Hamburg. Für Montag ist eine Demonstration geplant. Schulbehörde wurde erst vor drei Tagen informiert. CDU fordert Rettungsversuch.

Nach rund einer Stunde reichte es Joachim Koutsky. „Wir Eltern sind erst heute über die geplante Schließung unserer Schule informiert worden. Mit uns ist vorher nicht geredet worden. Wir sind entsetzt. Bei vielen Eltern herrscht ein Gefühl der Hilflosigkeit vor“, empörte sich der Vater, der Elternvertreter an der katholischen Grundschule St. Marien in Ottensen ist – eine der fünf Schulen, die nach dem Willen des Erzbistums in jedem Fall geschlossen werden sollen.

Fünf Standorte werden auf jeden Fall aufgegeben

Bis dahin hatten Generalvikar Ansgar Thim und Christopher Haep, der Leiter der Abteilung Schule und Hochschule des Erzbistums, wortreich und bestimmt die geplanten Schulschließungen erläutert. Diese fünf Standorte werden in jedem Fall aufgegeben: Neben St. Marien in Ottensen sollen die Domschule in St. Georg, die katholische Schule in Altona, die Franz-von Assisi-Schule in Barmbek sowie das Niels-Stensen-Gymnasium in Harburg schon vom nächsten Schuljahr an keine neuen Schüler mehr aufnehmen.

Generalvikar Ansgar Thim (M.) und Christopher Haep (r.) erläutern die Pläne. Links Christoph Schommer, Sprecher für die Schulen des Erzbistums
Generalvikar Ansgar Thim (M.) und Christopher Haep (r.) erläutern die Pläne. Links Christoph Schommer, Sprecher für die Schulen des Erzbistums © Michael Rauhe | Michael Rauhe

Drei weitere Standorte – die Sophien-Grundschule in Barmbek sowie die Grund- und Stadtteilschulen in Harburg und Neugraben – werden geschlossen und nehmen zum Schuljahr 2019/20 keine Schüler mehr auf, wenn sich nicht noch eine andere Lösung durch Verhandlungen zum Beispiel mit der Stadt ergibt.

Haep zeigte Verständnis für die Sorgen der Eltern, Schüler und Lehrer angesichts der „Zumutungen“, sagte aber auch: „Die Ergebnisse der Analyse durch die Unternehmensberatung Ernst & Young haben einen solchen Druck aufgebaut, dass sofortige Maßnahmen nötig wurden.“

Zu der aktuellen Überschuldung des Erzbistums in Höhe von 79 Millionen Euro, die sich bis 2021 auf 353 Millionen Euro steigern könnte, tragen die Schulen durch einen hohen Investitionsstau und die Pensionsrückstellungen in erheblichem Maße bei. Ernst & Young hatte die acht betroffenen Schulen als „wirtschaftlich nicht tragbar“ oder „nur bedingt tragbar“ eingestuft. Allein der Sanierungs- und Investitionsbedarf für alle 21 Schulen wird mit 165 Millionen Euro beziffert und reduziert sich bei der Schließung der acht Standorte auf 65 Millionen Euro. Alle katholischen Schulen erhalten vom Erzbistum einen jährlichen Zuschuss zwischen acht und 13 Millionen Euro für den laufenden Betrieb.

Indirekte Kritik an Vorgängern

Laut Haep will das Erzbistum die knapp 200 Lehrer, die an den acht Schulen unterrichten, auf die verbleibenden 13 Standorte verteilen. Das katholische Schulwesen würde rund 2900 Schüler verlieren – fast ein Drittel. Haep­ sicherte zu, dass die Schüler, die die betroffenen Schulen jetzt bereits besuchen, den Bildungsgang an ihrem Standort beenden können.

„Die Schließung von acht Schulen ist nur ein erster Schritt. Weitere konsequente Schritte in anderen Bereichen unseres Erzbistums werden folgen“, sagte Generalvikar Ansgar Thim. Alle kirchlichen Institutionen würden überprüft. Noch sei aber nichts entschieden. Haep kündigte an, das Schulgeld von zurzeit durchschnittlich 50 Euro pro Monat zu erhöhen. Die soziale Staffelung nach dem Einkommen soll aber erhalten bleiben.

