Hamburg. 3500 Teilnehmer zogen vom Gänsemarkt zum Rathausmarkt. Erzbischof Stefan Heße traf Elternvertreter zuvor zum Gespräch.

Sie bibberten in der Kälte, wippten auf und ab, hielten auf dem Rathausmarkt aber über eine Stunde lang die Stellung: Etwa 3500 Menschen, so schätzt es die Polizei, haben am heutigen Sonnabend für den Erhalt der 21 Schulen des Erzbistums in Hamburg demonstriert. Etwa ein Viertel der Teilnehmer waren Kinder und Jugendliche. „Wir sind laut, weil ihr unsere Schule klaut. Wir wollen bleiben, sonst muss der Bischof leiden“, riefen Zweit- und Drittklässler von der katholischen Schule Altona. Diese gehört zu den fünf katholischen Schulen in Hamburg, die das überschuldete Erzbistum in jedem Fall schließen will. Für drei weitere Schulen gilt eine Art Gnadenfrist, weil das Erzbistum prüft, ob sich diese Standorte etwa mit Unterstützung von Sponsoren doch weiterführen lassen.

Zu der Kundgebung hatten die Gesamtelternvertretung und die Initiative „Rettet 21" aufgerufen – und mit einigen hundert Teilnehmern gerechnet. Doch schon beim Auftakt des Protestmarschs am Gänsemarsch zeigte sich, dass erheblich mehr Menschen mitmachen würden. Mit Glocken, Trillerpfeifen und Megafonen zogen sie zum Rathausmarkt, viele hielten Plakate in die Höhe. Darauf stand etwa „Hände weg von meiner Bildung“, „Schule gleich Zukunft“, „Aufgeben ist keine Option“ und „Das Evangelium nach Ernst & Young“ – eine Anspielung auf eine von der Unternehmensberatung Ernst & Young erstellte Untersuchung, wonach sich die Überschuldung des Erzbistums auf auf 79 Millionen Euro beläuft.

Schulgenossenschaft hat 1200 Unterstützer

Auf dem Rathausmarkt skandierten Eltern und Kinder minutenlang „Aufbruch statt Abbruch“, das Motto der Initiative „Rettet 21“. Deren Gründer und Unterstützer zeigten sich überrascht von Zahl der Teilnehmer. „Das ist ein tolles Signal“, sagte Ex-Staatsrat und CDU-Mitglied Nikolas Hill, einer der Initiatoren der geplanten Schulgenossenschaft. Sie will zur Rettung der katholischen Schulen 10.000 Unterstützer gewinnen, die Anteile in Höhe von je 1000 Euro zeichnen. Die zehn Millionen Euro sollen eine Art Betriebskapital für die Genossenschaft sein. Bis jetzt hätten 1200 Menschen ihre Hilfe zugesagt, wodurch schon mit 2,5 Millionen Euro zu rechnen sei, sagte Hill am Rande der Kundgebung.

„Ich bin stolz auf euch“, rief Jutta Spohrer, Mitgründerin der Initiative „Rettet 21“ den Teilnehmern am Rathausmarkt von der Bühne aus zu. „Wir sind nicht gegen die Kirche. Wir wollen die Kirche erhalten.“ Dann stimmte sie das Lied „Wo zwei oder drei in meinem Namen versammelt sind“ an, das die Teilnehmer lauthals mitsangen.

"Der Erzbischof darf auch um Hilfe bitten"

Henrik Lesaar von der Gesamtelternvertretung berichtete, am Freitagnachmittag habe ein Gespräch der Elternvertreter mit Erzbischof Stefan Heße stattgefunden. „Wir haben den Eindruck gewonnen, dass der Erzbischof ernsthaft an einer Lösung des Problems interessiert ist“, sagte Lesaar.

„Wer heute katholische Schulen schließt, predigt morgen vor leeren Kirchenbänken“, rief Marie-Theres Kastner, Vorsitzende des katholischen Elternschaft Deutschlands. Sie forderte vom Erzbistum, die Beschlüsse zu den Schulschließungen vorerst auszusetzen. Das Hamburger Erzbistum habe nicht so viel Geld wie andere Erzbistümer, sagte Kastner. Aber: „Der Hamburger Erzbischof darf auch um Hilfe bitten. Das ist kein Zeichen von Schwäche.“

Hilfe für Hamburg aus Köln und München?

Rainer Esser, Geschäftsführer des ZEIT-Verlags, richtete gleich einen Appell über Hamburg hinaus. „Wo ist die Solidarität der reichen Erzbischöfe in Köln und München?“, rief Esser. Er hoffe, dass andere Erzbischöfe „ihrem armen Bruder“ in Hamburg bald helfen werden. Esser sieht allerdings nicht nur die katholische Kirche in der Pflicht: Auch Schulsenator Ties Rabe (SPD) müsse „seine Schatulle öffnen“.

Das sieht auch Jutta Spohrer so. „Die Stadt Hamburg bezahlt uns seit Jahrzehnten zu wenig Geld“, rief sie. „Wir brauchen die 85 Prozent, die sie uns versprochen haben.“ Hintergrund: Es ist gesetzlich festgelegt, dass Privatschulen in Hamburg für jeden Schüler 85 Prozent der Kosten erhalten, die die Stadt für einen Schüler in der entsprechenden staatlichen Schule aufwendet. In die Berechnung flössen allerdings nicht die Kosten der Schulverwaltung ein, kritisiert die Arbeitsgemeinschaft Freier Schulen Hamburg (AGFS). Zudem seien die Ansätze für Pensionsrückstellungen zu niedrig. Tatsächlich betrage die Finanzhilfe deshalb nicht 85 Prozent, sondern etwa 65 Prozent der Kosten eines staatlichen Schülers, so die AGFS. Die Schulbehörde sieht das anders.

Kurz vor dem Ende Demonstration am Sonnabend auf dem Rathausmarkt riefen die Veranstalter zum gemeinsamen Hüpfen auf - gegen die Kälte und als Zeichen des Aufbruchs. Dann stimmten sie erneut ein Lied an: „Großer Gott wir loben dich.“ Es war auch noch einige Straßen weiter zu hören.