in der Schublade. Denn in der Hamburger Umweltbehörde ist man ja seit Monaten auf den Tag des Urteils vorbereitet gewesen. Deswegen werden die neuen Verkehrszeichen mit dem rot umkreisten Pkw-Symbol und der weißen Erläuterungstafel wohl schon Ende April an der Max-Brauer-Allee und der Stresemannstraße aufgestellt.
Im 2017 vorgelegten neuen Luftreinhalteplan sind die Strecken bereits exakt festgelegt, die künftig für ältere Diesel tabu sind (siehe Karte unten). Jetzt, nachdem das Bundesverwaltungsgericht den Städten erlaubt hat, selbstständig Fahrverbote zu verhängen, kann der Plan zügig umgesetzt werden. Damit ist Hamburg laut Umweltbehörde die erste Stadt, in der Fahrverbote verhängt werden.
Beschränkungen Ende April 2018 wirksam
„Die Durchfahrtsbeschränkungen werden voraussichtlich Ende April 2018 wirksam“, teilte die Umweltbehörde mit. „Diese punktuellen Beschränkungen gelten ganzjährig und so lange, bis die Stickstoffdioxidwerte an den Straßenabschnitten auch ohne die Maßnahmen im Jahresdurchschnitt unter dem EU-Grenzwert bleiben.“ Dabei stehen auch die Ausweichstrecken für betroffene Diesel schlechter als Euro 6 (Lkw: Euro VI) bereits fest.
Die Sperrung an der Max-Brauer-Allee, die für ältere Diesel-Lkw und Pkw gleichermaßen gilt, soll laut Senat über Königstraße und Holstenstraße umfahren werden. Für ältere Diesel-Lkw, die nicht mehr durch einen 1,7 Kilometer langen Abschnitt der Stresemannstraße fahren dürfen, gibt es unterschiedliche Umfahrungsalternativen, die der Senat unter hamburg.de/luftreinhaltung veröffentlicht.
Scharfe Kritik von der CDU
Umweltsenator Jens Kerstan (Grüne) betonte, dass der Luftreinhalteplan auch zahlreiche weitere Maßnahmen enthalte, „wie Hamburg schnellstmöglich die EU-Grenzwerte für Stickstoffdioxid einhalten wird“. Dazu zählten neben dem Ausbau des Radverkehrs und der U- und S-Bahnen auch die Anschaffung von mehr als 200 sauberen Bussen oder der Bau von mehr als 1000 Ladestationen für E-Autos.
Was das Urteil für Kommunen und Fahrer bedeutet
Während SPD, Grüne und Linke die Maßnahmen grundsätzlich begrüßten, gab es von der CDU scharfe Kritik. CDU-Verkehrspolitiker Dennis Thering sprach von einem „Diesel-Wortbruch“ des Bürgermeisters, da Olaf Scholz Fahrverbote ausgeschlossen hatte. Das Urteil sei ein „Scheinerfolg der Autogegner“, so Thering. Fahrverbote seien „ungerecht, unkontrollierbar und schaden der Mobilität“.
Auch Kiel, Norderstedt und Hannover betroffen
Auch die AfD übte Kritik. FDP-Verkehrspolitiker Ewald Aukes sagte: „Die Fahrverbote werden hauptsächlich kleine Handwerksbetriebe und Lieferanten sowie Bürger treffen, die in gutem Glauben einen Diesel gekauft haben. Sie dürfen nicht für die Fehler der Autohersteller und des Staates bestraft werden. Der Senat war zu lange untätig.“
Auch Teile der Wirtschaft warnten vor negativen Auswirkungen des Urteils auf die Unternehmen. „Die Erreichbarkeit der Handelsgeschäfte für Kunden und Lieferverkehre ist gerade für die Innenstadtlagen von existenzieller Bedeutung“, sagte etwa Dierk Böckenholt, Hauptgeschäftsführer des Handelsverbandes Nord. „Handelsunternehmen in den betroffenen Städten wären durch Fahrverbote mehrfach belastet. Kunden würden sich umorientieren und besser erreichbare Geschäfte ansteuern, Anlieferungen würden erschwert, und es ergäben sich möglicherweise auch kurzfristig notwendige Investitionen in den eigenen Fuhrpark, um verkehrsfähig zu bleiben.“ Das „Umfahren der Problemzonen“ werde Messwerte an anderer Stelle erhöhen.
Noch weitere Städte von Fahrverboten betroffen
Neben Hamburg könnten in Norddeutschland noch weitere Städte von Fahrverboten betroffen sein. Denn auch in Norderstedt und Kiel (beide Schleswig-Holstein) sowie in der niedersächsischen Landeshauptstadt Hannover werden Schadstoffgrenzwerte überschritten. Wegen der zu hohen Stickoxidwerte in Kiel und in Hannover hatte die Deutsche Umwelthilfe Ende vergangenen Jahres Klagen bei den jeweils zuständigen Verwaltungsgerichten eingereicht. Urteile gibt es noch nicht.
In Kiel geht es um den Theodor-Heuss-Ring, einen Teil des Straßenrings, der die Kieler Innenstadt umfasst. Dort wurde 2016 ein durchschnittlicher Wert von 65 Mikrogramm Stickoxid pro Kubikmeter gemessen, also weit mehr als die erlaubten 40 Mikrogramm. An Werktagen wird diese Grenze nur in wenigen Nachtstunden unterschritten. Die Spitzenwerte liegen bei 120 Mikrogramm. Ob an anderen Stellen dieser wichtigen Straßenverbindung ebenfalls Grenzwerte überschritten werden, ist unklar, weil es dort keine Messstellen gibt.
Konzept der Luftreinhaltung ist problematisch
Auch das ist ein Problem des Konzepts der Luftreinhaltung: Sauberkeit wird nur an den Punkten geschaffen, die von Sensoren kontrolliert werden. Derzeit sieht es so aus, als ob auch in Kiel Fahrverbote eingeführt werden. Oberbürgermeister Ulf Kämpfer (SPD) hat zwar mehrfach betont, dass er sie unbedingt vermeiden will. Zuständig für solche Verbote ist allerdings in Schleswig-Holstein nicht die Kommune, sondern das Umweltministerium, das noch von Robert Habeck (Grüne) geleitet wird.
Dieselfahrverbot: Hier geht es zum Leitartikel
Er meldete sich kurz nach der Urteilsverkündung zu Wort: „Die Anwohner am Theodor-Heuss-Ring haben einen Anspruch auf Einhaltung der gesetzlichen Grenzwerte“, heißt es in einer Pressemitteilung. „Das Ministerium erarbeitet deshalb derzeit gemeinsam mit den beteiligten Akteuren einen neuen Luftreinhalteplan für die Stadt Kiel.“ Ziel sei, ihn kurzfristig vorzulegen. „Ein pauschales Fahrverbot, bei dem niemand mehr über den Theodor-Heuss-Ring fahren kann, wird nicht erforderlich sein“, so Habeck. „Betrachtet werden unterschiedliche Szenarien, unter anderem Durchfahrverbote für Dieselfahrzeuge, die die Euro-VI-Norm nicht erfüllen.“