Hamburg/ Lübeck. Prozess gegen Taxi-Raser vom Ballindamm geht weiter. Anwalt und Opferhilfe kritisieren die Lübecker Polizei.

„Wir müssen Ihnen leider mitteilen, dass ...“, so lautet die übliche Formel, wenn Polizeibeamte Hinterbliebenen die denkbar traurigste Nachricht überbringen müssen: dass ein geliebter Mensch jäh verstorben ist. Die Beamten kommen immer zu zweit, die Todesnachricht muss „grundsätzlich persönlich“, „unverzüglich“ und „in schonender Weise“ überbracht werden, wie es in der Hamburger polizeilichen Dienstvorschrift 350 heißt.

Bei Heike B. erschienen jedoch zunächst keine einfühlsamen Beamten – die 61-Jährige erfuhr am Telefon, dass John B. (22), ihr einziges Kind, bei einem entsetzlichen Verkehrsunfall verstorben war, wie am Montag beim Prozess gegen den Unfallverursacher Ricardas D. herauskam. Der 25-Jährige, unter anderem wegen Mordes angeklagt, war Anfang Mai vergangenen Jahres auf dem Ballindamm mit einem gestohlenen Taxi frontal in das Taxi gerast, in dem John B. und ein Bekannter saßen.

Dass seine Mandantin am Handy vom Tod ihres Sohnes erfahren habe, findet ihr Anwalt Gregor Maihöfer „ungeheuerlich“. Für die Frau sei eine Welt zusammengebrochen, „und dann gibt es nur einen Anruf?“ Die Hamburger Polizei treffe indes keine Schuld – denn die habe die Nachricht an ihre Kollegen in Lübeck nur weitergegeben, weil Heike B. dort lebt.

Polizei raste mit Blaulicht zur Mutter

Wie das Abendblatt erfuhr, hatten die Lübecker Heike B. am Morgen des 4. Mai nicht unter ihrer Wohnanschrift angetroffen, es deshalb auf ihrem Handy versucht. Im folgenden Gespräch mit einem Beamten erhielt sie auch die Telefonnummer eines mit dem Unfall betrauten Hamburger Verkehrspolizisten, bei dem sich Heike B. umgehend meldete. „Sie war so aufgelöst, dass ein Streifenwagen mit Blaulicht zu ihrem Arbeitsplatz in der Hamburger City geschickt werden musste“, sagt ein Beamter dem Abendblatt. Von den Polizisten sei die Mutter über den tragischen Verlust in Kenntnis gesetzt und vom Kriseninterventionsteam betreut worden.

Die Lübecker Polizei wollte sich zum konkreten Fall nicht äußern, zumal das Geschehen Gegenstand eines Gerichtsverfahrens sei, hieß es. „Wir bevorzugen selbstverständlich eine persönliche Todesbenachrichtigung“, sagte ein Lübecker Polizeisprecher. Allerdings müssten die Beamten immer auch die Umstände eines Falles berücksichtigen. „Wenn ein Angehöriger nicht angetroffen wird, bleibt womöglich keine andere Wahl, als die traurige Nachricht am Telefon zu übermitteln, um zu vermeiden, dass es der- oder diejenige über Dritte oder aus den Medien erfährt.“

Kritik vom Weißen Ring

Kristina Erichsen-Kruse vom Weißen Ring Hamburg findet das Vorgehen der Lübecker Polizei mindestens fraglich. „So eine entsetzliche Nachricht nur am Telefon zu hören, ist noch viel belastender als im persönlichen Kontakt mit Polizeibeamten“, sagt Erichsen-Kruse. „Bei Nichterreichbarkeit der Mutter hätte sie gebeten werden können, sich zu melden, damit sie aufgesucht werden kann.“ Ein bloßer Anruf habe den Charakter einer Petitesse.