Hamburg . Straßenmagazin fordert, das Winternotprogramm auch am Tag zu öffnen. Im März will Hamburg die Obdachlosen in der Stadt zählen.

Klirrende Kälte, Dauerfrost, Temperaturen weit unter dem Gefrierpunkt: Das Straßenmagazin "Hinz & Kunzt" ist angesichts der extremen Wetterbedingungen, die von Montag an in Hamburg herrschen sollen, in großer Sorge um die Obdachlosen in der Stadt. Wegen der gefährlichen Kälte fordert "Hinz & Kunzt" nun, dass das Winternotprogramm auch am Tag öffnet – und zwar für alle, unabhängig von ihrer Herkunft.

„Die Obdachlosen tagsüber in die Kälte zu schicken, ist gefährlich“ , sagt der Sozialarbeiter Stephan Karrenbauer von "Hinz & Kunzt". „Für den geschwächten Körper eines Obdachlosen kann das den Tod bedeuten. Besonders bei der grassierenden Grippewelle.“

Auch Wetterexperte warnt vor klirrender Kälte

Normalerweise müssen die Obdachlosen die Unterkünfte des Winternotprogramms zwischen 9.30 und 17 Uhr verlassen. Bisher seien sogar nachts Menschen an den Türen des Winternotprogramms abgewiesen worden, kritisierte das Straßenmagazin am Donnerstag. Rund 100 Obdachlosen aus Osteuropa sei der Zugang verwehrt, weil sie im Herkunftsland eine Meldeadresse haben. „Das ist unmenschlich, ihnen bei diesen Temperaturen ein Bett zu verweigern,“ sagt Stephan Karrenbauer.

Bereits am Mittwoch hatte der Meteorologe Frank Böttcher vom Institut für Wetter- und Klimakommunikation vor klirrender Kälte mit Temperaturen weit unter dem Gefrierpunkt gewarnt. „Für Obdachlose kann diese Wetterlage lebensbedrohlich werden“, sagte der Wetterexperte.

Winternotprogramm öffnet bei extremer Kälte früher

Die Sozialbehörde betonte daraufhin, dass die beiden Standorte des Winternotprogramms (Schaarsteinweg 14 und Friesenstraße 22) bei extremen Witterungsverhältnissen in Absprache mit der Behörde und dem Betreiber Fördern und Wohnen vor 17 Uhr öffnen. „Die Erfahrungen der letzten Jahre zeigen, dass der Betreiber die Witterungsverhältnisse im Blick hat und hier sehr sorgfältig vorgeht“, sagte der Sozialbehördensprecher Marcel Schweitzer. Von einer 24-Stunden-Öffnung ist bislang jedoch noch nicht die Rede.

Die Sozialbehörde verkündete am Donnerstag unterdesssen den Termin für eine Zählung der Obdachlosen in Hamburg. Wer sind sie? Woher kommen sie? Und wie viele sind es? Erstmals seit fast zehn Jahren will die Stadt die exakte Zahl der Obdachlosen erfassen. Dafür sollen vom 19. bis 25. März Obdachlose und in Gemeinschaftsunterkünften lebende Menschen mit standardisierten Fragebögen befragt werden, teilte die Sozialbehörde am Donnerstag mit.

Neben Daten wie Alter, Geschlecht und Nationalität sollen auch Informationen zur Dauer und Ursache der Obdachlosigkeit oder zur gesundheitlichen Selbsteinschätzung erhoben werden. Ziel ist laut Behörde, Rückschlüsse auf das bestehende Hilfesystem zu ziehen.

Zielgruppe durch mehr Menschen aus EU-Ländern verändert

„Wir brauchen gesicherte Informationen, um unser bestehendes Hilfesystem zu überprüfen“, sagte Sozialsenatorin Melanie Leonhard (SPD). Es gebe zwar viele Anlaufstellen für Obdachlose in Hamburg. In den vergangenen Jahren habe sich aber die Zielgruppe verändert, da immer mehr Menschen aus EU-Ländern in die Hansestadt kämen. „Für eine Weiterentwicklung der Angebote brauchen wir mehr Informationen, damit wir den Menschen noch zielgerichteter dabei helfen können, ihre Notlage zu überwinden“, sagte Leonhard.

Im Zusammenhang mit dem Winternotprogramm ist die Zahl der Bedürftigen seit Jahren umstritten. Zuletzt hatte die Sozialbehörde im Jahr 2009 die Obdachlosen zählen lassen. Damals waren gut 1000 Menschen erfasst worden. In Hamburg leben aktuell nach Angaben von „Hinz & Kunzt“ rund 2000 Menschen auf der Straße.