Hamburg. Metalltarifrunde beginnt in Hamburg. Ab Januar drohen 24-Stunden-Streiks. Arbeitgeber hoffen auf sinkenden Kampfesmut.

Einen kleinen Erfolg kann die Gewerkschaft schon verbuchen, bevor einer der Unterhändler einen Fuß in den Saal gesetzt hat, in dem sich IG Metall und Arbeitgeberverband Nordmetall zum ersten Gespräch der neuen Tarifrunde für die norddeutsche Metall- und Elektroindustrie treffen: Überall auf dem Platz vor dem ehemaligen Hauptzollamt in der Hamburger Speicherstadt ist es rot. Rot ist die Farbe der Gewerkschaft, blau ist die Farbe der Arbeitgeber. Aber blau ist nur einmal ganz kurz zu sehen, als sich Mitglieder der Nordmetall-Delegation in blauen Jacken vor die Tür wagen.

In früheren Tarifrunden platzierte Nordmetall am Verhandlungsort regelmäßig eigene Plakate. Präsident Thomas Lambusch durfte sogar schon mal von der IG-Metall-Bühne zu Gewerkschaftsmitgliedern reden. Diesmal ist die Stimmung schon zu Beginn der Verhandlungen spürbar angespannt. Die IG Metall hat den Platz vor dem Hauptzollamt gleich mitgemietet – Blau darf sich da nicht blicken lassen. Es ist eine kleine Spitze am Anfang einer Tarifauseinandersetzung, die deutlich härter werden wird als in den Vorjahren. Davon sind alle Beteiligten fest überzeugt.

Nahles warnt vor einer Konfrontation

„Wir werden im neuen Jahr bestimmt noch einige Male auf die Straße gehen müssen, bevor es eine Einigung gibt“, sagt Aleena Oetting. Die 28-Jährige ist eine von, laut Gewerkschaft, 1500 IG Metallern, die vormittags vom Fischmarkt in die Speicherstadt gezogen sind, um für sechs Prozent mehr Lohn und ein individuelles Recht auf die 28-Stunden-Woche zu demonstrieren. Es ist die Arbeitszeitfrage, die die Verhandlungen so schwierig machen wird. Die Vorstellungen liegen weit auseinander

SPD-Fraktionschefin Andrea Nahles warnt die Tarifpartner vor einer Konfrontation: „Wenn Arbeitszeitfragen nicht im Konsens in Tarifverhandlungen gelöst werden, löst man gar nichts“, sagt sie dem Abendblatt. Inhaltlich unterstützt die ehemalige Bundesarbeitsministerin die Forderung der IG Metall: „Arbeitnehmer sollten die Arbeitszeit bei guten Gründen für eine befristete Zeit reduzieren können.“

Arbeitgeber hoffen auf sinkenden Kampfesmut

Nordmetall-Präsident Lambusch hat am Tag des Verhandlungsauftakts im Abendblatt gefordert, je nach Bedarf des Betriebs müssten bis zu 42 Arbeitsstunden möglich sein. Ob ein Mitarbeiter in Teilzeit gehen kann, darüber solle weiter allein der Betrieb entscheiden. „Die Arbeitszeit ist kein einfaches Thema“, sagt Aleena Oetting, die bei Thyssenkrupp Marine Systems in Hamburg dem Betriebsrat angehört. „Mehr Geld ist wichtig, aber es gibt auch viele Kollegen, die auf etwas Geld verzichten und lieber mehr Freizeit wollen. Und dabei wollen sie nicht auf das Wohlwollen des Chefs angewiesen sein.“

Die wohl wichtigste Frage dieser Tarifrunde wird sein, wie groß die Bereitschaft der Gewerkschaftsmitglieder ist, für neue Arbeitszeitmodelle intensiv zu kämpfen. Die Arbeitgeber hoffen darauf, dass der Kampfesmut im Winter sinkt – noch ist er hoch. Selbst aus Papenburg sind IG Metaller angereist, um durch den Regen zu marschieren. Der Bus ist um 5.30 Uhr gestartet. „Für mich ist das hier ein Tag Freizeit“, sagt ein Schiffbauer von der Meyer Werft. Die Kundgebung soll die Arbeitgeber beeindrucken, und sie soll zusammenschweißen.

Gewerkschafterin
Aleena Oetting
(28) sagt:
„Arbeitszeit ist
kein einfaches
Thema“
Gewerkschafterin Aleena Oetting (28) sagt: „Arbeitszeit ist kein einfaches Thema“ © Heiner Schmidt

Bald nach dem Jahreswechsel wird es Warnstreiks geben, womöglich sogar 24-Stunden-Streiks. Die Arbeitgeber fürchten das. In ihrem Lager gibt es unterschiedliche Interessen. Manchen Betrieben geht es schlecht, vielen sehr gut: Sie wollen möglichst störungsfrei arbeiten, sind eher zu Zugeständnissen bereit. Anders als üblich hören die Nordmetaller in der ersten Runde nicht nur zu, Lambusch präsentiert eigene Arbeitszeit-Forderungen. Eine Annäherung gibt es nicht. Am 8. Dezember treffen sich die Tarifpartner erneut.