Hamburg. Im Hamburger Fahrtreppenwerk sind 70 Arbeitsplätze gefährdet. IG Metall beginnt Warnstreiks in der Stadt – einen Tag vor allen anderen.

Bei ThyssenKrupp sind sie ein wenig eigen mit der genauen Bezeichnung dessen, an was sie da arbeiten im Werk an der Kolumbusstraße in Horn. Es ist das, was in Deutschland gemeinhin Rolltreppe genannt wird, von den Experten aber Fahrtreppe. Deshalb steht am Fabriktor ein Schild mit der Aufschrift ThyssenKrupp Fahrtreppen und auch Betriebsratschef Yusuf Tüfekci ist wichtig, dass es Fahrtreppe heißt, nicht Rolltreppe. „Ungefähr 98 Prozent der Fahrtreppen in den Hamburger Bahnhöfen sind von uns“, sagt der Mann, der seit 29 Jahren im Unternehmen ist, mit einem Anflug von Stolz in der Stimme.

Ein bisschen eigen sind sie an der Kolumbusstraße in Horn auch, wenn es darum geht, öffentlich zu sagen, dass sie mit irgendetwas grundsätzlich nicht einverstanden sind. Es sind gut 150 bis 200 Arbeiter des Fahrtreppenwerks, die am Dienstag den Reigen der Warnstreiks in der Hamburger Metall- und Elektroindustrie eröffnen. Einen Tag früher als von der IG Metall angekündigt und auch zur Überraschung der Bezirksleitung Küste der Gewerkschaft.

Gewerkschafter froh über Ende der Friedenspflicht

„Wir wollten unbedingt die ersten sein“, sagt Tüfekci. Kurz darauf besteigt er die Ladefläche eines Kleintransporters und ruft den protestierenden Arbeitern zu, die in Blaumann und dicken Jacken draußen vor dem Werkstor in der Kälte stehen: „Ich bin froh, dass die Friedenspflicht vorbei ist und dass wir endlich auf die Straße gehen können, um der Geschäftsführung zu zeigen, dass wir uns das nicht länger gefallen lassen.“ Tüfekci erntet zustimmendes Getriller aus zahlreichen roten Pfeifen mit IG-Metall-Aufschrift, die Gewerkschafter vorher noch schnell verteilt haben.

Die vielen Männer und die Hand voll Frauen, die ihre Arbeitsplätze in den Werkshallen für gut zwei Stunden verlassen haben, gehören zu den letzten ihrer Art im Land. Das Fahrtreppenwerk in Horn ist das einzige noch existierende in Deutschland. Etwa die Hälfte der 450 Beschäftigten an der Kolumbusstraße arbeitet in der Produktion. Sie montieren die Fahrtreppen, schweißen die Rahmen und Gerüste dafür zusammen.

Es könnten bis zu 70 Arbeitsplätze in Hamburg wegfallen

Die Stimmung der Fahrtreppenbauer ist vor allem deshalb so kämpferisch, weil zumindest ein Teil von ihnen um den Arbeitsplatz fürchten muss. In der hochprofitablen Aufzug- und Fahrtreppen-Sparte von ThyssenKrupp gibt es nämlich Pläne, einen Teil der Produktion aus Hamburg zu verlegen. Wahrscheinlich nach Rumänien, heißt es am Rande der Kundgebung. Und es wird darüber geredet, dass in Horn etwa 70 Arbeitsplätze in der Vorproduktion wegfallen könnten.

Unternehmenssprecherin Jasmin Fischer bestätigt diese Zahl nicht, spricht aber von notwendigen „Anpassungen“: „Die Marktsituation und die Ergebnislage erfordern für das Werk in Hamburg, das Produktportfolio und die Kosten weiter anzupassen. Ohne Anpassungen verlieren wir weiter an Wettbewerbsfähigkeit mit der Folge von Unterauslastung und zunehmenden Verlusten“, sagt sie. Das Ziel sei es, „möglichst sozialverträgliche Lösungen zu finden“.

„Wir lassen diese Pläne nicht zu“, ruft Betriebsratschef Tüfekci in die Mikrofone des improvisierten Rednerpults auf der Ladefläche des Kleintransporters und erntet erneut Pfeifengetriller. „Standort erhalten“, steht auf einem der Protestbanner.

Mitarbeiter verzichten für Standorterhalt auf Lohn

Die zentralen Forderungen der Gewerkschaft in der aktuellen Tarifrunde nach sechs Prozent mehr Gehalt und nach einem individuellen Recht auf Teilzeitarbeit und einem Teillohnausgleich in besonderen Fällen, spielen bei diesem ersten Warnstreik des Jahres in Hamburg eher eine Nebenrolle.

Schon seit Jahren verzichteten die Mitarbeiter auf Teile des Lohns, um den Standort zu erhalten, sagt der Betriebsratschef. Nun gebe es neue Forderungen des Managements nach längerer Arbeitszeit und zum Verzicht auf weitere Lohnbestandteile. Tüfekci verlangt Investitionen ins Hamburger Werk, um dessen Profitabilität zu erhöhen. „Wir haben unsere Vorschläge gemacht, jetzt warten wir auf die Antwort der Geschäftsführung“, ruft er.

Die Hamburger haben andere Probleme als Teillohnausgleich

Derweil werden Kaffee und Tee ausgegeben, Gulaschsuppe und Chili con Carne. Die hauptamtlichen Gewerkschafter haben das alles herankarren lassen. „Warmes Essen muss sein“, sagt der für das Werk zuständige IG-Metall-Sekretär Mike Retz.

Natürlich gibt es Zustimmung, als ein Redner fordert, im Bezirk Küste müssten endlich die gleichen Schichtzuschläge gezahlt werden wie in anderen Bezirken. Und auch die Jugendvertreterin bekommt Applaus, als sie eine freien Tag für die Azubis vor Prüfungen fordert. Aber der Teillohnausgleich für pflegende Teilzeitarbeiter ist am Kolumbusweg an diesem Tag kein großes Thema. Im Fahrtreppenwerk haben sie gerade ganz andere Probleme.