Hamburg . Fünf Jugend-Projekte wurden im Ernst-Deutsch-Theater geehrt. Scholz ruft Einwanderer zur Auseinandersetzung mit Nazi-Zeit auf.

Fünf Hamburger Jugend-Projekte sind am Sonnabend mit dem Bertini-Preis ausgezeichnet worden. Zum 20. Mal wurde die Auszeichnung im Ernst-Deutsch-Theater vergeben. Der Bertini-Preis wird jedes Jahr am 27. Januar, dem Gedenktag für die Opfer des Nationalsozialismus, an junge Hamburger verliehen, teilte die Schulbehörde mit.

Ausgezeichnet wurde der Film „Die Geschichte von Walter Jungleib“ über eines der Kinder vom Bullenhuser Damm sowie das Projekt „Erinnerung an das Schicksal Russischer Kriegsgefangener und Zwangsarbeiter in Bergedorf“. Ebenfalls einen Preis erhielten 56 Schüler aus Eimsbüttel und Winterhude für ihr Video „Humanity Rap“ und das Theaterprojekt „Reichsausschusskinder“ der Klosterschule sowie die Initiative „Gira - Gesprächsrunde für interreligiösen Austausch“ am Helmut-Schmidt-Gymnasium (Wilhelmsburg).

Scholz ruft Einwanderer zur Auseinandersetzung mit Nazi-Zeit auf

Bei der Verleihung der Bertini-Preise rief Hamburgs Bürgermeister Olaf Scholz (SPD) Einwanderer zur Auseinandersetzung mit der nationalsozialistischen Vergangenheit auf. Wer nach Deutschland komme, müsse sich auch mit der besonderen deutschen Geschichte auseinandersetzen, sagte Scholz im Ernst-Deutsch-Theater. „Das gehört dazu, wenn man dazugehören will.“

Ob jemand eine Migrationsgeschichte habe oder seine Eltern hier geboren seien: Eine Relativierung der nationalsozialistischen Verbrechen, Antisemitismus oder andere Formen der Diskriminierung seien inakzeptabel. „Das müssen alle wissen, und da drücken wir auch kein Auge zu“, betonte Scholz laut vorab veröffentlichtem Redetext. Es müsse auch weiter darüber nachgedacht werden, wie die nationalsozialistische Vergangenheit in einer Einwanderungsgesellschaft vermittelt werden könne.

„Ralph-Giordano-Bibliothek“ soll im Februar eröffnen

Der Schriftsteller, TV-Autor und jüdische Publizist, Ralph Giordano (Archivbild)
Der Schriftsteller, TV-Autor und jüdische Publizist, Ralph Giordano (Archivbild) © Oliver Berg/dpa

Der Name des Preises geht zurück auf den Roman „Die Bertinis“, in dem der Hamburger Schriftsteller Ralph Giordano (1923-2014) das Schicksal seiner Familie während der NS-Verfolgung schildert. Der Roman kritisiert die Ausgrenzung, Verfolgung und Erniedrigung, die viele Hamburger in dieser Zeit erleiden mussten. Anknüpfend daran will der Bertini-Preis Projekte fördern, die sich im Unterricht, in Arbeitsgemeinschaften, Jugendgruppen oder in der Freizeit gegen Ausgrenzung von Menschen in Hamburg wenden und die Spuren vergangener Unmenschlichkeit in Hamburg sichtbar machen.

Giordano starb 2014. Rund 3300 Bücher aus seiner Bibliothek erhält die Hamburger KZ Gedenkstätte Neuengamme, um die dortige Präsenzbibliothek zu ergänzen. Die „Ralph-Giordano-Bibliothek“ soll am 16. Februar im Gebäude der Gedenkstätte feierlich eröffnet werden.

Giordano wurde als Kind einer jüdischen Musiker-Familie in Hamburg-Barmbek geboren. Seine Vorfahren stammen aus Sizilien. Als 17-Jähriger musste er 1940 aufgrund der Nürnberger Rassegesetze das Hamburger Gymnasium Johanneum verlassen. Dreimal verhörte die Gestapo den Jugendlichen, misshandelte ihn und sperrte ihn ein. Giordano selbst, seine beiden Brüder und die Eltern konnten bis zur Befreiung durch die Briten am 4. Mai 1945 mehrere Monate lang in einem Keller in Hamburg überleben.

Nach dem Krieg war er als Journalist und Filmemacher tätig. 1982 veröffentlichte er den Roman Die Bertinis“. An dem autobiografisch geprägten Werk hatte er fast 40 Jahre lang gearbeitet. Die lebenslange Auseinandersetzung mit dem Nationalsozialismus spiegele sich auch in seinen Büchern wider.