Nur indirekt übten Thim und Heap Kritik an ihren Vorgängern. „Es wurde in der Vergangenheit zu wenig genau auf die tatsächlichen Verhältnisse geschaut. Zukünftige Entwicklungen wurden in die Entscheidungen zu wenig einbezogen“, sagte der Generalvikar. Viel Hoffnung auf finanzielle Unterstützung durch reichere Bistümer hat Thim offensichtlich nicht. „Es gibt einen Finanzausgleich, aber darauf sind besonders die ostdeutschen Bistümer angewiesen“, sagte Thim.

„Wir dürfen nicht zulassen, dass die Finanzkrise des Erzbistums das katholische Schulleben nachhaltig beschädigt. Die Schließung von bis zu acht Schulen wäre ein massiver Abbruch einer lebendigen katholischen Tradition“, heißt es in einer Erklärung der Gesamtelternvertretung katholischer Schulen, die ihr „Vertrauen zutiefst enttäuscht“ sehen. „Wir erwarten, dass seitens des Erzbistums alles getan wird, um ein Maximum an Standorten zu erhalten.“ Am Montagnachmittag wollen die Eltern vor dem Dom St. Marien in St. Georg für den Erhalt der Schulen demonstrieren.

Die Behörde wurde erst vor drei Tagen informiert

„Ich bedaure die Entscheidung. Ich gehe davon aus, dass das Erzbistum seine Pläne mit den betroffenen Eltern, Schülern und Beschäftigten sorgfältig erörtert und verantwortungsvolle Lösungen entwickelt“, sagte Schulsenator Ties Rabe (SPD). Nach Informationen des Abendblatts war die Schulbehörde erst vor drei Tagen über die Schulschließungen informiert worden, als die Entscheidung längst gefallen war. Rabe soll darüber nicht erfreut sein.

Kritik kommt auch von der Opposition. „Noch vor wenigen Wochen erklärte der Schulsenator, dass die Schließung katholischer Schulen abwendbar sei“, sagte Birgit Stöver, schulpolitische Sprecherin der CDU-Fraktion. „Nun soll jede dritte katholische Schule geschlossen werden.“ Schuld seien auch die „völlig unzureichenden Zuwendungen der Stadt“ für den Betrieb und die Sanierung der Schulen, so Stöver. Diese Zuwendungen betragen nur rund 85 Prozent derer für staatliche Schulen.

„Durch den Wegfall der Schulen werden die Schüler künftig im öffentlichen Schulwesen beschult werden müssen, wodurch dem Steuerzahler höhere Kosten entstehen werden“, sagte Stöver und forderte: „Der Senat muss noch einen Rettungsversuch unternehmen, besonders damit der Hamburger Süden nicht preisgegeben wird.“ Dort sind allein drei Schulen von der Schließung bedroht.

"Im Süden droht ein Schulmangel"

Von einem „harten Schlag für die betroffenen Bezirke“ sprach FDP-Fraktionschefin Anna von Treuenfels-Frowein. „In Harburg droht mittelfristig ein Schulmangel. Hier ist auch die Stadt gefordert, an Lösungen mitzuarbeiten.“ Sie forderte, die Finanzierung der Schulen in freier Trägerschaft müsse diskutiert werden, auch um die verbleibenden 13 katholischen Schulen zu erhalten.

Die Harburger Bürgerschaftsabgeordneten Sören Schumacher und Matthias Czech (beide SPD) zeigten sich entsetzt. „Besonders unverständlich ist die Schließung des Niels-Stensen-Gymnasiums, dessen Neubau erst im Jahr 2011 eingeweiht wurde“, so Schumacher. Schon vor drei Jahren sei die katholische Stadtteilschule Neugraben trotz auskömmlicher Finanzierung durch die Stadt geschlossen worden, sagte Czech. „Ich finde es bedenklich, dass sich die katholische Kirche nun komplett aus der Bildung im Süden Hamburgs zurückziehen will.“