Hamburg. Geschwindigkeitsbegrenzung gilt von 22 bis 6 Uhr. Vier weitere Abschnitte sollen folgen. Kritik von CDU, FDP und vom BUND.

Um die Nachtruhe der Anwohner zu schützen, heißt es künftig auf vielen großen Straßen: runter vom Gas! Wie die Umweltbehörde mitteilte, gilt nun auf sechs Hauptstraßen-Abschnitten in Hamburg nachts zwischen 22 und 6 Uhr eine Höchstgeschwindigkeit von 30 Kilometern pro Stunde. Nach Anordnung durch die Verkehrs­direktion der Polizei hätten die Bezirke die Tempo-30-Schilder bereits aufgestellt oder würden dies „in Kürze“ tun.

Vier weitere Hauptstraßen-Abschnitte sollen „voraussichtlich“ im ersten Halbjahr 2018 ebenfalls als nächt­liche Tempo-30-Zonen ausgewiesen werden, dabei handelt es sich um die Holstenstraße, den Braamkamp, die Bramfelder Chaussee und die Tarpenbekstraße (s. Tabelle). Die Umsetzung sei aber noch nicht terminiert, es müssten erst Verkehrsmessungen durchgeführt werden.

Reifen lauter als die Motoren

Zunächst waren sogar 40 mögliche Straßenabschnitte überprüft worden, für eine nächtliche Tempobeschränkung eignen sich aus Sicht von Umwelt-, Verkehrs- und Innenbehörde aber nur zehn. „Das Thema Lärm ist für Hamburg eine große Herausforderung“, sagte Umweltsenator Jens Kerstan (Grüne). „Ein nächtliches Tempolimit an Hauptstraßen kann in vielen Fällen eine spürbare Reduzierung von gesundheitsschädlichem Lärm und damit Entlastung für die Menschen bringen, die hier wohnen.“

Auf diesen Straßen kommt das Tempolimit

Ab Tempo 30 sind Reifen lauter als die Motoren. Das liegt nach Einschätzung des Hamburger Lärmexperten und Gutachters Christian Popp auch daran, dass heute selbst Kleinwagen mit Reifen ausgestattet sind, die Höchstgeschwindigkeiten von bis zu 250 Kilometern pro Stunde aushalten. Im Abendblatt hat sich Popp bereits für eine nächtliche Geschwindigkeitsreduzierung ausgesprochen. „Damit wird die Lautstärke um etwa zweieinhalb Dezibel reduziert. Das entspricht etwa einer Halbierung der Verkehrsmenge. Es wäre grundsätzlich sinnvoll, überall dort Tempo 30 einzuführen, wo Menschen wohnen – zumindest nachts.“

CDU und FDP fordern mehr "Flüsterasphalt"

Die CDU hält jedoch nichts von den neuen Tempo-30-Zonen. Aus Sicht der Christdemokraten fügt der rot-grüne Senat der Mobilität in Hamburg dadurch sogar "einen schweren Schaden" zu. So führe Tempo 30 im Vergleich zu Tempo 50 weder tagsüber noch nachts zu einer nennenswerten Reduktion der Lärm- und Schadstoffemissionen.

„Wer nachts für Ruhe sorgen will, ist mit Tempo-30-Diktaten schlecht beraten", sagt der CDU-Verkehrsexperte Dennis Thering. "Der Grundsatz ‚leistungsfähige Hauptverkehrsstraßen – verkehrsberuhigte Wohnstraßen‘ muss gerade in einer Industrie-, Dienstleistungs- und Handelsmetropole wie Hamburg weiterhin gelten." Vor allem hebe Tempo 30 auf Hauptverkehrsstraßen den Zeitvorteil gegenüber kürzeren Strecken durch Tempo-30-Wohnstraßen auf. Die Folge sind laut CDU Ausweichverkehre in umliegenden Wohngebieten. "Mehr mobile Tempokontrollen und mehr ‚Flüsterasphalt‘ wären deutlich wirksamer im Kampf gegen Verkehrslärm als dieses rot-grüne Placebo", sagt Thering.

Auch die FDP sieht das Tempo-30-Vorhaben kritisch. "Tempo 30 wird die Lärmbelastung für die Anwohner kaum senken", sagt der FDP-Bürgerschaftsabgeordnete Ewald Aukes. "Stattdessen braucht die Stadt ein nachhaltiges Verkehrskonzept." Auch die Liberalen sprechen sich für "Flüsterasphalt" aus. "Oder ‚Grüne Wellen‘ durch intelligente Ampelschaltungen, um ständiges Anfahren und Abbremsen zu vermeiden“, so Aukes.

Scharfe Kritik vom BUND

Für den BUND Hamburg sind die neuen nächt­lichen Tempo-30-Zonen "völlig unzureichend", wie der Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland am Mittwoch mitteilte. Von der Lärmschutzmaßnahme profitierten maximal 2000 Anwohner, in Hamburg lebten aber mehr als 140.000 Menschen an gesundheitsschädlich verlärmten Straßen.

„Nachts Tempo 30 an sechs Straßenabschnitten – nur das Problem komplett aussitzen wäre weniger ambitioniert", kritisiert Manfred Braasch, Landesgeschäftsführer des BUND Hamburg. "Selbst wenn in diesem Jahr noch einmal vier Straßenabschnitte dazu kommen, profitieren weniger als drei Prozent der Betroffenen von diesen Maßnahmen."

Der BUND fordert hingegen eine deutliche Ausweitung der Tempo-30-Vorgaben – auch an Hauptverkehrsstraßen und auch tagsüber. Zudem setzen sich die Umweltschützer für ein konsequentes Nachtflugverbot ab 22 Uhr ein.