Hamburg. Im Herbst soll die Geschwindigkeitsbegrenzung in der Nacht auf sechs großen Straßen gelten. Vier weitere Abschnitte könnten folgen.
In Hamburg dürfte es in absehbarer Zeit deutlich mehr Tempo-30-Abschnitte geben als bisher. So wird die Geschwindigkeitsbegrenzung in Kürze in der Nacht auf sechs Abschnitten von Hauptverkehrsstraßen gelten. Für vier weitere große Straßen wird eine solche nächtliche Temporeduzierung voraussichtlich später erfolgen, heißt es in der Verkehrsbehörde. „Die Umsetzung der ersten Tranche ist jetzt für Herbst vorgesehen“, bestätigte Behördensprecherin Susanne Meinecke das Vorhaben dem Abendblatt.
Die insgesamt zehn Straßenabschnitte seien Teil eines Pilotversuchs, mit dem die Lärmbelastung für Anwohner verringert werden soll. Sie gehören der Behörde zufolge zu den 40 „lautesten Straßen“ der Stadt. Betroffen sind an diesen zehn Abschnitten insgesamt etwa rund 3000 Anwohner. In ersten Schätzungen war allerdings von weit mehr betroffenen Bürgern die Rede.
Bisher gilt Tempo 30 in Hamburg in der Regel auf Nebenstrecken. In Harburg gebe es auf drei Hauptstraßen seit 2014 aber auch schon ein nächtliches Tempo 30 als Pilotversuch, der nun auf ganz Hamburg ausgeweitet werden soll. Begonnen werde auf Abschnitten folgender Straßen: Eiffestraße, Rennbahnstraße, Bergedorfer Straße, Holtenklinker Straße, Vogt-Wells-Straße und Mühlendamm/Kuhmühle. Hier darf dann zwischen 22 und sechs Uhr morgens nicht schneller als mit 30 Kilometern pro Stunde gefahren werden.
Für diese Straßen sei die Prüfung weitgehend abgeschlossen. Unter anderem müssten für das neue Tempolimit die Ampelschaltungen geändert werden. Geprüft wird Tempo 30 noch für die Hauptverkehrsstraßen Braamkamp, Tarpenbekstraße, Holstenstraße, Bramfelder Chaussee.
340 Anträge für Tempo 30
Aber auch auf anderen Straßen könnte bald Tempo 30 eingeführt werden – davon geht zumindest der Allgemeine Deutsche Fahrrad-Club (ADFC) aus, der vor einigen Monaten eine Internet-Kampagne gestartet hat. Mit einer Art Antragsvordruck können Anwohner online bei den Behörden beantragen, dass an ihrer Straße etwas gegen Lärm und Abgase unternommen wird – unter anderem mit weiteren Tempo-30-Zonen. Weil an vielen Stellen Grenzwerte überschritten werden, rechnet der ADFC mit guten Chancen.
Insgesamt haben bereits mehr als 700 Hamburger den Internet-Antrag genutzt, 340 konkrete Anträge seien bei den Behörden eingegangen. „Diese werden derzeit noch geprüft“, sagte ein Polizeisprecher. Diese Prüfung dauert zum Teil bereits einige Monate. Weil bisher noch keine Umsetzung erfolgt sei, gebe es nun bereits erste Klageverfahren auf Umsetzung neuer Tempo-30-Zonen, wie der ADFC mitteilte. Konkret laufen diese Verfahren für die Straßen Heimfelder Straße, Max-Brauer-Allee, Schäferkampsallee und Sülldorfer Brooksweg.
Laut ADAC wird Lärm auf diese Weise nicht verringert
ADFC-Sprecher Dirk Lau zeigt sich zuversichtlich, dass die Klagen Erfolg haben werden, da kürzlich das Verwaltungsgericht Stuttgart festgestellt habe, dass Behörden bei Grenzwertüberschreitungen zwingend verkehrsbeschränkende Maßnahmen ergreifen müssten. „Und da ist Tempo 30 ein wirksames Mittel“, sagt Lau.
Eine ganz andere Einschätzung vertritt hingegen der Allgemeine Deutsche Automobil-Club (ADAC) in Hamburg. „Wir sehen die neuen Maßnahmen an den Hamburger Hauptverkehrsstraßen sehr kritisch“, sagt Sprecher Hans Duschl. Der ADAC beruft sich hierbei auf Studien, wonach weder beim Thema Lärm noch in puncto Abgase eine Verringerung von Tempo 50 auf Tempo 30 etwas bringen würde. „In diesem Bereich hört man nur den Motor – ob man dann 30 im dritten oder 50 im vierten Gang fährt, bleibt sich ziemlich gleich“, sagt Duschl. Erst wenn schneller gefahren werde, machten sich auch Reifengeräusche bemerkbar. Ähnlich sei die Situation bei Abgaswerten. Auch hier sei es besser, wenn man ein gleichmäßiges Tempo im höheren Gang fahren könne.
Tempo 30 gilt auf 70 Prozent der Straßen
Der ADAC führt gegen mehr Tempo 30 aber noch ein weiteres Argument ins Feld: Die Aufteilung in Haupt- und Nebenstraßen mache Sinn, weil der Verkehr auf den großen Straßen „gebündelt“ werde. Duschl: „Wenn nun fast überall Tempo 30 gilt, besteht die Gefahr, dass sich Autofahrer Schleichwege durch Wohnstraßen suchen.“
Selten ist Tempo 30 schon jetzt nicht mehr in Hamburg. 1983 wurde es erstmals in der Stadt eingeführt, mittlerweile gilt die Beschränkung laut ADAC auf rund 70 Prozent des gut 4500 Kilometer langen Straßennetzes.
Mehr Infos zur ADFC-Tempo-30-Kampagne: www.adfc-hamburg.de