Hamburg. Der Jurist fällte zwei bemerkenswerte G-20-Urteile. Manche halten ihn für einen Hardliner, andere für fair.

Chapeau! Endlich mal einer, der durchgreift. So jubeln manche. Ein harter Hund, der ein völlig überzogenes Urteil fällt. Das ist von seinen Kritikern zu hören. Mit seiner Entscheidung, in einem G-20-Prozess einen vielfach vorbestraften Angeklagten wegen eines Wurfes mit einer Glasflasche auf einen Polizisten zu dreieinhalb Jahren Freiheitsstrafe zu verurteilen, hat Amtsrichter Johann Krieten für Diskussionsstoff gesorgt. Wieder einmal. Stromlinienförmig? Leise? Das ist seine Sache nicht.

Schon in der Vergangenheit war der 61 Jahre alte Jurist ein Mann deutlicher Worte. Das bekam unter anderem im ersten aller G-20-Prozesse der Angeklagte zu spüren, der für zwei Flaschenwürfe auf Polizisten zwei Jahre und sieben Monate Haft kassierte. In der Urteilsbegründung betonte Krieten, Polizisten seien „weder Freiwild für die Spaßgesellschaft noch Freiwild für erlebnisorientierte Gewalttäter“.

Polizisten seien kein Freiwild, sagt der Richter

Manche halten Krieten für einen Hardliner, einen Mann der überaus strengen Urteile. Und tatsächlich zögert er nicht, deutliche Strafen zu verhängen. Aber er kann auch durchaus milde Entscheidungen fällen, wenn er es für richtig hält. „Für mich ist das Richteramt ein Beruf, in dem ein wichtiger Dienst auch für die Gemeinschaft erbracht wird, weil wir auch für Rechtsfrieden sorgen“, sagte Krieten einmal. Er ist ein Mann, der seinen Beruf mit Engagement und Leidenschaft ausübt.

Seit 1990 ist Krieten Richter, zunächst acht Jahre am Landgericht, wo er unter anderem auch in Mordprozessen den Vorsitz führte. Später wechselte er zum Amtsgericht. Dort verhandelt er unter anderem über Diebe und Betrüger. Oder eben auch über Gewalttaten im Zusammenhang mit den G-20-Ausschreitungen, wo er bisher im Verhältnis eher harte Strafen verhängte.

Klar und konsequent

Vielleicht unterstellt jetzt der eine oder andere dem Juristen, er wolle sich für eine Beförderung oder gar eine politische Karriere in Position bringen. Dann könnte Krieten sich beispielsweise in Interviews profilieren. Anfragen gibt es durchaus, gerade in letzter Zeit. Doch der Amtsrichter lehnt konsequent ab. Er spricht vielmehr durch seine Urteile, dann aber klar und konsequent. So wie bei seinem jüngsten G-20-Prozess: Dem 28-Jährigen, der angeklagt war, von einer Flasche einen Teil abgeschlagen und den scharfkantigen Rest auf einen Polizeibeamten geworfen zu haben, hielt er vor: Damit habe dieser Mann ein „überaus widerliches Verhalten“ an den Tag gelegt. Auch dessen Verteidiger Matthias Wisbar kritisierte der Richter scharf, nachdem der Anwalt von angeblicher „Aktenfälschung“ und einem „polizeilichen Komplott“ gesprochen hatte.

Mit seinem Verhalten reihe sich der Anwalt ein „in eine Reihe von Verteidigern, deren Auftreten und Agieren bemerkenswert ist“. Was im Zusammenhang mit G 20 gelegentlich zu hören sei, „sind Äußerungen, bei denen ich sage, dass da anwaltliche Brandstifter am Werke sind“, sagte Krieten und nannte beispielhaft mehrere Zitate, so etwa, dass Polizisten „friedliche Demonstranten angegriffen“ hätten, „mit Knüppeln, Reizgas und Wasserwerfern“. Solche Äußerungen von Anwälten, so Krieten, „sind der Nährboden und der verbale Brandbeschleuniger für Straftaten, bei denen den Gerichten und der Staatsanwaltschaft die Scheiben eingeworfen und Gebäude beschmiert werden“.

Streng, aber fair

Aber auch Polizeibeamte bekommen gelegentlich scharfe Kritik zu hören: In einem Prozess, in dem ein Polizist über einen Kiez-Paten gesagt hatte, man habe mit diesem „auf Augenhöhe verhandelt“, kritisierte der Richter: „Was dieses Verfahren erschreckend deutlich macht, ist eine teilweise überaus bedenkliche Nähe von Teilen der Hamburger Polizei zur Organisierten Kriminalität und hieraus das Entstehen und Dulden teilweise rechtsfreier Räume.“

Unter Kollegen gilt der Jurist mit dem Dreitagebart als eher streng, aber fair. Vor allem ist der begeisterte Rennradfahrer als einer mit langem Atem auf der Suche nach Wahrheit bekannt. So setzte er in einem Prozess über Wochen alle Hebel in Bewegung, um einen Kiez-Paten als Zeugen zu laden. Dieser hatte immer neue Vorwände, nicht zu erscheinen, was Krieten mit der Bemerkung quittierte: „Hier wird die Justiz verarscht.“

Krieten fällt auch sehr milde Urteile

Und ein Mann, der als Immobilienhai bekannt war und nun behauptete, nach dramatischen Fehlinvestitionen über kein Geld mehr zu verfügen, biss bei Krieten mit seiner Story über seine angebliche Armut auf Granit. Der Vorsitzende erforschte über Monate dessen finanzielle Verhältnisse. Am Ende kam eine Tagessatzhöhe von 2000 Euro heraus – und nicht, wie der Angeklagte gehofft hatte, von 10 Euro.

Doch es gibt auch Fälle, die zeigen, dass Krieten auch sehr milde Entscheidungen trifft. Da war etwa die Rentnerin, die geklaut hatte: Fertigsuppen, Käse, Quark und Kartoffeln, aus Geldnot, wie sie erzählte. Über Jahrzehnte war die 71-Jährige bereits gut 40-mal wegen Diebstahls verurteilt worden, zu Geld- und auch zu Bewährungsstrafen. So mancher hätte die Frau vielleicht in den Knast geschickt. Doch Krieten stellte den Fall ein – allein mit der Auflage, dass die Seniorin sich bei offiziellen Stellen Hilfe holen muss, um in Zukunft besser mit ihrem Geld auszukommen.

Prozess gegen Niederländer:

Prozess gegen Niederländer wegen G20-Krawallen

Der Angeklagte vor dem Gerichtssaal
Der Angeklagte vor dem Gerichtssaal © Michael Arning
Viele Besucher drängen ebenfalls in den Saal
Viele Besucher drängen ebenfalls in den Saal © Michael Arning
Eine kleine Demo vor dem Amtsgericht
Eine kleine Demo vor dem Amtsgericht © Michael Arning
Der Niederländer trägt eine rote Kapuzenjacke
Der Niederländer trägt eine rote Kapuzenjacke © Michael Arning
Er verhüllt sich während der Verhandlung im Amtsgericht komplett
Er verhüllt sich während der Verhandlung im Amtsgericht komplett © Michael Arning
Der Angeklagte wird von der Presse ins Visier genommen
Der Angeklagte wird von der Presse ins Visier genommen © Michael Arning
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