Hamburg. Mögliche Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts hätte rasche Konsequenzen. Kritik vom ADAC.

Schon in den kommenden Wochen könnte es in Hamburg die ersten Durchfahrtsverbote für ältere Dieselfahrzeuge geben. Hintergrund: Am morgigen Donnerstag verhandelt das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig über die Grundsatzfrage, ob Städte bzw. Bundesländer bei der geltenden Rechtslage berechtigt sind, eigene Fahrverbote für Dieselfahrzeuge zu erlassen. Konkret geht es um die Städte Düsseldorf und Stuttgart. Eine Entscheidung des Gerichts dürfte aber für alle Kommunen und Bundesländer gelten.

Sollten die Leipziger Richter also Fahrverbote mit dem geltenden Recht für vereinbar halten, gilt dies auch für Hamburg. Und hier könnte es womöglich eine der bundesweit ersten Durchfahrtsbeschränkungen nach dem Urteil geben. Denn im neuen Luftreinhalteplan vom vergangenen Jahr stehen bereits zwei besonders stark mit giftigem Stickstoffdioxid (NO2) belastete Streckenabschnitte, die künftig von älteren Dieseln nicht mehr durchfahren werden sollen.

Insgesamt wären 239.000 Fahrzeuge betroffen

Betroffen wären rund 600 Meter der Max-Brauer-Allee zwischen Chemnitzstraße/Gerichtstraße/Julius-Leber-Straße und Holstenstraße, sowie ein 1,7 Kilometer langer Abschnitt auf der Stresemannstraße zwischen Kaltenkircher Platz und Neuer Kamp. An der Max-Brauer-Allee sollen laut Luftreinhalteplan dann keine Dieselfahrzeuge (Lkw und Pkw) mehr fahren dürfen, die nicht die Abgasnorm 6 bzw. Euro VI erfüllen. Die Stresemannstraße soll ausschließlich für Lkw gesperrt werden, die nicht der Abgasnorm „Euro VI“ entsprechen.

Voraussetzung für die Umsetzung ist ein Urteil des Bundesverwaltungsgerichts, das solche Verbote grundsätzlich zulässt. Viele Beobachter gehen fest davon aus, dass genau so ein Urteil ergehen wird. Auch der Deutsche Städtetag rechnet damit. Dabei ist allerdings nicht sicher, dass das Gericht bereits am Donnerstag nach der mündlichen Verhandlung ein Urteil fällt. Sollte es das tun und Fahrverbote grundsätzlich genehmigen, würden diese in Hamburg relativ bald eingeführt.

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„Die Umsetzung würde unmittelbar nach dem Urteil beginnen, d. h. es würden Schilder – auch mit Hinweisen auf Ausweichrouten – bestellt und in den darauffolgenden Wochen aufgestellt werden“, sagte Umweltbehördensprecher Jan Dube. „Die Durchfahrtsbeschränkung würde erst in Kraft treten, wenn die Beschilderung komplett ist.“

Unklar ist dabei allerdings, wie die Einhaltung der Verbote überhaupt kon­trolliert werden soll. Zuletzt hatten die Polizeigewerkschaften darauf hingewiesen, dass es schon aufgrund fehlenden Personals nicht möglich sei, Diesel-Fahrverbote ausreichend zu kontrollieren. „Wir müssen uns angesichts der Personaldecke auf Kernaufgaben beschränken“, sagte der Vizechef der Gewerkschaft der Polizei, Arnold Plickert, der „Welt am Sonntag“. „Wer glaubt, dass wir solche Verbote dauerhaft durchsetzen können, der irrt.“

Kontrollen sind schwierig

Tatsächlich dürften die Kontrollen schwierig sein, da es sogar erlaubt sein soll, mit seinem alten Diesel durch die Verbotsstrecken zu fahren, wenn man Anlieger besuchen oder beliefern möchte. Anlieger selbst und auch Müll- oder Rettungswagen dürfen natürlich ebenfalls mit ihren alten Dieseln durch die Abschnitte fahren. Stand Mitte 2017 erfüllten lediglich 114 der 661 Dieselfahrzeuge der Feuerwehr die neue Euro-6-Norm. Insgesamt wären in Hamburg nach Senatsangaben aus dem vergangenen Jahr rund 239.000 ältere Dieselfahrzeuge von den Durchfahrtsverboten betroffen.

„Wir hoffen, dass das Bundesverwaltungsgericht klarstellt, dass Fahrverbote für Dieselfahrzeuge schon jetzt auf Basis der Straßenverkehrsordnung möglich sind“, sagte der Hamburger Geschäftsführer des Bundes für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND), Manfred Braasch. „Ideal wäre es, wenn sich das Gericht auch zur Zeitschiene äußert, wann die Grenzwerte für Stickoxide, die bereits seit 2010 gelten, spätestens in den Städten eingehalten werden müssen.“ In Hamburg müsse das Fahrverbot über Stresemannstraße und Max-Brauer-Allee hinaus „deutlich ausgeweitet werden“, so Braasch. „Sonst wird es noch Jahre brauchen, bis auch dort die Grenzwerte eingehalten werden.“

ADAC attackiert Behörden

Nach dem Luftreinhalteplan werden in Hamburg die Grenzwerte für Stickoxide erst 2025 überall eingehalten. Sollte das Bundesverwaltungsgericht in einem Urteil eine frühere Einhaltung verlangen, könnte das zu weiteren Durchfahrtsbeschränkungen auch in Hamburg führen. Auch eine Klage der EU könnte den Druck weiter erhöhen.

Mit den bisher geplanten zwei Durchfahrtsverboten kann sich selbst der ADAC anfreunden. „Gesundheitsschutz geht vor Mobilität“, sagte ADAC-Hansa-Sprecher Christian Hieff. Im Übrigen seien die Einschränkungen im Hamburger Luftreinhalteplan gering und kaum zu kontrollieren. Fahrer könnten die Strecken umfahren oder angeben, sie wollten Anwohner besuchen.

„Kalte Enteignung“ vieler Dieselkäufer

Insgesamt seien die bundesweit drohenden Fahrverbote aber eine „kalte Enteignung“ vieler Dieselkäufer – auch durch den massiven Wertverlust der Fahrzeuge. Es sei „ein Skandal, dass die Industrie sich weigert, die Probleme zu beheben“. Die Autofahrer müssten ausbaden, dass „Behörden jahrelang untätig“ geblieben seien und die Industrie mit „krimineller Energie“ gearbeitet habe.

Der ADAC habe seit 2003 eigene Messungen durchgeführt und seit vielen Jahren auf die falschen Ergebnisse der offiziellen Untersuchungen hingewiesen, so Hieff. Die jetzt zu erwartenden Regelungen seien im Grunde grotesk, so der ADAC-Sprecher. „Denn im normalen Fahrbetrieb schneidet der Euro-6-Diesel zum Teil sogar schlechter ab als der mit Euro-5-Norm.“