Hamburg. Zum Neujahrsempfang von Olaf Scholz kamen mehr als 600 Hamburger ins Rathaus. Einer übergab ein Rote-Flora-Puzzle.
Zu behaupten, dass es auch im Leben eines Berufspolitikers beliebtere Termine gibt, als am Neujahrsmorgen bei Januar-Wetter in Schlips und Kragen vor dem Rathaus zu stehen und danach im Turmsaal Hunderte Hände zu schütteln, ist sicherlich keine üble Nachrede. Aber wenn man ein Jahr wie 2017 in den Knochen hat, kann so ein Ereignis durchaus willkommen sein, um Vergangenes abzuhaken und sich mit ein paar aufmunternden Worten der Bürger im Gepäck Neuem zuzuwenden.
Und so markierte der Neujahrsempfang des Bürgermeisters mehr denn je vor allem das Ende eines für Olaf Scholz (SPD) politisch ziemlich vermurksten Jahres und gleichzeitig den Aufbruch in eine Phase, die aus seiner Sicht nur besser werden kann. Beispielsweise die G-20-Ausschreitungen, die ihn an den Rande des Rücktritts gebracht hatten, der Absturz seiner SPD bei der Bundestagswahl oder seine 59-Prozent-Klatsche bei der Wiederwahl zum Parteivize – all diese Ereignisse von 2017 spielten an diesem Montagmorgen im Rathaus schon fast keine Rolle mehr. Jetzt ist schließlich 2018.
Die meisten Besucher hatten nur Gutes im Sinn
Und der Text der Hamburg-Hymne „Hammonia“, die das Polizeiorchester um Punkt 10.45 Uhr vor dem Rathausportal anstimmte, ist ja trefflich wie eh und je: „Stadt Hamburg an der Elbe Auen, wie bist du stattlich anzuschauen, mit deiner Türme Hochgestalt und deiner Schiffe Mastenwald.“ Daran konnte auch 2017 nichts ändern.
In alten Wunden herumzubohren? „Nein, dafür komme ich nicht zum Neujahrsempfang“, stellte Werner Kwiatkowski klar. Der Pensionär aus Rahlstedt, der den Verein der Oberschlesier in Hamburg vertrat, war einer von mehr als 600 Menschen, die Scholz und der Zweiten Bürgermeisterin Katharina Fegebank (Grüne) ihre Grüße überbrachten und die dabei ganz überwiegend nur Gutes im Sinn hatten: „Ein gutes Händchen beim Regieren“, wünschte Kwiatkowski dem Bürgermeister und dass er „immer die richtigen Entscheidungen“ treffen möge.
Eine „rundum solide Politik“
So oder so ähnlich war das dutzendfach zu hören. „Behalten Sie Ihre Ruhe, die sie immer haben“, wünschte sich die als Zitronenjette auftretende Christa Prehn. Eine „rundum solide Politik“ bescheinigte ein jüngerer Mann dem Bürgermeister, und ein älteres Ehepaar aus Harburg bedankte sich bei Scholz für die von ihm unterschriebene Urkunde und die Medaille zur goldenen Hochzeit. Selbst dass das Datum darauf falsch war, sprachen beide lieber nicht an. „Da kann ja der Bürgermeister nichts dafür.“
Ihre Begleiterin gehörte zu den wenigen Gästen, die unschöne Erinnerungen weckten: „Ich bin froh, dass beim G-20-Gipfel niemand zu Tode gekommen ist“, sagte sie zum Bürgermeister und schob freundlich hinterher: „Alles andere kann man ja bewältigen.“ Als Anspielung auf Scholz’ Aussage, bei einem Toten wäre er zurückgetreten, wollte sie das aber nicht verstanden wissen. Auch dem Bürgermeister selbst war nicht mehr nach Blick in den Rückspiegel zumute. Auf die Frage, ob er froh sei, dass 2017 vorbei ist, antwortete er: „Ich bin froh, dass 2018 anfängt.“ Zusammen mit dem folgenden Lachen durfte das wohl mit „Ja“ übersetzt werden.
Wie viele Besucher ihm für 2018 mehr Glück als im Vorjahr gewünscht haben? „Das waren ein paar, die das getan haben, die gewünscht haben, dass es weniger aufregende Dinge gibt, als das im letzten Jahr der Fall war“, sagte Scholz. „Aber der häufigste und wichtigste Wunsch war, dass ich das hier noch viele Jahre weitermachen und meinen Kurs verfolgen soll – und das mache ich dann auch.“
CDU-Fraktionschef fordert Schließung der Flora
Der Mann, der das verhindern will, hatte sich etwas einfallen lassen. CDU-Fraktionschef André Trepoll überbrachte Scholz und Fegebank als „Geschenk“ zwei Foto-Puzzle: ein Bild von sich vor der Roten Flora, in der Hand ein Schild mit der Forderung. „Jetzt abstimmen“. 2017 sei ja ein wenig erfolgreiches Jahr für den Senat gewesen, erklärte Trepoll seine Botschaft.
„Das 1000-Teile-Puzzle soll daher der Entspannung dienen. Außerdem soll das Bild der Flora helfen, dass die politischen Themen nicht in Vergessenheit geraten“, so der Oppositionschef, der auch gleich klarstellte, wie er über die Zukunft des seit 1989 besetzten Theaters abstimmen würde: „Die Rote Flora muss geschlossen werden.“ Schließlich habe die linke Szene in dem Gebäude vor G 20 massiv den Schwarzen Block angeworben, der dann Teile der Stadt verwüstet habe.
Viele Herausforderungen
Nun sei ja gut, bemerkte Scholz schmunzelnd und legte mit dem Puzzle auch die Politik für den Moment beiseite. Fegebank sagte später zu dem Mitbringsel: „Das gucke ich mir in Ruhe an. Ansonsten habe ich eine Nichte und mein Freund hat Nichten – vielleicht haben die Lust, das zu machen.“ Gefragt nach einem Plan für die Flora meinte die Wissenschaftssenatorin: „Da ist überhaupt kein Grund zur Eile. Wir haben viele andere Herausforderungen.“ Sie zum Beispiel wolle den Wissenschaftsstandort voranbringen.
Scholz nannte als Ziele für 2018 die Elbvertiefung und die Fertigstellung der U-Bahn-Station an den Elbbrücken. „Und dann hoffe ich, dass Deutschland eine Regierung kriegt, das sollten wir gleich am Anfang des Jahres erledigen.“
Ein Gast des Neujahrsempfangs wünschte dem Bürgermeister dabei eine ganz besondere Rolle. Er überreichte Scholz „die schriftliche Erlaubnis, nach Berlin zu gehen und Angela Merkel als Bundeskanzlerin abzulösen“, sagte der Mann, etwa 50 Jahre, grauer Bart, Trekkingjacke. Und wenn Scholz einmal an der Spree sei, solle er doch bitte Autogrammkarten schicken. „Bis Ende nächster Woche“. Ob der Mann etwas verwirrt oder ein Scherzbold war, blieb offen. Klar dagegen ist seit 2017, dass Scholz für 2018 andere Pläne hat ...