Hamburg. Gewerkschaft erhöht den Druck, einige Firmen im Norden schon am Montag betroffen. Arbeitgeber drohen mit Klagen auf Schadenersatz.

Die „Metallzeitung“ gibt Lesern der Januar-Ausgabe schon mal Tipps für die heiße Phase der Tarifauseinandersetzung in der eher kalten Jahreszeit: Schal, Mütze und Fleecejacke gehörten zur Grundausstattung bei Aktionen auf dem Betriebsgelände oder vor dem Werkstor, rät das Mitgliedermagazin der IG Metall. Ein warmes Getränk aus dem Thermobecher und eine Trillerpfeife machten sich auch gut. Alles natürlich in Gewerkschafts-Rot und am besten mit IG-Metall-Logo. Als besonders pfiffig gilt ein großer, runder Wecker, „um Arbeitgeber wach zu klingeln“. Die Zeiger stehen – wenig überraschend – auf fünf vor zwölf.

Acht nach zwölf wäre auch eine Möglichkeit gewesen. Am 31. Dezember ist nach zwei erfolglosen Verhandlungsrunden über einen neuen Tarifvertrag die Friedenspflicht in der Metall- und Elektroindustrie ausgelaufen. Acht Tage später, am nächsten Montag, beginnen Warnstreiks. Bundesweit und auch im Tarifbezirk Küste, zu dem 140.000 ­Beschäftigte in Hamburg, Schleswig-Holstein, dem nordwestlichen Niedersachsen, Bremen und Mecklenburg-Vorpommern gehören. Nur der ­Nachbarbezirk Niedersachsen der Gewerkschaft ist schon mal vorgeprescht. Bereits am ersten Werktag nach dem Jahreswechsel gab es dort in kleineren Betrieben Arbeitsniederlegungen.

„Langsam loslegen“

Auch im Bezirk Küste wolle man zu Wochenbeginn erst mal „langsam loslegen“, kündigte Bezirksleiter Meinhard Geiken am Mittwoch in Hamburg an, dann aber massiv nachlegen. Ab Mitte nächster Woche soll es zunächst in mehreren mittelgroßen Betrieben in der Hansestadt mehrstündige Arbeitsniederlegungen geben, zum Ende der Woche sind die Beschäftigten der größten Metallarbeitgeber wie Airbus, Daimler, Jungheinrich und Still zum Warnstreik und zu Protestveranstaltungen aufgerufen.

In der ersten Streikrunde vor der nächsten Verhandlungsrunde am 18. Januar sollen sich nach dem Willen der Gewerkschaft Beschäftigte in 140 Unternehmen im Bezirk am Arbeitskampf beteiligen. „Ich gehe davon aus, dass die meisten Kolleginnen und Kollegen das auch tun werden“, sagte Geiken. In der Tarifrunde zuvor habe es Warnstreiks in weniger als 100 Betrieben gegeben. „Wir sind mit unseren Argumenten bislang nicht durchgedrungen. Die Arbeitgeber brauchen den Druck aus den Betrieben“, begründete Geiken das Ausmaß der Proteste.

Flexibilisierung der Arbeitszeit

Die Forderung der Gewerkschaft nach sechs Prozent mehr Lohn und das Angebot der Arbeitgeber, zwei Prozent mehr zu zahlen, liegen noch weit aus­einander. Als besonders schwierig gilt die aktuelle Tarifrunde aber vor allem deshalb, weil es auch um neue Arbeitszeitmodelle geht. Die IG Metall will ein Recht auf individuelle Arbeitszeitreduzierung auf bis zu 28 Stunden pro Woche durchsetzen. Die Arbeitgeber lehnen das nicht nur ab, sondern fordern eine Flexibilisierung der Arbeitszeit. Bei guter Auftragslage sollen die Mitarbeiter deutlich mehr als 40 Stunden pro Woche arbeiten, ohne dass dafür Überstundenzuschläge gezahlt werden.

Als „nicht verhandelbar“ und „absolutes No-Go“ weisen die Arbeitgeber die Forderung zurück, in bestimmten Fällen sollten die Betriebe ihren Beschäftigten, die vorübergehend in Teilzeit gehen, zusätzlich 200 Euro pro Monat Lohnausgleich zahlen. Und dies ist auch der Punkt, an dem die Tarifauseinandersetzung nun schnell weiter eskalieren könnte.

Lambusch: Streiks sind illegal

Denn kaum hatte die Gewerkschaft ihre Marschlinie für die nächsten Wochen skizziert, drohte der Arbeitgeberverband Nordmetall mit Klagen. „Die Forderung nach einem finanziellen Ausgleich ohne Arbeitsleistung ist nach unserer Auffassung rechtswidrig, und damit sind auch die Warnstreiks illegal, wenn sie sich auf diese Forderung beziehen“, erklärte Nordmetall-Präsident Thomas Lambusch. Sollte es zu rechtswidrigen Streiks kommen, werde Nordmetall mit den betroffenen Unternehmen „rechtliche Schritte bis hin zu Schadenersatzklagen“, prüfen. Bezirksleiter Geiken hatte mit so was gerechnet: „Nordmetall hat uns da so ein Gutachten geschickt. Wir diskutieren hier aber keine juristische, sondern eine politische Frage“, sagte er.

Schmerzhafte 24-Stunden-Warnstreiks

Die Dramaturgie des Arbeitskampfes will die IG Metall jedenfalls beibehalten: Eine Woche Warnstreiks in und vor den Betrieben sowie Arbeitsniederlegungen und Kundgebung rund um die Verhandlung Mitte Januar in Bremen. Da wenig für eine Einigung spricht und der 25. Januar für weitere Gespräche bereits terminiert ist, dürfte der Arbeitskampf in den Tagen davor auch auf den Straßen ausgetragen werden – unter anderem in Hamburg. Danach könnten für viele Unternehmen schmerzhafte 24-Stunden-Warnstreiks und schließlich die Urabstimmung über unbefristeten Streik folgen. Geiken: „Unsere Kassen sind gut gefüllt, wir können lange aushalten. Aber einen richtig langen Streik will ja eigentlich niemand.“