Hamburg. Mit drei neuen Ausstellungen, aber auch grundsätzlich möchte die Direktorin das Museum für Völkerkunde weiter öffnen.
Kurz vor Weihnachten wurde die vergnügliche Korea-Ausstellung eröffnet, doch die Planungen für das junge Jahr 2018 sind bereits abgeschlossen: Voraussichtlich drei neue Ausstellungen wird das Museum für Völkerkunde präsentieren. Sie spiegeln schon die neue Linie des Hauses, die die frisch installierte Direktorin Barbara Plankensteiner mit Schwung und Engagement vorzuzeichnen begonnen hat.
Für die Realisierung der Korea-Ausstellung hat das Haus gerade vom koreanischen Kulturministerium „einen prestigeträchtigen Preis für die Zusammenarbeit erhalten“, erzählt die Direktorin freudig. Ergänzend dazu wird am 21. Februar die kleinere Austellung „S(e)oul Food“ eröffnet. Sie befasst sich mit dem Schicksal von Süd-Koreanerinnen, von denen die meisten als Krankenschwestern nach Deutschland kamen. Wie bereits ein Video-Interview in der gerade laufenden Korea-Schau ahnen lässt, war dieser tief greifende Ortswechsel nicht ungetrübt.
Schwierige Lebensbedingungen
„S(e)oul Food“ erzählt auch von den enttäuschten Hoffnungen und den schwierigen Lebensbedingungen dieser Frauen. Das Essen, das sie zu Hause gekocht haben, war für sie eine Art Ankerpunkt, „um ein Stück Heimat in der Fremde zu finden“, so Plankensteiner. „Die Zusammenarbeit mit Migrationsgemeinschaften ist uns wichtig, sie ist hier am Haus immer wichtig gewesen. Die Ausstellung steht programmatisch dafür, dass wir uns über die Kulturfeste hinaus inhaltlich in Form von anderen Formaten mit dieser Thematik beschäftigen wollen.“
Im Rahmen der Ausstellung hat die schweizerisch-koreanische Künstlerin Cookie Fischer-Han die Fotoserie „Art Cuisine“ gemacht, die „das Ergebnis ihrer ästhetisch-kulinarischen Reflexionen über Herkunft und Identität“ ist, sagt Pressefrau Julia Daumann. Kuratorin ist Mareile Flitsch, Direktorin des Züricher Völkerkundemuseums.
Kritische postkoloniale Aufarbeitung
Auch die zweite Ausstellung verbindet ab April die Kontinente: „Flow of Forms/Forms of Flow – Designgeschichten zwischen Afrika und Europa“ ist von kultureller Wechselwirkung bestimmt. „Hier möchten wir unterschiedliche zeitgenössische Perspektiven aus Afrika zeigen, um ein anderes Afrika-Bild zu transportieren. Wir widmen uns den dynamischen urbanen Zentren, um kreatives Schaffen zu zeigen und dass dieses mit Entwicklungen in Europa verwoben ist“, erklärt die Museumsdirektorin. Es gehe dabei also um transkulturelle Verflechtungsgeschichte.
Präsentiert wird eine Auswahl an Beispielen hierzulande bislang kaum wahrgenommenen modernen afrikanischen Designs. Thema ist die Aneignung afrikanischer Formen im europäischen Design und umgekehrt der Einfluss kolonialer Kunstausbildung auf aktuelle Designpraktiken. Es geht auch um die kritische postkoloniale Aufarbeitung dieses Erbes. Vorgestellt würden Design-Positionen, „die aus eigenen lokalen Traditionen schöpfen, sowie andere, die Fragen nach heutigen Lebensbedingungen und Lösungsmöglichkeiten für die breite Bevölkerung suchen, wie umweltbewusste Recycling-Verfahren“, so Plankensteiner.
Volontariatsstelle mit Afrika-Schwerpunkt
Die Design-Schau wird auch historische Objekte des Museums einbeziehen. „Wir möchten damit zeigen, dass bereits früher Einflüsse von außen die Gestaltung von Alltagsgegenständen veränderten und kreativ für eigene Bedürfnisse umgewandelt wurden.“ Zwei Münchner Spezialistinnen für afrikanische Kunstgeschichte kuratieren die Schau mit Plankensteiner. Seit Jahrzehnten ist am Haus die Kuratorenstelle für Afrika frei. Die Direktorin möchte nachbesetzen, „das wird aber vermutlich noch etwas dauern. Vorerst werden wir eine Volontariatsstelle mit Afrika-Schwerpunkt besetzen.“ Außerdem fehlt Personal im Fotoarchiv, zwei Halbtagsstellen müssten schon lange aufgestockt werden.
Die ersten ethnografischen Objekte, die vor 1867 in Hamburg angeschafft wurden, werden im Herbst zum Gegenstand einer eigenen Ausstellung. Damit möchte die Direktorin zurückblicken zu den Anfängen des Museums: „Wie wurde die Idee für ein Völkerkundemuseum in Hamburg überhaupt geboren? Welcher Grundbestand an Objekten liegt vor? Was erzählen sie uns heute?“, fragt Plankensteiner. Es sei „sehr interessant, wie man damals auf die Welt geschaut hat. Dies spiegelt sich in der Art der gesammelten Objekte.“
Dauerausstellung ist überholungsbedürftig
In den zukünftigen Ausstellungen des Hauses sollen, so wünscht sie sich, „auch kritische Fragen behandelt werden, zum Beispiel zum Kolonialismus und zum Zusammenleben in einer multikulturellen Gesellschaft“. Sie sollen „unterhaltsam sein und neue Blickwinkel eröffnen“. Mit unterschiedlichen Konzepten will sie unterschiedliche Besucher ansprechen. „Wichtig ist mir auch, die Sammlung in Beziehung zur Geschichte der Stadt Hamburg zu setzen und aktuelle Bezüge herzustellen. Unverzichtbar ist natürlich eine fundierte wissenschaftliche Basis.“ Ausdrücklich legt sie großen Wert auf „eine ausgezeichnete Gestaltung der jeweiligen Ausstellung“, immer geht es ihr um „einen Mehrwert in der Bildung“.
Die Dauerausstellung ist extrem überholungsbedürftig, die Arbeit daran wird „einige Jahre in Anspruch nehmen, denn wir sind ein sehr kleines kuratorisches Team“. Dazu gehöre auch, mehr Ausstellungsflächen zu schaffen und die denkmalgeschützten Pavillon-Vitrinen im Obergeschoss „kreativ zu nutzen“. Sicher sei bereits jetzt, „dass wir keine Aufteilung in Großregionen mehr wollen. Wir möchten die Sammlung historisch kontextualisieren, sie aber auch mit dieser Stadt des Welthandels in Beziehung setzen“.
Unverhoffter Geldregen
Für unverhofften Geldregen haben die Kulturstiftung des Bundes und der „360 Grad – Fonds für Kulturen der neuen Stadtgesellschaften“ gesorgt. Bis 2022 kann Barbara Plankensteiner über 1,36 Millionen Euro verfügen. Für vier Jahre wird etwa eine „Kuratorenstelle für kulturelle Öffnung“ geschaffen, „denn es liegt uns sehr am Herzen, unsere Angebote für ein breiteres Publikum zu diversifizieren“. Bezahlt wird davon außerdem „die vorbereitende Forschung für die Dauerausstellung“, wozu auch zähle, internationale Gastwissenschaftler einzuladen und mit Künstlern aus Herkunftsgesellschaften zusammenzuarbeiten, „um neue Perspektiven auf die Sammlung zu entwickeln“.