Hamburg. Christdemokraten und AfD verlangen Konsequenzen nach G-20-Krawallen. Rot-Grün setzt auf Sonderausschuss und Soko.

Sein Geduldsfaden in Sachen Flora? „Der ist gerissen“, sagte Bürgermeister Olaf Scholz (SPD). Das war im August 2017, vier Wochen nach dem G-20-Gipfel und jenem Freitag, an dem ein marodierender Mob stundenlang unbehelligt von Sicherheitskräften Teile des Schanzenviertels verwüstet hatte. „Ich kann nur allen raten, nicht zu glauben, dass alles so wie vorher sein wird“, sagte Scholz damals mit Blick auf das autonome Zentrum, dem er eine Verantwortung für die Krawalle zusprach. Die von ihm mehrfach angekündigten „Konsequenzen“ sind bislang jedoch ausgeblieben.

Weil Scholz gestern in Berlin an den Koalitionsverhandlungen mit der Union teilnahm, erlebte er nicht mit, wie ihm die Opposition in der Bürgerschaft erneut Zögerlichkeit vorwarf. „Nach wie vor gibt es keine klare Linie des Senats, wie mit dem Schandfleck Rote Flora verfahren werden soll“, sagte Ex-Innensenator Dirk Nockemann, dessen AfD-Fraktion die Debatte angemeldet hatte. Scholz wolle das Thema „in aller Stille beerdigen“.

Nockemann: Rote Flora ist eine „Keimzelle der Kriminalität“

Auch Äußerungen von Hamburgs Polizeipräsidenten Ralf Martin Meyer und Hamburgs Verfassungsschutzchef Torsten Voß, die beide sinngemäß gesagt hätten, es lasse sich gar nicht beweisen, dass die Krawalle aus der Flora gesteuert wurden, zeigten, dass es mittlerweile „orchestrierte Rückzugsgefechte und Beschwichtigungsformeln gibt“, sagte Nockemann, wofür er lauten Widerspruch von den Regierungsfraktionen erntete. Das seien Verschwörungstheorien, hieß es. Die Rote Flora, fuhr Nockemann fort, sei eine „Keimzelle der Kriminalität“. Dann wiederholte er die AfD-Forderung, das Zentrum zu schließen. Dass die Flora eine Gewaltverzichtserklärung abgeben werde, das seien „Träumereien“.

„Niemand sitzt hier irgendetwas aus“, entgegnete Martina Friederichs von der SPD-Fraktion. „Wir wollen eine sorgfältige Aufarbeitung der Geschehnisse rund um den G-20-Gipfel“, sagte sie und verwies auf den G-20-Sonderausschuss der Bürgerschaft. Ebenfalls noch nicht abgeschlossen seien die Ermittlungen der Soko Schwarzer Block. „Auch die Ermittlungen im Umfeld der Flora bleiben abzuwarten“, sagte Friederichs.

Es dürfe jedoch keinesfalls erneut zu solchen Gewalttaten kommen. „Voreilige Aktionen“ gegen die Flora würden eine „Solidarisierung mit und innerhalb der Szene“ und eine „Verhärtung der Fronten gegebenenfalls auf Jahre“ bedeuten – „das ist keine Lösung des Problems“, sagte die SPD-Politikerin.

SPD fordert, die Rote Flora solle der Gewalt abschwören

Von „Schönfärberei“ und „Wegducken“ sprach der CDU-Abgeordnete Dennis Gladiator. „Haben sie vergessen, dass die Demonstration Welcome to Hell von Vertretern der Roten Flora angemeldet wurde? Haben sie verdrängt, dass die Rote Flora stolz darauf war, den größten schwarzen Block aller Zeiten mobilisiert und nach Hamburg eingeladen zu haben?“

Dann erinnerte Gladiator an Äußerungen von Flora-Anwalt Andreas Beuth, der nach den Krawallen gesagt hatte, er habe als Sprecher der Autonomen „gewisse Sympathien für solche Aktionen, aber bitte doch nicht im eigenen Viertel, wo wir wohnen.“ Gladiators Fazit: „Mehr Beweise braucht es wirklich nicht.“ Dann forderte auch er die Schließung der Flora, so wie es Fraktionschef André Trepoll schon mehrmals getan hatte.

Linke empfinden die Flora als etwas Buntes und Vielfältiges

„Bedenklich“ finde sie Gladiators Haltung, sagte die Grünen-Abgeordnete Antje Möller. „Sie wollen keine Ermittlungen, sie brauchen keine Erkenntnisse, wenn die Flora weg ist, dann ist der Linksextremismus weg in dieser Stadt – das ist doch Unsinn“, rief Möller. „Wenn es nachweisbare Straftaten aus der Flora gibt, dann werden die verfolgt. Alles andere ist Populismus.“

Auch SPD-Fraktionschef Andreas Dressel wandte sich an Gladiator: „Wie ernst meinen sie einen Auftrag für einen Sonderausschusses, wenn für sie das Urteil schon vorher feststeht?“

Ein vertraglich geregeltes Mietverhältnis zwischen der Stadt und der Roten Flora forderte FDP-Politiker Carl Jarchow. „Eine Schließung der Flora zum jetzigen Zeitpunkt würde das Problem des gewaltbereiten Linksex­tremismus in Hamburg aus unserer Sicht eher vergrößern.“ Norbert Hackbusch von den Linken sagte: „Diese Stadt braucht etwas Buntes und Vielfältiges – dazu gehört die Rote Flora.“

Das sieht die SPD zwar ähnlich. „Aber es muss ein Abschwören von Gewalt geben“, rief Andreas Dressel. „Das werden wir auch einfordern und durchsetzen.“ Wann und wie das geschehen könnte, ließ er offen.