Hamburg. 22-mal wurde er ohne Führerschein am Steuer erwischt, das sollte nie wieder vorkommen, beteuerte der Rentner.
Es war eine überzeugende Darbietung. Damals, als Walter D. (Name geändert) ganz zerknirscht daherkam, Einsicht und Reue in Person, Besserung gelobend. Nach notorischen Verstößen gegen das Gesetz sollte nun Schluss sein mit den Straftaten. 22-mal wurde er ohne Führerschein am Steuer erwischt, das sollte nie wieder vorkommen, beteuerte der damals 73 alte Hamburger. Er habe die Kurve gekriegt, im wahrsten Sinne des Wortes.
Offenbar haben die guten Vorsätze gerade mal anderthalb Jahre vorgehalten. Jetzt sitzt Walter D. wieder als Angeklagter vor dem Amtsgericht, nunmehr 75 Jahre alt – und erneut wegen Fahrens ohne Fahrerlaubnis angeklagt. Im Juni 2017 soll der Rentner einen Mercedes zum Flughafen gesteuert haben, mit gefälschten TÜV-Plaketten an den eigens für die Tour angeschraubten Kennzeichen. Dass der Wagen auf einem Behindertenparkplatz geparkt war, ohne entsprechende Berechtigung, hatte die Polizei auf den Plan gerufen. Der Zufall wollte es, dass die Beamten just in dem Moment anrückten, als Walter D. den Wagen wieder abholen wollte. Dumm gelaufen also?
Rentner behauptet, Wagen verliehen zu haben
Doch dieses Mal, beteuert der Angeklagte, gebe es nichts zu gestehen. Müde wirkt der klein gewachsene Rentner und zugleich nervös, die Lippen ein schmaler Strich. „Ich bin nicht gefahren“, versichert Walter D. Vielmehr habe er den Wagen einem Interessenten aus Litauen über Nacht zur Probefahrt geliehen. Dieser habe selber Nummernschilder mitgebracht, mit denen habe er nichts zu tun. Dazu nennt er einen Namen. Doch ein solcher Mann existiert laut Ermittlungen nicht. Und die Längeneinstellung des Fahrersitzes passte laut Polizei wunderbar zu dem etwa 1,65 Meter großen Mann.
Darüber hinaus schildert ein Bekannter des Angeklagten, wie Walter D. sie als Beifahrer sicher über das riesige Flughafengelände dirigiert habe, um den Wagen nunmehr abzuholen, rechts und links, immer wieder präzise Anweisungen, bis sie vor dem Wagen standen. Woher er das so genau gewusst haben kann, wenn er ihn dort nicht selber abgestellt hat? „Ich weiß, wo der Airport ist, und den Behindertenparkplatz kenne ich gut“, beharrt er. Er ist öfter dort, weil seine Partnerin in St. Petersburg arbeitet und er sie immer wieder dort besucht.
Polizistin führte Protokoll und zeigte ihn an
In einem früheren Prozess hatte sich der Angeklagte weniger kämpferisch gegeben. Es gab auch nicht viel zu leugnen, war er doch nach einer ersten Verurteilung wegen Fahrens ohne Führerschein weitere 21-mal in flagranti erwischt worden – von seiner Nachbarin. Die Polizeibeamtin hatte immer wieder aus dem Fenster beobachtet, wie der Mann direkt vor der Tür in einen Wagen stieg und Gas gab. Darüber hatte sie gewissenhaft Protokoll geführt und die Missetaten zur Anzeige gebracht. Vor Gericht hatte Walter D. seine augenscheinliche Unverbesserlichkeit noch damit begründet, dass er als pensionierter Flugzeugtechniker gelegentlich für Bekannte Autos repariert. „Die muss ich dann natürlich Probe fahren.“ Das seien stets kurze Strecken gewesen, oft nur 200 Meter.
Deutlich länger war da schon die Distanz von seiner Wohnung zum Gerichtsgebäude, die der Rentner trotz Fahrverbots und einer Anklage wegen Fahrens ohne Führerschein offenbar ebenfalls mit dem Wagen zurückgelegt hatte, als Gipfel der Dreistigkeit. Etwas matt hatte er noch behauptet, Nachbarn hätten ihn zu dem Termin chauffiert. Die Namen wisse er nicht mehr. „Das waren jedenfalls Litauer.“ Die Richterin hatte ihm nicht geglaubt und eine Praktikantin los geschickt, um zu checken, ob der Mann in ein Auto steigt.
Auf ein mildes Urteil kann er nicht hoffen
Seinerzeit suchte er Schutz hinter Bäumen und spähte immer wieder vorsichtig hervor, bis er glaubte, dass die Luft rein war. Später allerdings nahm er brav die U-Bahn. Hoffnungslos, so konstatierte seinerzeit die Vorsitzende im Ergebnis, sei sein Fall nicht. Weil er wisse, „was die Stunde geschlagen hat“ und sich insgesamt geständig zeigte, bekam er damals noch eine Haftstrafe von einem Jahr – auf Bewährung. Eine solche Milde ist nach Überzeugung des Amtsrichters nicht mehr drin: Fünf Monate Haft verhängt er schließlich für Walter D. Was der Angeklagte als vermeintliche Erklärung vorgebracht hat, sei „hanebüchen“.
Dass er Fremden den Wagen über Nacht zur Probefahrt zur Verfügung gestellt habe, nehme er ihm nicht ab. Unter anderem spreche auch die Sitzeinstellung für den 75-Jährigen als Fahrer. Die Strafe von fünf Monaten könne nicht mehr zur Bewährung ausgesetzt werden, erklärt der Richter, dafür fehle es an einer günstigen Sozialprognose: „Ich sehr wirklich schwarz bei Ihnen.“ Dass Menschen mit solcher Beharrlichkeit immer wieder ähnliche Straftaten verübten, gebe es selten. „Ich habe keinen Spaß daran, Leute in den Knast zu schicken. Aber bei Ihnen ist wirklich das Ende der Fahnenstange erreicht.“